Brexit – Verhandlungen
Erstellt von Redaktion am Dienstag 23. Oktober 2018
Wie sich eine Nation zum Trottel macht
Eine Kolumne von Jan Fleischhauer
Kein Volk hat die Arroganz so kultiviert wie die Briten. Die traurige Wahrheit ist: Was einst eine Weltmacht war, ist heute ein Land, das es nicht einmal schafft, den Weg zur Tür zu finden, ohne über die eigenen Füße zu stolpern.
In seinem Buch „Wir Deutschen“ beschreibt Matthias Matussek einen Abend in der deutschen Botschaft in London. Der Botschafter hat zu Ehren der Romanautorin Antonia S. Byatt eingeladen. Matussek toastet der Schriftstellerin zu, worauf sie ihn mit der Frage überrascht, was er von der europäischen Verfassung halte. Ach, antwortet der Journalist, es sei vermutlich in Ordnung, wenn sich die europäische Staatengemeinschaft auf ein paar grundlegende Prinzipien einige.
Ihre schwer beringte Hand bleibt eine Weile über dem Teller schweben, dann sagt Lady Byatt: „Wissen Sie, wir Briten brauchen keine Verfassungen, wir sind die älteste Demokratie der Erde.“ Pause. „Für junge Nationen wie euch Deutsche mögen Verfassungen indes durchaus ihren Nutzen haben.“ Man könne den Tonfall, in dem das vorgebracht wurde, nicht näselnd und abschätzig genug schildern, schreibt Matussek. „Im Prinzip sagte sie: Ihr seid Barbaren, ihr habt gerade die Keule aus der Hand gelegt, ihr braucht die Kandare.“
So kennen wir die Briten, so lieben wir sie. Nie um eine Antwort verlegen und stets bereit, to put someone in his place, wie es auf der Insel anschaulich heißt. Das Problem ist: Wenn man sich so aufführt, als sei man der Nabel der Welt, sollte man auch der Nabel sein oder diesem zumindest nahe kommen. So wie es ausschaut, sind die Briten bald nicht einmal mehr der Wurmfortsatz Europas.
Wie man sich als Nation vor aller Augen zum Trottel macht, das führt uns das Vereinigte Königreich gerade in spektakulärer Weise vor. Was einmal das mächtigste Imperium der Welt war, ist heute ein Land, das es nicht einmal schafft, den Weg zur Tür zu finden, ohne über die eigenen Füße zu stolpern.
28 Monate ist es jetzt her, dass die Briten entschieden, sich aus der Europäischen Union zu verabschieden. Leider sind sie seitdem keinen Schritt weiter gekommen.
Wenn Theresa May mit einem Vorschlag in Brüssel aufläuft, kann man sicher sein, dass er schon einen Tag später nicht mehr das Papier wert ist, auf dem er niedergeschrieben steht. Entweder präsentiert sie Ideen, die in Brüssel längst zurückgewiesen wurden. Oder ihre Pläne sind in der eigenen Partei bereits ad acta gelegt. Oder Boris Johnson hat sie in seiner Kolumne im „Telegraph“ erledigt.
Bis vor kurzem habe ich Mitleid empfunden, wenn ich die britische Regierungschefin bei einem Gipfel durchs Bild hoppeln sah, mit ihrem schiefen Lächeln und den noch schieferen Angeboten. Inzwischen ertappe ich mich dabei, wie ich denke: Geht mit Gott, aber geht!
No deal is better than a bad deal? Wenn sie in Großbritannien davon überzeugt sind: Dann muss es wohl so sein. Ein harter Brexit wird auch uns einiges kosten, keine Frage. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was die Briten erwartet.
Bei meinen Kollegen habe ich gelesen, wie die goldene Zukunft aussieht, die sie in London den Bürgern versprochen haben. Erst stauen sich die Lastwagen bis nach Wales, weil an den Grenzen nichts mehr läuft. Dann geht an den Tankstellen der Treibstoff aus und in den Hospitälern werden die Medikamente knapp. Zuhause droht der Wasserschaden: Da alle polnischen Klempner außer Landes getrieben wurden, kommt leider niemand mehr vorbei, um die Leitungen zu reparieren, wenn die Toilette überläuft.
So sitzen sie dann da in ihren tropfenden Häusern, ohne Heizöl und Aspirin, aber dafür mit extrem schlecht gelaunten Russen als Nachbarn, die sich für viel zu viel Geld auf dem englischen Immobilienmarkt eingekauft haben und nun stinkig sind, weil ihr Investment den Bach runter geht. Wir wissen, wie unangenehm schlecht gelaunte Russen werden können, liebe Engländer: Dagegen ist jeder Medikamenten-Engpass ein Spaß!
Quelle : Der Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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