Armes Deutschland
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 16. Juli 2020
Studie zu Verteilung von Vermögen
Von Ulrike Herrmann
Vermögen ist in Deutschland extrem ungleich verteilt, zeigt eine DIW-Studie. Die ärmere Hälfte besitzt nur rund ein Prozent des gesamten Nettovermögens.
Wie reich sind die Reichen in Deutschland? Dazu war bisher wenig bekannt. Es gab keine belastbaren Zahlen, sondern nur Schätzungen. Diese Datenlücke hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nun geschlossen. Ergebnis: Allein das reichste Prozent, also das oberste Hundertstel, besitzt bereits rund 35 Prozent der individuellen Nettovermögen. Die reichsten zehn Prozent kommen gemeinsam auf 67,3 Prozent der Vermögen.
Da bleibt für den Rest der Bevölkerung nur wenig übrig. Die untere Hälfte der Bundesbürger besitzt nur rund ein Prozent des gesamten Nettovermögens. In konkreten Zahlen: Im Durchschnitt kommen sie auf ein Vermögen von 3.682 Euro. Sie besitzen also im wesentlichen ein Auto – und das war es dann auch schon. „Reichtum“ wird da schnell zu einem relativen Begriff: Man muss nämlich nur über ein Gesamtvermögen von 22.800 Euro verfügen, um statistisch schon zur reicheren Hälfte der Bevölkerung zu gehören.
Die Lage der Unter- und Mittelschichten war schon immer gut erforscht, weil sie regulär an den repräsentativen Erhebungen teilnehmen, die vom Statistischen Bundesamt, von der Bundesbank und vom Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) beim DIW durchgeführt werden. Datenlücken gab es hingegen bei den Millionären und Milliardären, weil diese kaum zu bewegen sind, über ihr Vermögen freiwillig Auskunft zu geben. Der letzte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung konstatierte daher frustriert: „Für höchste Einkommen und Vermögen liegen kaum belastbare Daten vor.“
Da im nächsten Jahr erneut ein Armuts- und Reichtumsbericht ansteht, wollte die Bundesregierung die Datenlage verbessern und hat daher das Forschungsprojekt gefördert, dessen Ergebnisse nun publiziert wurden. Die Detektivarbeit war nicht einfach, wie Carsten Schröder vom DIW erklärt: „Im Unterschied zu vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland keine Daten aus der Vermögenssteuer, aus denen sich ablesen ließe, wie hoch die Vermögen am oberen Ende sind.“
Datenlücke erstmals geschlossen
Um die Spuren des Reichtums zu verfolgen, haben sich die DIW-Wissenschaftler eines Tricks bedient: Unternehmen sind verpflichtet, Informationen über ihre Eigentümerstrukturen zu veröffentlichen. Diese Daten werden wiederum kommerziell von einem belgischen Dienstleister namens Bureau van Dijk gesammelt und ausgewertet. Das DIW konnte daher ermitteln, dass 1,7 Millionen Menschen ihren Wohnsitz in Deutschland haben und mindestens 0,1 Prozent an einem Unternehmen halten. Aus dieser Gruppe wurden 1.956 Haushalte zufällig ausgewählt und intensiv befragt.
Den DIW-Forschern ist es damit erstmals gelungen, die Datenlücke zu schließen, die bei den Vermögen von etwa drei bis 250 Millionen Euro klaffte. Allerdings ist damit noch immer nicht der gesamte Reichtum statistisch erfasst. In Deutschland leben bekanntlich auch Milliardäre. Doch sie schweigen weiter eisern über ihr Vermögen.
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Ungleichheit bei Vermögen in Deutschland:
Der Selbstbetrug der Mittelschicht
Kommentar von Ulrike Herrmann
Die meisten Deutschen haben keinerlei Vermögen. Nur ist es zu einfach, die Unter- und Mittelschichten allein als Opfer zu sehen.
