Alarmstufe ROT: Marseille
Erstellt von Redaktion am Sonntag 23. August 2020
Der Müll, die Ratten und endlich noch Corona
Quelle : Scharf — Links
Von Dr. Nikolaus Götz
Der Hafen Frankreichs nach Afrika ist Marseille, eine Stadt mit über einer Million Einwohner und nach Paris die zweitgrößte französische Metropole. Der Größe der Stadt entsprechen die Vielzahl der Probleme, vor die sich dort die politisch Verantwortlichen gestellt sehen. Jetzt bei der gerade zurückliegenden Kommunalwahl vom Juli 2020 haben die Marseiller nicht nur eine Frau ins führende Amt als Bürgermeisterin gewählt, sondern auch noch eine als linke „grüne Rebellin“ geadelte Person: Michèle Rubirola. Der Altbürgermeister Jean-Claude Gaudin bekam nach 25 Jahren einer skandalreichen Amtszeit endlich seinen längst verdienten Fußtritt! Doch was bedeutet es inhaltlich eigentlich, das stets konservativ, dümmliche Geschwätz von einer „linken und grünen Rebellin“? „Ist das Schwingen eines Kehrbesens zur Müllentfernung schon eine grüne Rebellion?“, seien die Kommentatoren gewisser, auch deutscher Journale offen gefragt.
Ein einfacher Beobachter, der am ’Alten Hafen’ von Marseille entlang den Cafés durch diese Touristenmeile schlendert, kann sichtlich schockiert feststellen, wie schmutzig diese Stadt im Vergleich zu anderen französischen Städten ist. Selbst hier am weltbekannten ’Vieux port’, an dem neben vielen teuren Hotels auch das Rathaus liegt und der als Kulisse des Actionfilms ’Der Transporter’ diente, ist überall Müll zu finden. Anstatt den Müll in den bereitstehenden Containern zu entsorgen, lassen die ’Marseiller’ ihren Dreck scheinbar einfach fallen. Die täglich fahrenden Müllmänner werden der anfallenden Müllflut nicht mehr Herr. So stinkt selbst dieses Vorzeigeviertel am Alten Hafen zum Himmel, zumal der Fischmarkt unter der neuen ’Esplanade en metal’ mit seinem reichen Fischangebot dem Gestank noch seine besondere Parfumnote hinzufügt.
Wird aber nun die neue Bürgermeisterin „Madame la Maire“ Rubirola die Zustände ändern können? Hoffnung verspricht die neue Mitarbeiterin Frau Christine Juste ihre ’adjointe’(Dezernentin), die nun ins Amt für „Umweltschutz, Gesundheit, Kampf gegen Umweltverschmutzung und für Sauberkeit des öffentlichen Raumes“ als sechste Mitarbeiterin von insgesamt 30 berufen wurde (vgl.: La Marseillaise, 21. 7. 2020, S. 5). Die Hinterlassenschaft des Altbürgermeisters Gaudin, die „Umweltprobleme“ oder Sauberkeits- und Hygieneprobleme der Millionenstadt Marseille könnten jedoch nicht größer sein! Neben den vielen Marseillern und den Sommertouristen tummeln sich abends nämlich die Ratten auf dem langen Boulevard Prado, und in der bekannten Bierschwemme, dem ’Paulaner’, einem sehr gut frequentierten Restaurant, direkt an der Place de Castellane gelegen, vertreiben die wild herumtanzenden Kakerlaken wie die huschenden, lieblichen Mäuse die Langeweile der Gäste zwischen den einzelnen Gängen. Das turnt so richtig an und hebt den Appetit!
