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Aufschwung – oder was?

Erstellt von Redaktion am Freitag 29. Juli 2011

Aufschwung durch Bestechung?

 Unsere Wirtschaft in Deutschland boomt. Angeblich! Aber wie funktioniert das? Noch immer haben die Menschen viel zu wenig Geld in der Tasche, um die Binnenwirtschaft anzukurbeln. Erst am 19.07.2011 erfuhren wir, dass die Realeinkommen der deutschen Bevölkerung im mittleren Bereich  in den letzten 10 Jahren um 2,5 Prozent und im Niedriglohnsektor um 22 Prozent (!) gesunken sind.

Der Aufschwung kann also nur im Export stattfinden. Aber die europäischen Länder, hauptsächlich Griechenland gefolgt von Irland, Spanien und Portugal stehen nicht gerade gesund da, um für Umsatz in Deutschland zu sorgen. Die USA ist ebenso Pleite wie China. Woher also soll der Boom in Deutschland kommen?

William „Boss“ Tweed (1823 – 1878), Chef der Tammany Society,
die zum Inbegriff der Korruption in den USA wurde.

Mövenpick-Partei

Wir alle wissen mittlerweile dass die FDP vor einiger Zeit auch die „Mövenpick-Partei“ genannt wurde. Dies kam dadurch zustande, dass diese Partei von August von Finck (Inhaber von 14 Mövenpick Hotels) 1,1 Millionen Euro Spende erhalten hatte und daraufhin die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde. Dieses Vorgehen hatte einen mehr als fauligen Geschmack, der bis heute nicht ausgeräumt werden konnte. Aber nicht nur die FDP ist Empfängerin von „Bestechungsgeldern“.

DaimlerChrysler

Auch bei dem Wahnsinnsprojekt „Stuttgart 21“ wurde jedem klar, dass die Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft enorm sind. Auch der Autobauer Daimler gehört zu den Unterstützern. Dies ist bekannt. Der Konzern erhofft sich Zusatzgewinne durch die Reduzierung des Güterverkehrs und außerdem stellt Daimler auch Lastwagen her, die es gilt, an den „Mann“ zu bringen und die beim Bau benötigt werden. Wenn man aber glaubt, dass es hier um Sicherung von Arbeitsplätzen geht, ist man auf dem falschen Dampfer. Sittenwidrige Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen machen bei Daimler nicht zum ersten Mal Schlagzeilen.

„Die deutsche Leiharbeitsgesetzgebung verstößt gegen Europarecht“,

schimpft Detlef Wetzel, der zweite Vorsitzende der IG Metall.

Der Schweizer Strafrechtsprofessor Mark Pieth an der Universität Basel und Korruptionsexperte was die Weltwirtschaft angeht, leitete mehrere Jahre eine OECD-Arbeitsgruppe, die sich mit Bestechung befasste. Er wurde 2003 in eine unabhängige Untersuchungskommission der Vereinten Nationen berufen. Es ging um die Korruption beim Öl-für-Lebensmittel-Programm der UNO, bei dem Menschen im Irak von 1996 bis 2003 mit Nahrungsmitteln versorgt wurden.

Insgesamt 2200 Firmen aus sechsundsechzig Ländern sollen nach den Studien von Mark Piet damals Bestechungsgelder an Saddam Hussein gezahlt haben. Auch dreiundsechzig deutsche Firmen wie z. B. DaimlerChrysler und Siemens bezahlten scheinbar dem „Schlächter von Bagdad“ Schmiergelder. Daimler wollte damals einen gepanzerten Wagen an Hussein verkaufen. Was das mit dem Programm zu tun hatte darf verwundert gefragt werden. Das Fahrzeug kostete 135.895 DM, der UN wurden 149,484,50 DM, also mit einem 10%igen Aufschlag, in Rechnung gestellt. Daimler nutzte das Öl-für-Lebensmittel-Programm der UNO auch für weitere Geschäfte in dem die Russian Ingineering Company als Zwischenhändler tätig war.

