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„Bissen für Bissen“

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 5. Oktober 2017

„Weniger Masse, mehr Hirn“

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Das Interview führten Georg Löwisch und Ulrich Schulte

Wie kriegt seine Partei Jamaika hin? Der Grüne Robert Habeck über Posten, rote Linien und über Cem, Katrin und Macron.

taz. am wochenende: Herr Habeck, früher gab es bei den Grünen ein geflügeltes Wort: „Die arme Verwandtschaft vom Platz vor dem Neuen Tor.“ Kennen Sie das?

Robert Habeck: Nein. Aber ich kann mir vorstellen, was es bedeutet.

Dort haben die beiden Parteivorsitzenden ihre Büros.

Der Bundesvorstand hat gegenüber der Bundestagsfraktion oder möglichen Ministerien die wenigsten Mittel und Mitarbeiter. Mein Ministerium in Schleswig-Holstein hat 440 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit dem nachgeordneten Apparat arbeite ich mit 2.000 Leuten zusammen. Sie helfen, dass ich keine Fehler mache, sie beantworten meine Fragen und setzen die politischen Entscheidungen im Land um.

Ein kleiner König.

Könige sind die unfreisten Menschen, die es gibt. Übrigens speist sich politische Kraft aus mehr als Geld und Personal. Ideen­reichtum, Motivation, Klarheit, Geschick. Insofern kann man es auch umdrehen: Bist du klein, bist du beweglich. Weniger Masse, mehr Hirn. Die Bundesvorsitzenden können strategisch wichtige Knotenpunkte sein.

Die Grünen suchen einen neuen Chef. Würden Sie die 2.000 gegen zwei tauschen?

Sorry, ich bin nicht auf Jobsuche.

Wollen Sie lieber Bundesminister werden?

Ich halte es geradezu  für aberwitzig, jetzt über Posten zu diskutieren. Alle, die Jamaika ernsthaft gestalten möchten, sollten sich überlegen, wie das gehen kann, nicht, was aus ihnen werden kann.

Ach ja? Die Rheinische Post berichtet, Sie und die grünen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir hätten bei einem Treffen mit FDP-Verhandlern bereits über Ressortzuschnitte gesprochen.

Das ist Quatsch. Ich war jedenfalls bei keinem solchen Treffen. Das Schlimme an solchen Meldungen, ist aber nicht nur, dass sie falsch sind, sondern der Eindruck entsteht, hier geht es um Karrieregeilheit und Posten. Wir müssen doch erst mal sehen, ob Jamaika irgendeine Grundlage haben kann.

Katrin Göring-Eckardt & Cem Özdemir (montage).png

Wie schwierig werden die Verhandlungen?

Enorm. Aber wie verspeist man einen Wal? Bissen für Bissen Und du weißt nicht, ob du danach platzt, ob dir übel ist oder es dir einigermaßen gut geht. So dürfte der Weg nach Jamaika sein.

Wie würden Sie rangehen an den Wal?

Entscheidend wird sein, dass alle Beteiligten innerhalb ihrer eigenen Milieus dafür werben, aus der Ernsthaftigkeit der Sondierung eine Ernsthaftigkeit der Lösung zu machen. Wenn alle sich hinter roten Linien verschanzen, kann das nichts werden. Jeder muss sich trauen, dem anderen einen halben Meter entgegenzukommen, ohne die eigene Position zu verraten. Nur so kann etwas Neues entstehen, ein dritter Weg neben ausgetretenen Pfaden.

Machen Sie Witze? Die CSU schlägt gerade um sich.

Klar, wer eine Niederlage erlitten hat, haut auf die Trommel, um zu zeigen, dass er noch lebt. Das macht es nicht leichter. Je unsouveräner man sich fühlt, desto schwieriger ist es, großmütig zu sein. Nötig wäre ein konstruktiver Modus.

Was müssten die Topthemen für die Grünen in einer Regierung sein?

Damit das nicht so etwas Listenhaftes bekommt, rede ich mal von Themenfeldern. Das erste Feld ist die ökologische Transformation, von Energie über Umwelt bis Landwirtschaft. Dann wäre da die Sozialpolitik. Jamaika steht prinzipiell unter dem Verdacht, ein Bündnis der Besserverdiener zu werden. Das ist tödlich. Es wäre gerade nach dieser Wahl mit Sicherheit die falsche Antwort für die Gesellschaft. Das dritte Feld sind die Finanzen. Die Fiskalpolitik einer Jamaika-Koalition ist entscheidend. An ihr entscheidet sich die Frage, wie solidarisch, ökologisch und weltoffen Deutschland in Europa agiert.

Sie träumen. Die FDP will offenbar das Bundesfinanzministerium und der zweitstärkste Koalitionspartner durfte sich immer als erster ein Ressort aussuchen. Wie sollen die Grünen da Fiskalpolitik machen?

Die Auseinandersetzung um die Fiskalpolitik zeichnet sich als neue Hauptkonfrontation ab. Sie ist unweigerlich mit der Frage verbunden, wie Europa zusammenhält. Das Feld werden wir nicht einfach der FDP überlassen. Sie hat da eine ex­trem andere Vorstellung als wir. Und wir wissen selbst, wie eine ökologische und soziale Fiskalpolitik gestaltet werden kann. Monika Heinold, unsere Finanzministerin in Schleswig-Holstein, steuert über die Finanzen auch Politikfelder. Für den Bund muss gelten: Ein Koali­tions­vertrag müsste Europa neue Chancen eröffnen und die Deregulierungswut im Innern stoppen. Aber wie gesagt, ich rede nicht über Posten. Es haben ja jetzt schon viel zu viele Leute die Frage im Hinterkopf: Was wird aus mir? Das geht mir wirklich auf den Senkel.

Quelle   :     TAZ    >>>>>     weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben   —   Dr. Robert Habeck

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