Deutschland ist eine Klassengesellschaft. Der Reichtum ballt sich bei wenigen Familien, während die meisten Deutschen fast gar kein Vermögen haben. Die Zahlen sind erschreckend, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) jetzt publiziert hat: Das reichste Zehntel verfügt über 67,3 Prozent des gesamten Nettovermögens. Für den großen Rest der Bevölkerung bleibt also wenig übrig, und die ärmere Hälfte besitzt fast nichts.
Für eine Demokratie ist es extrem gefährlich, wenn Arm und Reich auseinanderdriften. Denn die Demokratie lebt von dem politischen Versprechen, dass alle Menschen gleich seien – weswegen ja jeder Erwachsene genau eine Stimme hat.
Doch das Parlament wirkt machtlos, wenn sich das Vermögen in wenigen Händen konzentriert. Alle arbeiten – aber auf wundersame Weise werden nur die Kapitalbesitzer reicher. Die Demokratie erscheint wie ein Anhängsel der Millionäre, weswegen nicht wenige Menschen zu dem fatalen Fehlschluss gelangen, dass es sich gar nicht lohne, zur Wahl zu gehen.
Allerdings wäre es zu einfach, die Unter- und Mittelschichten nur als Opfer zu sehen. Sie wirken an ihrem eigenen Abstieg mit. Die Mehrheit der Deutschen wählt konsequent Parteien, die mit dem Versprechen antreten, auf gar keinen Fall die Steuern auf Vermögen oder Spitzeneinkommen zu erhöhen.
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Elitenforscher über Reichtum:
„Milliarden steuerfrei vererbt“
DAS INTERVIEW FÜHRTE LEA FAUTH
Deutschland braucht eine Vermögenssteuer. Doch dafür fehle der politische Wille, bemängelt der Sozialwissenschaftler Michael Hartmann.
taz: Herr Hartmann, wie kann es sein, das sich so viel Vermögen in so wenigen Händen konzentriert?
Michael Hartmann: In Deutschland gibt es sehr viele Familienunternehmen: Jedes zweite der hundert größten Unternehmen ist in Familienbesitz, selbst so große Unternehmen wie BMW, Merck, und Henkel. In anderen Ländern gibt es einen deutlich geringeren Prozentsatz an Familienunternehmen. Das Erbschaftssteuergesetz von 2009 ist für solche Unternehmen besonders günstig.
De facto ermöglicht es steuerfreies Vererben von großen Unternehmensvermögen. Das Gesetz über die Erbschaftssteuer für Familienunternehmen wurde immer so präsentiert, als ob es um größere Handwerksunternehmen ginge. Im Wesentlichen aber geht es um große und sehr große Unternehmen. Die Stiftung Familienunternehmen hat für das Gesetz starke Lobbyarbeit gemacht. Wenn man sich anguckt, wer da im Präsidium sitzt, dann sind das keine kleinen Unternehmen.
Sondern?
Sondern Konzerne wie Henkel, Haniel oder Kärcher. Das Bundesverfassungsgericht hat dann ja auch entschieden, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist. Da werden Milliarden steuerfrei vererbt. Die veränderte Fassung von 2016 hat daran kaum etwas geändert. Es gibt noch einen weiteren Faktor, der die Zustände in Deutschland historisch erklärt: In fast allen Industrieländern gab es eine spürbare Abnahme der Vermögenskonzentration während der 1930er Jahre. Entgegen gängigen Vorstellungen war das in Deutschland nicht so. Die Nazis haben eine außerordentlich unternehmerfreundliche Politik betrieben.
Was muss auf politischer Ebene passieren, damit die Zustände sich verbessern?
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Grafikquellen :
Oben — 14 500 Euro-Scheine mit einem 100 Euro Schein auf einem Din A 4 Blatt
Author | Huhu Uet |
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2. ) von Oben —
83990 Saint-Tropez, France
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3.) von Oben — Die Wirtschaftskorrespodentin der TAZ Ulrike Herrmann hält einen Vortrag zum Thema „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“ und stellt im Club W71 in Weikersheim ihr neues Buch vor.
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4.) von Oben — BMW-Werke, BMW Welt, und BMW Museum