Siemens

Auch Siemens griff damals im Rahmen des selben Programms recht tief in die Tasche. Aus dem Firmenverbund – Siemens France, Siemens Türkei und die in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässige Osram Middle East – wurden 1,6 Millionen Dollar Schmiergelder dem Irak „gespendet“. Ein Auftrag über 125 Millionen Dollar kam dabei heraus. Die Münchener Zentrale von Siemens bezeichnete die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als „voreilig und ungerechtfertigt“.

Die Firmen ließen sich zu hohe Rechnungen von der UNO genehmigen und die zusätzlichen Einnahmen wurden als „Kickback-Zahlungen“ nach Bagdad zurück überwiesen. Saddam Hussein verpflichtete damals alle Ministerien diese Aufschläge von den Unternehmen zu verlangen. Transporte wurden erst nach deren Bezahlung durchgelassen.

UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte die Ermittlungsbehörden auf, Strafverfahren gegen die beschuldigten Firmen und Einzelpersonen in Deutschland einzuleiten. Eigentlich hätte bei einem so gigantischen und nachgewiesenen Korruptionsskandal ermittelt werden müssen. Die Staatsanwaltschaften haben aber die Langsamkeit entdeckt  oder sind auf „Tauchstation“ gegangen, obwohl die UN die belastenden Unterlagen auf dem Präsentierteller vorgelegt hatte.

Kein Verfahren hatte im Jahr 2007 das Stadium der Anklage erreicht, weder in Stuttgart noch anderswo. Schließlich wollen die deutschen Staatsanwälte Karriere machen und solche Verfahren machen denjenigen, der ermittelt, nicht gerade beliebt, wenn man die Manager der deutschen Vorzeigefirmen mit solchen „Lapalien“ belästigt.

Beim Siemens-Skandal 2006 kam an die Öffentlichkeit, dass das Unternehmen hohe Funktionsträger in Wirtschaft und Politik bestochen hatte, um an Aufträge in der Telekommunikationssparte Com zu gelangen. Lange Zeit war die Summe der Bestechungsgelder unbekannt. Mittlerweile bezifferte Siemens selbst sie auf 1,3 Milliarden Euro. Eine gewaltige Summe! Aber die Kunden müssen das ja letztendlich bezahlen und nicht Siemens oder die Manager selbst. Mit der Münchner Staatsanwaltschaft einigte man sich dann auf eine Geldbuße von 201 Millionen Euro. Im Gegenzug wurden die geflossenen Geldströme nicht weiter verfolgt.

Die US-Behörden waren nicht ganz so genügsam. Siemens musste an die US-Behördenaufsicht SEC und das Justizministerium rund 600 Millionen Euro Bußgeld bezahlen. Zuvor hatte der Konzern befürchtet, dass er eine Strafe in Milliardenhöhe zu erwarten hätte. Siemens war von den US-Ermittlern nicht wegen Bestechung sondern „nur“ wegen Verletzung der Buchhaltungspflichten und mangelnder Kontrollen bestraft worden. Das hatte für Siemens den Vorteil, dass der Konzern weiterhin auf dem US-Markt verkaufen durfte. Die Unternehmensspitze war damals außerordentlich erfreut“ über die Milde der Amerikaner.

Deutschlands größte Korruptionsfälle

Um Aktien der Daimler-Benz AG ging es beim Flick-Skandal in den 1980er Jahren die im Wert von 1,9 Milliarden DM an die Deutsche Bank verkauft wurden. Flick beantragte in diesem Zusammenhang eine Steuerbefreiung beim Bundeswirtschaftsministerium. Hans Friedrichs und sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff (beide FDP) genehmigten diese. Erstmals rückte die Bestechlichkeit von Politikern ins Rampenlicht. 1981 kam ans Tageslicht, dass Bargelder an Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien gezahlt wurden. Unter den Empfängern sollen auch Helmut Kohl (CDU), Walter Scheel (FDP) und Franz Josef Strauß (CSU) gewesen sein.

