Die Mafia ist Überall
Erstellt von Redaktion am Montag 5. März 2018
Wo die Mafia täglich Zugang zum Regierungschef hat
Quelle: WELT/Lukas Axiopoulos
Mitglieder des italienischen Mafiaclans ’Ndrangheta haben sich in der Slowakei ausgebreitet. Von den Mächtigen werden sie geschützt. Eine Recherche unseres ermordeten Kollegen Ján Kuciak.
Ján Kuciak hat seine Recherchen nicht mehr zu Ende führen können. Am 25. Februar wurde der Reporter des slowakischen Nachrichtenportals aktuality.sk mit seiner Verlobten Martina Kusnirova in ihrem Haus im Dorf Velka Maca erschossen. Kuciaks letzte Recherche drehte sich um mögliche Verbindungen der kalabrischen Mafia ‘Ndrangheta bis in die höchsten Sphären der slowakischen Politik.
Kuciak hatte herausgefunden, dass eine enge Beraterin des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, Maria Troskova, und der Chef des nationalen slowakischen Sicherheitsrates, Viliam Jasan, Verbindungen zu einem dubiosen kalabrischen Geschäftsmann namens Antonino Vadala unterhielten. Fico könnte diese Verbindung noch in erhebliche Bedrängnis bringen. Am Mittwoch trat der slowakische Kulturminister als Reaktion auf den Mord an dem Journalisten zurück.
Der Italiener Vadala lebt seit Jahren in der Slowakei und ist dort an einer Vielzahl von obskuren Unternehmungen involviert, von landwirtschaftlichen Betrieben bis zu Biogasanlagen. Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass Vadala in Verbindung mit der ‘Ndrangheta steht, immer wieder wurden in seine Unternehmen Gelder aus dunklen italienischen Quellen investiert.
Lesen Sie hier den Text:
Als die beiden über einen Feldweg zwischen den Dörfern Porostrov und Ostrov im Bezirk Sobrance in Richtung der Hauptstraße fuhren, bemerkten sie eine Polizeipatrouille. Umgehend wendeten sie mit ihrem weißen Fiat Punto mit italienischen Kennzeichen.
Ein Polizist schöpfte Verdacht und ließ den Wagen anhalten und kontrollieren. Auf dem Rücksitz fanden sie einen hölzernen Koffer mit einer Waffe, einem Magazin und 50 Schuss Munition. Es war eine funktionierende tschechische Maschinenpistole vom Typ 26 mit Laserzielvorrichtung und entfernter Produktionsnummer. Experten zufolge war der Koffer speziell für den Transport der Waffe angefertigt worden. Cinnante wurde wegen illegalen Waffenbesitzes angeklagt und vom Bezirksgericht in Michalovce zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Damals bezeichnete der Staatsanwalt den Italiener als einen „Unternehmer mit einem Geschäft in der Slowakei im Bereich der Landwirtschaft“.
Die Tentakel reichen bis in die Regierung
Einige Monate später verhaftete die italienische Polizei Cinnante. Der Grund war Waffenschmuggel nach Italien für den Mafiaboss Guirin Iona. Iona war der Kopf von Belvedere Spinello, einer der Clans der seinerzeit wirtschaftlich stärksten Mafia-Gruppierung, der ’Ndrangheta.
Wie Akten der Untersuchung zeigen, ist Carmine Cinnante ebenfalls ein Mitglied. Ein Mann, den die slowakischen Behörden nur als Landwirtschaftsunternehmer kannten. Aber Cinnante ist nicht der einzige Italiener mit Verbindungen zur Mafia, der eine zweite Heimat in der Slowakei fand.
Sie begannen, Geschäfte zu machen, erhielten Subventionen, bezogen EU-Gelder und knüpften vor allem Verbindungen zu einflussreichen Leuten in der Politik, bis hinauf in die slowakische Regierung. Gleichzeitig hatten sie in ihrem Heimatland Italien viele Probleme mit dem Gesetz.
Mit dem Selbstvertrauen der Mafia
In einer landwirtschaftlichen Kooperative zwischen den Dörfern Dvorianka und Parchovany im Distrikt Trebisov, trafen die geschäftlichen Interessen des Mafiosos Carmine Cinnante mit Antonino Vadala zusammen. Dieser hatte ebenfalls Schwierigkeiten mit der Polizei in seiner Heimat Italien.
Am Montag, dem 3 Februar 2003, hatte das Gericht im süditalienischen Reggio Calabria über neun Angeklagte in einem Fall zu entscheiden, an dem der Mafia-Clan Libri beteiligt war. Der Libri-Clan ist einer der mächtigsten innerhalb der ‘Ndrangheta. Unter den Angeklagten war Antonino Vadala, ursprünglich aus dem Dorf Bova Marina, im Süden von Kalabrien.
Italienischen Ermittlern zufolge war es Vadela, der auf Wunsch des Clans, dem Mafioso Domenic Ventura geholfen hatte, sich zu verstecken und zu flüchten. Ventura war für den brutalen Mord an einem Mitglied einer konkurrierenden Bande verurteilt worden.
