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Archiv für März 31st, 2020

Corona und Klima

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Mit zweierlei Maß

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Von Fabian Scheidler

Warum bei Covid-19 der Ausnahmezustand herrscht und Staaten beherzt handeln – aber nicht bei der Klimakatastrophe.

Deutschland und andere Industriestaaten erlegen ihren Bevölkerungen und ihrer Wirtschaft ein Schockprogramm auf, um die Corona-Epidemie einzudämmen. Dabei werden Maßnahmen ergriffen, die ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte sind: Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit und die Freiheit der Person werden suspendiert, ebenso das Grundrecht auf Asyl. Große Teile der Wirtschaft werden lahmgelegt.

Vergleicht man diese Maßnahmen mit der Reaktion auf eine andere, weitaus schwerwiegendere Krise, die Bedrohung des Lebens auf der Erde durch Klimawandel und Artensterben, fällt ein deutlicher Kontrast ins Auge: Während sich die Staaten in der Corona-Epidemie als extrem handlungsstark erweisen und für die Gesundheit ihrer Bürger:innen auch auf kurzfristige Wirtschaftsinteressen keine Rücksicht nehmen, ist in der Klimafrage seit 40 Jahren so gut wie nichts passiert. Forderungen nach wirkungsvollen Klimaschutzmaßnahmen werden regelmäßig mit dem Verweis abgeschmettert, dass man nicht in die Freiheitsrechte von Menschen und Unternehmen eingreifen könne. Kurzstreckenflüge verbieten? Unmöglich! SUVs in Innenstädten untersagen? Undenkbar! Kohleausstieg bis 2025? Gefährdet Arbeitsplätze! Fleischkonsum drosseln? Ökodiktatur! Autokonzerne zum Bau von öffentlichen Verkehrsmitteln umfunktionieren? Kommunismus!

Doch angesichts des Virus ist plötzlich fast alles möglich: Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben öffentlich darüber nachgedacht, große Industriekonzerne vorübergehend zu verstaatlichen, um sie vor dem Kollaps zu bewahren. Billionenschwere Rettungspakete werden international auf den Weg gebracht, um die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren – Geld, das für einen sozial-ökologischen Umbau angeblich nie da war.

Dieser Kontrast ist umso seltsamer, als die Corona-Epidemie selbst nach den düstersten Prognosen um vieles weniger tödlich ist als ein ungebremstes Klimachaos. Gewiss: In der Pandemie müssen wir Menschen schützen, vor allem die Risikogruppen. Aber warum gilt nicht das Gleiche für Klimaopfer? Wenn bei Corona das Vorsorgeprinzip gilt, dann muss es beim Klimaschutz ebenso gelten. Hinzu kommt, dass die wissenschaftliche Basis für eine Einschätzung der Gefährlichkeit von Covid-19 noch sehr dünn ist. Im Falle des Klimas liegen dagegen Jahrzehnte weltweiter Forschung vor, die übereinstimmend zu dem Schluss kommt, dass zu zögerliches Handeln Hunderte von Millionen Menschen gefährdet.

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Wie kommt es zu diesem Kontrast? Warum wird Covid-19 als eine Gefahr identifiziert, die es rechtfertigt, Grundsätze und unsere Grundrechte plötzlich über Bord zu werfen, während beim Klima seit Jahrzehnten nichts geht? Warum sind die Leben gegenwärtiger und künftiger Klimaopfer so viel weniger wert als die von Menschen, die durch Covid-19 gefährdet werden?

Langfristiges Problem, kurzfristig ausgerichtete Politik

Die erste Antwort darauf ist relativ naheliegend: Klimakatastrophen sind ein langfristiges Problem, während unsere politischen Systeme kurzfristig ausgerichtet sind. Wenn ein Drittel von Bangladesch in einigen Jahrzehnten überschwemmt sein wird, wenn große Teile des Mittleren Ostens und Afrikas durch Überhitzung nicht mehr bewohnbar sein werden und wenn auch die deutschen Wälder vollends vertrocknen, dann sind fast alle Politiker, die heute die Weichen stellen (oder eben nicht stellen), längst nicht mehr im Amt.

Quelle          :      TAZ           >>>>>            weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —        Placard „Change the administration, not the climate“, at the People’s Climate March 2017.

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Unten        —       hypnotoad

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Bericht aus der Schweiz

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Waffenembargo mit Schildbürgerstreich unterlaufen

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Quelle        :    INFOsperber CH.

Von Tobias Tscherrig / 31. Mär 2020

Ein Waffenfabrikant rüstete die Geschütze eines in Eritrea stationierten Kriegsschiffes nach. Dem UN-Embargo schwamm es davon.

Der deutsche Rüstungskonzern und Automobilzulieferer Rheinmetall AG, der mit der Rheinmetall Air Defense AG (RAD) auch in der Schweiz eine Tochtergesellschaft unterhält, machte 2019 6,3 Milliarden Euro Umsatz – und sorgte für Negativ-Schlagzeilen der besonderen Art. Der Konzern rüstete die Geschütze eines in Eritrea stationierten Kriegsschiffes der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nach. Recherchen von «correctiv.org» und «Stern» lösten eine Prüfung durch niedersächsische Ermittler aus, weil sich das Land damals unter einem UN-Embargo befand.