Eine andere Spendenaffäre hatte auf die Bundestagswahl 2002 Einfluss. Von 1994 bis 1999 spendeten ein Großteil der Unternehmen, die am Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage beteiligt waren an die Kölner SPD mindestens 480.000DM, die nicht im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchten.

Mit einem Vertrauensverlust der „Götter im weißen Kittel“ endete 1996 der Herzklappenskandal. Pharmafirmen sollen Schmiergelder an Ärzte und Techniker in Millionenhöhe bezahlt haben. Diese bestellten Herzklappen, Herzschrittmacher und Ersatzteile für Herz-Lungen-Maschinen zu Lasten der Krankenkassen und hatten sich außerdem privat bereichert.

Der VW-Skandal 2005 steht für eine Reihe weiterer Korruptionsskandale im KFZ-Bereich. Der damalige Manager der VW-Tochter Skoda, Helmuth Schuster und zwei seiner Mitarbeiter hatten anscheinend ein Netz von Tarnfirmen aufgebaut damit VW-Gelder für fingierte Aufträge und letztendlich auf Privatkonten umgeleitet werden konnten. Zusätzlich soll Schuster soll für das Versprechen, eine VW-Fabrik zu bauen, von einer indischen Provinzregierung drei Millionen Euro angenommen haben.

Auch der damalige VW-Personalchef Peter Hartz geriet in die Kritik als er dem Betriebsrat Geld zur Verfügung gestellt hatte und verfügte, dass die Verwendung nicht mehr kontrolliert werden sollte. Lustreisen und Luxus-Prostituierte sollten den Betriebsrat auf die Linie des Konzern-Vorstands bringen.

Leuna-Raffinerie

Beim Verkauf der Ostdeutschen Leuna-Raffinerie an den französischen Staatskonzern Elf Aquitaine im Jahr 1993 waren über Schweizer Konten 80 Millionen DM an Schmiergelder geflossen. Auf ein weit verzweigtes Geflecht aus Firmen und Stiftungen stießen die Genfer Fahnder bei der Beschlagnahmung von Bankunterlagen. Die zuständige Pariser Untersuchungsrichterin Eva Joly vernahm einen ehemaligen Manager der Elf-Aquitaine und erfuhr dabei, dass gewaltige Schmiergelder und Provisionen nach Deutschland an deutsche Politiker geflossen sind.

Im April 1997 wurde im Büro der französischen Finanzpolizei eingebrochen und gezielt Unterlagen gestohlen, die auf deutsche Leuna-Spuren hinweisen. Der Leuna-Deal war zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand „auf den Weg gebracht“ worden. In das Milliardenprojekt waren mehrere Regierungs- und Landespolitiker, meist aus der CDU, eingebunden gewesen.

Kohl und käuflich? Den kann man leider nicht mehr fragen, er hat ja wenn es brenzlig wird, Gedächtnisverlust. Aber keine Angst Herr Kohl, die deutschen Justizbehörden schauen doch in solchen Fällen gleich reihenweise weg. Bis heute ist dazu kein einziges Ermittlungsverfahren in Deutschland eingeleitet worden, obwohl es Lastwagenweise Unterlagen aus der Schweiz gab.

In der „Leuna-Tapete“ (Schaubild der Schweizer Ermittler) tauchen Namen auf wie Dieter Holzer (Lobbyist und Exgeheimdienstler) und Ludwig-Holger Pfahls (Ex-CDU-Verteidungsstaatssekretär, der schon aus den geschmierten Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien1991 und als Manager von DaimlerChrysler bekannt wurde) als wirtschaftlich Berechtigte, die bis 1999 mehr als 123 Millionen Euro hin- und herbewegt hatten, auf.

Der Generalstaatsanwalt Bernhard Bertossa aus Genf nennt Namen. Allesamt sollen CDU-Politiker sein. Diese wiesen natürlich alle Vorwürfe zurück. Das Konto, von dem aus Holzer die Überweisungen tätigte, lag damals unter der Obhut der Kohl-Regierung. Das Bundeslandwirtschafts- und Finanzministerium waren ebenfalls an der DSL Bank mit Sitz in Bonn beteiligt. 1993 waren dort Jochen Borchert (CDU) und Theo Waigel (CSU) Aufsichtsminister.

