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Bratkartoffeln mit Hilmar

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 30. Mai 2013

Guantánamo, ein Erklärungsversuch

Versprechen haben wir von Barack Obama vor seinen Amtsantritt gar viele gehört, eingelöst wurden diese leider jedoch nie. Hier eine tiefsinnige Betrachtung über Guantanamo.

von Ilija Trojanow

Wie erklärt man Guantánamo einem, der 10 Jahre weg war? Über Folter, Schuld und fehlenden Protest redet man am besten bei einem Teller Bratkartoffeln.

In einem anderen Leben habe ich mit Hilmar von Hartenooge an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Ethnologie studiert. Wir diskutierten nächtelang über Fruchtbarkeitskulte, Propheten und Geisterseher; wir verstanden uns auch ansonsten gut. Insofern war ich zwar überrascht, aber durchaus erfreut, als er vor einigen Tagen vor meiner Wohnungstür stand, mager, mit einem abwesenden Blick in den Augen und einem Rucksack in der linken Hand. Er setzte sich auf den Fußboden und bat um ein Glas Milch.

– Wann bist du zurückgekehrt?, fragte ich.

– Letzten Monat.

– Wie lange warst du weg?

– Zehn Jahre.

– Eine lange Zeit, murmelte ich.

Verlegenheit bringt die größten Weisheiten hervor. Zwischen langen Sätzen des Schweigens erzählte er bruchstückhaft von Initiationsriten im Ituri-Regenwald, von der letzten Elefantenjagd, von den Heilkräutern, die ihm das Leben gerettet hätten. Er schien abgelenkt, so als gelte seine Aufmerksamkeit etwas anderem. Er würde schon damit herausrücken, dachte ich mir, während ich die Kartoffeln zum Kochen aufsetzte. Nach zehn Jahren im zentralafrikanischen Dschungel hat man bestimmt Lust auf Bratkartoffeln.

Ich verstehe das alles nicht, platzte es aus ihm heraus, nachdem er drei Portionen verdrückt hatte.

Was verstehst du nicht, Hilmar?

Was in meiner Abwesenheit so alles passiert ist.

Was meinst du?

Dieses Guantánamo zum Beispiel.

O weh, dachte ich mir. Ich empfand wenig Lust, die aktuellen Absurditäten eines demokratischen, rechtsstaatlichen Systems einem bärtigen Ethnologen, der gerade von einer langen Feldforschung zurückgekehrt war, zu erklären. Lieber hätte ich mehr über den Gesang der Waldbewohner erfahren.

Was verwirrt dich denn, Hilmar?

Die Häftlinge, wieso hat man sie in der Zwischenzeit nicht verurteilt?

Weil sie nichts getan haben. Die meisten von ihnen waren nie für al-Qaida tätig.

Wie sind die da reingekommen?

Mehr als drei Viertel der Häftlinge sind Kopfgeldjägern in die Fänge geraten, nur fünf Prozent wurden von der US-Armee festgenommen.

Das waren doch bestimmt alles fanatische Krieger?

Eigentlich nicht, eher ein bunter Haufen: Fahrer, Köche und Kinder.

Kinder?

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia

Author Kathleen T. Rhem

This image is a work of a U.S. military or Department of Defense employee, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.

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