Spahns Schweigekartell
Erstellt von Redaktion am 6. April 2021
Spendendinner des Gesundheitsministers:
Von Mattias Meisner
Mit wem traf sich Spahn kurz vor seiner Quarantäne zum Spendendinner? Auf Nachfragen reagieren mutmaßliche Teilnehmer mit Schweigen.
Es könnte so leicht sein, wenn Jens Spahn nur wollen würde. Vor ein paar Tagen sprach der Gesundheitsminister in der Bundespressekonferenz über die Corona-Warnapp. Er sagte: „Mit wem ich beim Abendessen gesessen habe, das weiß ich und das kann ich benennen.“ Die Deutschlandfunk-Reporterin Nadine Lindner kommentierte auf Twitter dazu: „So weit zur Theorie. In der Praxis wäre das auch mal was für sein #Spendendinner …“
Tja.
Spahn will partout nicht. Und doch sickern nun Informationen zum Teilnehmerkreis des mittlerweile berüchtigten Treffens am 20. Oktober 2020 in Leipzig durch. Gastgeber war der PR-Unternehmer Peter Zimmermann, früher Regierungssprecher und Staatssekretär für CDU-Regierungen in Sachsen und Thüringen. Er hatte zum Abendessen mit dem Gesundheitsminister in sein Privathaus eingeladen, wie Spiegel-Recherchen ergaben – pikanterweise in der sich anbahnenden zweiten Coronawelle und einen Tag, bevor Spahn selbst positiv auf das Virus getestet wurde.
Seit Ende Februar ist überliefert, dass nach dem Treffen Spenden bei Spahns CDU-Kreisverband Borken eingegangen sind. Laut Bild soll Gastgeber Zimmermann – er und Spahn kennen sich seit Jahren – die Teilnehmer aufgefordert haben, jeweils 9.999 Euro für Spahns Bundestagswahlkampf zu spenden. Demnach exakt einen Euro unter der für Parteispenden festgelegten Veröffentlichungsgrenze, also legal, aber doch anrüchig.
Wer waren die Männer, die für den exklusiven Zugang zu Spahn angeblich zahlen sollten? In Leipzig kursiert seit ein paar Tagen eine Liste mit den Namen von elf Personen, die angeblich dabei waren: im Medienbereich tätige Unternehmer, ein in Leipzig nicht ganz unbekannter Medizin-Unternehmer, Rechtsanwälte, ein Computerfachmann, stadtbekannte Bau- und Immobilienunternehmer, alle seit Jahren in der Region aktiv.
Erstellt hat die Liste ein seit Jahrzehnten in der Kommunalpolitik vernetzter Akteur, der sich im Umfeld der Teilnehmer gut auskennt. Einen potenziellen zwölften Teilnehmer-Namen – das Gendersternchen ist in diesem Fall entbehrlich – reicht der Informant später nach: ein Marketing-Fachmann.
Die Liste gibt – weil nicht jeder auf ihr als tatsächlicher Teilnehmer verifiziert werden kann – kein vollständiges Bild. Aber doch einen guten Eindruck von der illustren Gesellschaft, in die sich Spahn im Herbst begab und über die er weiterhin nicht sprechen will.
Auf konkrete Anfragen an die potenziellen Teilnehmer reagiert zunächst der in Leipzig nicht ganz unbekannte Mediziner, gibt sich aber in einer E-Mail wenig auskunftsbereit: „Sehr geehrter Herr Meisner, ich habe von unserer Telefonzentrale von Ihrem Anruf und Interesse an einem Spendendinner erfahren. Bitte wenden Sie sich bei Fragen an meinen Anwalt, Herrn XXX. Hochachtungsvoll.“ Der Anwalt, ein bekannter Medienrechtler, lässt wissen: „Mein Mandant war überhaupt nur circa 45 Minuten auf der Veranstaltung und musste diese dann wegen einem dringenden OP-Termin verlassen. Ein Kontakt zu Jens Spahn hat nicht stattgefunden. Es wurden auch keinerlei Spenden erbracht.“ Insofern, so der Anwalt des Mediziners weiter, „besteht unseres Erachtens überhaupt kein Berichterstattungsanlass. Vielmehr verbietet sich jedwede namentliche Erwähnung unseres Mandanten in einem Artikel.“
An diese offenbar dringende Empfehlung hielt sich auch die Welt am Sonntag, die im März über die Teilnahme eines „prominenten Leipziger Medizinunternehmers“ an der Runde mit Spahn berichtete. Der Mann sei „auch als Geschäftsmann versiert“, hieß es bloß andeutungsweise. Eine seiner Firmen solle bald Systeme für die Automatisierung in Medizin und Chirurgie entwickeln und vertreiben – „wobei ein persönlicher Kontakt mit dem Gesundheitsminister hilfreich sein dürfte“, wie die Zeitung schrieb. Doch das Gesundheitsministerium lässt Fragen dazu unbeantwortet. Und der Medizinunternehmer auch.
Beobachter in Leipzig sprechen inzwischen von einem „Schweigekartell“. Denn neben dem Leipziger Medizinunternehmer und Gastgeber Zimmermann selbst wird überhaupt nur in einem weiteren Fall eine Teilnahme am Spendendinner mit Spahn offiziell bestätigt – ein Rechtsanwalt, der sich auf Unternehmensverkäufe und Firmenfusionen spezialisiert hat. Die Frage nach Spenden an Spahns CDU-Kreisverband beantwortet der Rechtsanwalt nicht.
Zimmermann selbst schreibt nach einer Journalisten-Anfrage an zwei weitere mutmaßliche Teilnehmer, die beiden Herren hätten ihn über die Fragen informiert. „Wir werden uns zu diesen von Ihnen gestellten Fragen und Mutmaßungen nicht äußern.“ Beide Männer sind seit Jahren oder sogar Jahrzehnten im Privatradio-Geschäft in Sachsen tätig gewesen, inzwischen auch Kompagnons von Zimmermann.
Sieben der mutmaßlichen Teilnehmer am Spendendinner reagieren auf Anfragen gar nicht. Warum dementieren sie nicht, wenn sie beim Essen mit Spahn nicht dabei waren? In einem Fall – dem eines weiteren Rechtsanwalts – lässt dessen Kanzlei wissen: „Eine Teilnahme können wir nicht bestätigen.“ Ist das ein hartes Dementi?
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
Oben — Jens Spahn mit Maske in Köln-Blumenberg (2020)
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