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Erstellt von Redaktion am Samstag 20. Dezember 2014

Reise durch die ukrainischen Gespensterrepubliken

von Laurent Geslin und Sébastien Gobert

Manchmal kommt Dimitri vorbei, um nach seinen früheren Nachbarn zu sehen. Die harren in ihren Häusern aus, nur zwei Kilometer entfernt vom umkämpften Donezker Flughafen. Die Dächer der Häuser im Putilowka-Viertel sind großenteils weggerissen, die Backsteinfassaden rauchgeschwärzt. Ein paar Kämpfer hocken um ein Feuer, über dem eine Kaffeekanne hängt. „Hier kommt keine Hilfe an“, klagt Dimitri und lässt den Blick über Trümmerhaufen und verbogene Eisenträger schweifen. Der alte Mann hat bei Verwandten Zuflucht gefunden. Andere sind nach Kiew oder Russland geflohen.

Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) haben seit Kriegsbeginn mehr als 830 000 Menschen ihren Wohnort verlassen.(1) Die Zahl der Toten liegt offiziell bei 4 000. Wer bleibt, muss sehen, wie er überlebt. Arbeit gibt es kaum. Viele Unternehmen und Geschäfte, wie auch die meisten Banken auf dem Gebiet der selbst proklamierten „Volksrepubliken“ Donezk (DNR) und Lugansk (LNR), sind geschlossen. Jeden Tag stehen die Menschen vor der Post Schlange, um Geldsendungen abzuholen. „Ich lebe von meinen Ersparnissen, aber die sind bald erschöpft“, erzählt ein pensionierter Bergarbeiter.

Am 4. November erklärte der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk, man werde keine Sozialleistungen mehr an die von den Rebellen kontrollierten Regionen zahlen. Zur Begründung erklärte er: „Wenn wir heute Geld überweisen, kommt es nicht bei der Bevölkerung an, sondern wird von russischen Gangstern gestohlen, und dann hilft es vor allem, den russischen Terror zu finanzieren.“ Am 15. November verkündete Staatspräsident Petro Poroschenko auch die Einstellung aller Aktivitäten von staatlichen Unternehmen, Institutionen und Organisationen. Damit wird die Distanz zu den Separatistengebieten nur noch größer. Die Regierung zahlt den Staatsangestellten keine Gehälter mehr und friert die 34 Milliarden Griwna (1,7 Milliarden Euro) ein, die 2014 für die Region bestimmt waren. Gas und Strom sollen aber weiterhin geliefert werden.

Früher hatten die Oblaste Donezk und Lugansk 7 Millionen Einwohner. Die Rebellen kontrollieren die bevölkerungsreichsten Gebiete, in denen etwa 5 Millionen Menschen leben. Die ukrainische Regierung schaut einfach weg. „Ich will gar nicht wissen, was auf der anderen Seite der Front geschieht“, sagt Volodymyr Hritsishyn, Vizegouverneur der Region Lugansk. Heute amtiert er im Exil, als Amtssitz dient ihm das Rektorat der Universität von Sjewjerodonezk. Wie viele andere hat er die Einschüchterungsversuche der Rebellen erlebt. „Wenn die Beamten, Professoren oder Rentner dort bleiben, ist das ihre Entscheidung und ihr gutes Recht. Aber die Ukraine schuldet ihnen nichts mehr, schon gar kein Gehalt!“ Im Übrigen könnten die Rentner ihre Pension immerhin noch in bar beziehen – vorausgesetzt sie lassen sich in einem von der ukrainischen Armee besetzten Dorf registrieren und trauen sich jeden Monat durch die Front.

Quelle: Le monde diplomatique: >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber V&A Dudush

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