Lidl-Zulieferer in Bangladesch
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 5. März 2015
Verschwörung des guten Willens
AUS DHAKA UND GAZIPUR LALON SANDER
Zwei Jahre nach dem Einsturz des Rana Plaza: Die Situation in den Fabriken von Bangladesch bleibt schwierig. Nachdem Gewerkschaftsmitglieder in einem Lidl-Zulieferbetrieb Sicherheitsbedenken geäußert haben, werden 48 von ihnen gefeuert. Nach monatelangem Streit schließt der deutsche Besitzer nun seine Fabriken – 1.300 Beschäftigte verlieren ihren Job
Mitte Februar kommt es in der Fabrik von BEO Apparels – Hersteller von T-Shirts, Polohemden und Pullovern und Zulieferer der deutschen Supermarktkette Lidl – zu einer auch für Bangladesch ungewöhnlichen Szene: Vor den Augen eines Einkäufers zerren leitende Angestellte, mit Stangen bewaffnet, an der Kleidung eines Gewerkschafters. Sie hätten ihn wohl auch zusammengeschlagen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, in ein Auto zu flüchten. Von dort aus macht Kamrul Hassan, der Gewerkschafter, Handyfotos: Sie zeigen die Manager, mit Eisen- und Holzstäben bewaffnet.
So glimpflich wie für Kamrul Hassan endet dieser 16. Februar nicht für alle Anwesenden. Bei der folgenden Prügelei werden auf beiden Seiten mindestens zehn Personen verletzt. Für die Beschäftigten der Fabrik rückt damit der letzte Arbeitstag näher: Der deutsche Besitzer von BEO Apparels, Ulrich Bornemann, verkündet, dass er diese und eine zweite Fabrik in Bangladesch dauerhaft schließen will. Die Probleme der letzten Monate hätten dazu geführt, dass er keine Aufträge mehr habe. 1.300 ArbeiterInnen werden dann auf der Straße stehen.
Die Geschichte des Konflikts zwischen der Fabrikleitung von BEO Apparels und der Betriebsgewerkschaft ist ein Beispiel für den komplizierten Alltag im Billiglohnland Bangladesch. Wie es dazu kam, darüber gibt es unterschiedliche Versionen, je nachdem, wen man fragt. Kamrul Hassan berichtet, dass die Gewerkschaftsmitglieder dem Management im September vergangenen Jahres zunächst Bedenken wegen der Sicherheit im Betrieb vorgetragen und höhere Feiertagsgelder gefordert hätten. Wenige Tage darauf seien 48 Beschäftigte entlassen worden. Seitdem drängten internationale Gewerkschaften und Kunden der Fabrik darauf, die Gefeuerten wieder einzustellen. Fabrikeigner Bornemann hingegen sagt, die Leute hätten wild gestreikt und sogar einige der Fabrikleiter eingesperrt. Deshalb sei die Entlassung rechtens gewesen.
Im schlichten Büro von Kamrul Hassans Gewerkschaftsverband AGWF, am Rande der staubigen Hauptstraße zwischen Dhaka und Gazipur gelegen, sitzen nun 6 der 48 gefeuerten Arbeiter und 3 weitere, die derzeit noch bei BEO Apparels arbeiten. Sie haben die Briefe dabei, die sie im September geschrieben hatten. In wackliger Schrift und unsicherer Orthografie steht darin, dass sie um Schränke bitten, um ihre Schuhe verstauen zu können. Sie wünschen sich auch, dass der Dampfkessel für die Bügeleisen verschoben wird, weil sie glauben, er könnte explodieren. In einem dritten Brief fordern sie ein höheres Feiertagsgeld für das kommende muslimische Opferfest. Es solle die für die Branche übliche Summe übersteigen und allen ausgezahlt werden – nicht nur an die, die länger als drei Monate im Betrieb waren.
„Die Fabrikleitung hat uns gleich gesagt, dass das nicht geht“, erinnert sich Ariful Islam, der Chef der Betriebsgewerkschaft. „Aber sie sagten, sie würden mal nachrechnen.“ Als dann wenige Tage später ein Aushang über das Feiertagsgeld auftauchte, auf dem die Namen der neuen KollegInnen im Betrieb fehlten, marschierten zwölf ArbeiterInnen zur Fabrikleitung, um zu verhandeln.
„Aussage gegen Aussage“
Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen
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