Wie im Zentrum der Stadt, so ist auch die Problemlage in den städtischen Außenbezirken! Eine Invasion von Ratten, Kakerlaken und Wanzen terrorisiert die Bewohner im Wohnviertel „Air Bel“ (dt.: Schöne Luft: ha ha!), die sich deshalb mit einem Hilferuf an die Gesundheitsbehörden gewandt haben (Siehe auch den Artikel von Myriam Guillaume, „Rats, cafarts et gros retour des punaises…“, in: La Marseillaise, 15. 7. 2020, S. 6.) Immerhin, diese Menschen leben noch, während unlängst 2018 in Marseille ganze Häuser in einer Nacht zusammenstürzten und die Bewohner unter sich begruben (1)! Dass die Abwässer von Marseille zumindest einen Tag lang im Juli 2020 ungeklärt direkt am öffentlichen Badestand David ins Meer liefen, konnten nicht nur alle zufällig anwesenden Badegäste sehen, sondern sie konnten sich auch am Gestank der einfließenden Fäkalien erfreuen, die sich vor dem blauen Meerwasser weithin sichtbar deutlich abhoben. Fast zeitgleich ereignete sich auch noch ein Unfall im Chemiewerk Lavéra bei Fos, ein Ort direkt neben Marseille gelegen, bei „dem 6 Hektar hochgiftiger Chemikalien in den Südteil des Golfs“ einflossen (vgl.: La Marseillaise vom 30. 7. 2020, S.4). Da erfreut sich das Herz aller im Mittelmeer zum Baden bereiten Gäste!
Was heißt hier „links-grüne Rebellin! Es ist einfach „klassische“ Politik gefragt, um den hinterlassenen „Sauladen“ aufzuräumen, wobei das Engagement der Marseiller jedoch nicht fehlen darf! Übrigens: Investitionen zur Reparatur oder Neugestaltung der Gehwege in Marseille kämen auch den vielen ’Clochards’ (dt.: Penner/Stadtstreicher) zugute, die dann nicht mehr auf schlecht gepflasterten Torwegen liegen würden…, ohne weiter die sozialen Missstände von Marseille anprangern zu wollen. Einst waren die Marseiller das Vorbild der französischen Nation und gaben dieser singend ihre Hymne! Im Jahr 2020 versuchen jetzt nur wenige dieser freiheitlichen Bürger „ihre Stadt“ sauber zu halten! Diese engagierten Bürger gilt es wie ihre neue „links-grüne“ Bürgermeisterin Frau Rubirola weiter in ihrem ’Kampf’ zu unterstützen!
Im Mittelalter kam zu den vielen Ratten, Kakerlaken, Wanzen und Flöhen in den Städten wie durch Zufall auch noch die Pest hinzu. Nun im August 2020 erntet Marseille „die Alarmstufe ROT“ bei der Bekämpfung des Corona-Virus. Allein schon die Anwesenheit der vielen Ratten war jedoch ein ausreichendes Signal für die sich in Marseille anbahnende Pandemie! Jetzt kommen die Ratschläge des Wunderarztes und Virologen Dr. Didier Raoult ebenso zu spät wie die vorgehaltenen Mund-Nasen-Masken bei konstant eingeschalteter Klimaanlage! Allen Hoffnung geben dann vielleicht die Schlussworte von Albert Camus in seinem Roman ’La peste’, wenn er formuliert: „…et que, peut-etre, le jour viendrait où, pour le malheur et l’enseignement des hommes, la peste réveillerait ses rats et les enverrait mourir dans une cité heureuse.“ (2)
1): Das Ereignis fand auch Beachtung in Deutschland. Siehe vgl.: Axel Veiel: „Hauseinsturz in Marseille. Marseille – Stadt der Kartenhäuser, in StN vom 6. 11. 2018.
2) Aus: Albert Camus, La Peste, Gallimard 1947, S. 309; Schlusswort in deutscher Sprache: „… und dass vielleicht der Tag käme, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und aussenden würde, damit sie in einer glücklichen Stadt sterben könnten.
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Grafikquellen :
Oben — Müllproblem in Libreville, der Hauptstadt des Gabun (2013)
Author | Oshilumbu5 at German Wikipedia |
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Unten — Der Vieux Port und der Port autonome
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- File:Marseille-ports.jpg
- Erstellt: 19. Mai 2006