Die Genfer Ermittler haben gut recherchiert. Aber selbst die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Ermittlungsergebnisse angefasst wie heiße Kartoffeln und dann schnell wieder fallen gelassen. Nur der Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier und der Steuerfahnder Winfried Kindler wollten ermitteln und kamen den Spuren sehr nahe. Die justiz-politische Obrigkeit pfiff beide zurück. Justiz-politische Obrigkeit? Sollten nicht Justiz und Politik voneinander unabhängig sein?

Maier und Kindler sind jene Ermittler, die die Schwarzgeldpraxis der CDU Mitte der 1990er an die Oberfläche gebracht haben. Ex-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, Ludwig-Holger Pfahls und Max Strauß (Sohn von Franz Josef Strauß) waren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Geldwäsche und Steuerhinterziehung ins Visier der Öffentlichkeit geraten. Der Waffenhändler Karlheinz Schreiber hatte sich zunächst noch rechtzeitig nach Kanada abgesetzt.

Als Holzer 2003 von der französischen Justiz angeklagt wurde, machten Manfred Carstens (CDU) und Wolfgang Gröbl (CSU) Aussagen, die ihren Freund entlasten sollten. Keinem Ermittler ist damals aufgefallen, das die beiden im Jahr 1993 Staatssekretäre in jenen Ministerien waren, unter deren Obhut die DSL Bank stand.

Der damalige Chef der DSL Bank soll einem langjährigen Freund erzählt haben, dass Schmiergelder an Unionspolitiker ausgezahlt wurden. Der Bankenchef habe seinem Freund diese Informationen anvertraut, falls ihm etwas passieren würde. Zwei Jahre später war er tot. Er wäre an einer langjährigen Krankheit gestorben, hieß es offiziell. Fakt ist aber: er starb am 12.10.1995 in einem Hotel in Iserlohn an tödlichen Verletzungen durch einem Sturz auf einer Sicherheitstreppe.

In einer Villa in Cannes kommt der deutsche Milliardär Diethelm Höner ebenfalls durch einen Treppensturz ums Leben. Auch er soll die besten Kontakte zur Kohl-Regierung und angeblich brisantes Wissen über die Leuna-Geschäfte gehabt haben.

Das waren nur einige Beispiele aus dem Bestechungs- und Schmiergeld-Wirrwarr in Deutschland. Transparency International (TI) in Deutschland erwähnte in ihrem Jahresbericht 2010, dass „dringender Reformbedarf“ beim Kampf gegen Abgeordnetenbestechung bestehe.

Im Herbst 2010 wurden die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert. Juni 2011: Genehmigung von Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien. Bis heute hat sich die Regierung Merkel nicht dazu geäußert. U-Boot-Lieferungen nach Griechenland und Portugal. Liefen auch hier Schmiergelder über die weit vernetzten Konten?

Fazit: Korruption wird in jedem Land betrieben, auch in Deutschland. Dieser Straftatbestand wird scheinbar nur in Ausnahmefällen verfolgt. Uwe Dolata, einer der größten deutschen Wirtschaftskriminalisten stellte in einem Interview fest: „je größer die Sozialschädlichkeit bestimmter Delikte und Deliktsgruppen ist, umso nachhaltiger müssten Anstrengungen unternommen werden, diese zu ermitteln.“

Wirtschaftskriminalisten führen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – heute in Deutschland ein Schattendasein in der Polizeihierarchie. Zweifellos ist das politisch gewollt. Wundern tut es keinen mehr. Korrupte Politiker lassen sich einfach bei der nächsten Wahl in den jeweiligen Bundes- bzw. Landeslisten aufstellen und haben somit die Gewissheit, wieder gewählt und somit Aussicht auf einen lukrativen Nebenjob zu bekommen. Der Wähler hat dadurch keine Chance, solche Politiker einfach abzuwählen, wie es unser Grundgesetz verlangt.

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Grafikquelle   :     Guido Westerwelle

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