Italienische Polizisten hatten Telefonate zwischen Antonino Vadala und Francesco Zindato, einem Boss des Clans, abgehört, in denen beide über die Details der Aktion diskutierten. Dennoch wurde Vadala 2003 aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
In einem weiteren Fall beschreibt das Gericht eine Situation, in der Antonino Vadala mit zwei anderen Männern nach Rom reist, um eine unbekannte Person „zu bestrafen“ die „dem Clan Schaden zugefügt hat“.
„Er (der Boss des Clans, Francesco Zindato) erteilte den Auftrag denjenigen, denen er am meisten vertraute – darunter Antonino Vadala“, erläuterte der Richter.
Vadala wartete die Urteilsverkündung in Italien nicht ab. Er fand Zuflucht und ein neues Heim in der Slowakei.
Unternehmer in der Energiewirtschaft
2009 gelangte ans Licht, dass der unbekannte italienische Unternehmer Antonino Vadala plante, im Industriegebiet von Lucenec zwei Fabriken für fast 70 Millionen Euro zu bauen.
Obwohl das Projekt schließlich nicht zu Stande kam, wurde aus Vadala auf diese Weise ein „Energieunternehmer“. So nannte ihn der ehemalige Wirtschaftsminister Pavol Rusko, der mittlerweile wegen Mordes angeklagt ist.
Paradoxerweise erinnerte er sich an Vadala durch dessen Verbindung zur heutigen Regierungsberaterin Maria Troskova, die eng mit Ministerpräsident Robert Fico zusammenarbeitet:
„Sie hat für uns etwa drei Monate lang gearbeitet. Es ist lange her. Etwa vier Jahre. Dann traf sie einen Unternehmer mit italienischen Wurzeln, der sich unter anderem mit Solaranlagen befasste und arbeitete für ihn“, sagte Rusko damals.
Troskova und Jasan
Im August 2011 gründeten Vadala und Maria Troskova GIA Management. Troskova verließ die Firma nach einem Jahr und wurde später Assistentin des Abgeordneten Viliam Jasan. Jasan wollte den Medien nicht mitteilen, wo er die Frau getroffen hatte, die als Model bekannt war und 2007 am Finale des Miss Universe-Wettbewerbs teilgenommen hatte. Er sagte lediglich, ein Freund habe sie empfohlen.
„Einer meiner Asistenten war gegangen und ein Freund hat mir diese Frau empfohlen“, sagte Jasan der Zeitung „Novy Cas“. Ob es sich bei dem Freund um Antonia Vadala handelte, weigerte er sich zu bestätigen.
Aber nach weniger als einem Jahr – im April 2015 – verließ Maria Troskova Jasans Büro und begann für den slowakischen Ministerpräsidenten Fico zu arbeiten. Ein Jahr später folgte ihr auch Jasan. Der Ministerpräsident ernannte ihn zum Büroleiter und Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates.
Zusätzliche erhielt Jasan die höchste Sicherheitsstufe. Als Sekretär des Sicherheitsrates berichtet er direkt an Fico und ist verantwortlich dafür, die Aktivitäten des Rates zu dokumentieren.
Er hat deshalb Zugang zu sämtlichen Dokumenten und Informationen über den Rat, dessen Aufgabe es ist die Funktionstüchtigkeit des Sicherheitssystems des Landes zu überwachen und der in Kriegszeiten die Regierungsgewalt übernimmt.
Und das, obwohl Jasan erwiesenermaßen Verbindungen zu einem Mann hat, der direkt mit der italienischen Mafia gearbeitet hat.
Die Verbindung zwischen Jasan und Vadala kann vor allem an Wirtschaftsaktivitäten aufgezeigt werden. Der Politiker der Regierungspartei SMER-SD besaß einst eine private Sicherheitsfirma namens Prodest.
Vadala und seine Kollegen haben diese Firma vor Kurzem übernommen. Außerdem hat Jasans Sohn Slavomir noch ein Joint Venture mit den Italienern, das AVJ Real heißt.
Als vor Kurzem eine von Vadalas Firmen pleite ging, wurde enthüllt, dass Vadala Anteile an einem privaten Sicherheitsdienst besaß, an dem Jasan und dessen Sohn Slavomir in der Vergangenheit beteiligt waren. Das bedeutet, dass zwei Leute, die einem Mann nahe stehen, der in die Slowakei kam als eine Person, die beschuldigt wird, mit der Mafia involviert zu sein, täglichen Zugang zum Ministerpräsidenten der Slowakei, Robert Fico haben, der sie persönlich ausgewählt hat.
Vadala wählt SMER
Quelle : Die Welt >>>>> weiterlesen
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Unten — Nachbildung des Gemäldes auf Fliesen als Wandbild in Originalgröße in der Stadt Gernika
Guernica |
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Pablo Picasso, 1937 |
Öl auf Leinwand |
349 × 777 cm |
Museo Reina Sofía |