Trotzdem kam der Konzern ohne Konsequenzen davon: Die deutschen Techniker fuhren einfach in internationale Gewässer, erledigten dort ihre Arbeit und führten Schiessübungen durch, bevor das Schiff wieder zurück nach Eritrea schwamm. Ein Vorgehen das zeigt, wie schlicht UN-Waffenembargos umgangen werden können.

Waffenembargo gegen Eritrea

Im Jahr 2019 berichteten «correctiv.org» und «Stern» unter Berufung auf interne E-Mail-Nachrichten des Rüstungskonzerns, dass Rheinmetall den VAE-Militärs bereits Anfang 2017 zugesagt hatte, ein Geschütz-Upgrade für ein in Eritrea stationiertes Kriegsschiff zu liefern.

Seit 2009 hatte Rheinmetall insgesamt 30 Marinegeschütze des Typs MLG 27 an die Emirate geliefert, was nicht ohne Nebengeräusche über die Bühne ging. Acht Jahre später sah sich der Waffenkonzern mit Mängelrügen der emiratischen Marine konfrontiert und sagte per E-Mail zu, ein zusätzliches Schiff mit einem Upgrade-Set auszurüsten. Das betreffende Schiff war in Eritrea stationiert, wo die VAE in der Stadt Assab seit 2015 eine Militärbasis unterhalten. Ein Stützpunkt, der für den blutigen Krieg im Jemen genutzt wird.

Allerdings hatte die UN bereits im Jahr 2009 ein Waffenembargo gegen Eritrea verhängt. Die Sanktionen galten bis November 2018, weil das Land Terroristen in den Nachbarländern unterstützt habe. Damit gehörte Eritrea zu den Ländern, für die laut der deutschen Aussenwirtschaftsverordnung selbst die Durchfuhr von Rüstungsgütern verboten war.

Entsprechend stiess auch die Etablierung der VAE-Militärbasis auf internationale Kritik. Im November 2017 warfen die Autoren eines offiziellen Berichts für den UN-Sicherheitsrat den Vereinten Arabischen Emiraten vor, durch die Etablierung der Militärbasis eine Verletzung des Waffenembargos gegen Eritrea begangen zu haben. Zu einem ähnlichen Schluss waren UN-Experten bereits im Jahr 2016 gekommen: Das geltende Embargo erlaube den Ausbau der Militärbasis und die Präsenz ausländischen Kriegsgeräts in Eritrea nicht.

Rheinmetall wiegelte ab

Es ist davon auszugehen, dass Rheinmetall wusste, dass gegen Eritrea ein Waffenembargo ausgesprochen worden war. Immerhin werden solche Embargos klar kommuniziert – und Waffenhersteller- und Händler müssen wissen, wen sie beliefern dürfen und wen nicht. Ausserdem setzte ein Rheinmetall-Manager in einer E-Mail-Nachricht, die den betreffenden Fall behandelt, ein Ausrufezeichen hinter Eritrea. Man schien sich bewusst zu sein, dass die Lieferung problematisch sein könnte.

Flickr - Israel Defense Forces - 401st Brigade Training at Golan Heights, Feb 2010.jpg

Trotzdem wiegelte der Konzern 2019 auf Anfrage von «correctiv.org» und «Stern» ab. Ein Rheinmetall-Sprecher wies «Unterstellungen» in Bezug auf Embargo-Verstösse in aller Deutlichkeit zurück. Man achte «strengstens darauf» alle Bestimmungen einzuhalten. «Wir haben keinen Anlass anzunehmen, dass sich Mitarbeiter im Zusammenhang mit den für die VAE bestimmten Marinegeschützen über Bestimmungen hinweggesetzt hätten».

Schildbürgerstreich und Persilschein

Die Recherchen von «correctiv.org» und «Stern» lösten im November 2019 Vorermittlungen der niedersächsischen Staatsanwaltschaft aus. Im Dezember folgte eine Strafanzeige gegen Manager des Konzerns, welche die «Aktion Aufschrei» eingereicht hatte. Das Zollfahndungsamt Hamburg wurde aktiv und prüfte die Rheinmetall-Unterlagen zum betreffenden Geschäft. Anfang 2020 teilte die Staatsanwaltschaft schliesslich mit, zu welchem Ergebnis sie bei ihrer Untersuchung gekommen war: «Ein konkreter Anfangsverdacht hat sich daraus nicht ergeben.»

Also kommen die Manager des Rüstungskonzerns davon, obwohl sie ein Geschütz–Upgrade in ein Embargoland geliefert hatten. Die Gründe sind abenteuerlich und dürfen als Schildbürgerstreich bezeichnet werden. So konnten die Rheinmetall-Manager gemäss «Stern» auf «allerlei Manöver» verweisen, mit denen sie einen Verstoss gegen die Embargobestimmungen vermieden hätten. Wie die Ermittler bestätigt hätten, habe sich zwar eines der von der Nachrüstung betroffenen Kriegsschiffe in der Tat «auf einem Militärstützpunkt (Assab) der VAE in Eritrea (Embargoland)» befunden. Und für die Durchführung des Upgrades seien Rheinmetall-Mitarbeiter sehr wohl «von der VAE-Luftwaffe unmittelbar auf die Militärbasis Assab geflogen worden und dort an Bord gegangen».

Das Schiff sei dann aber «aus dem Hoheitsgebiet Eritreas in internationale Gewässer gefahren». Erst nachdem sich das Schiff ausserhalb des Landes befunden habe, seien die Upgrades und die dazugehörigen Schiessübungen durchgeführt worden. Ausserdem wirke sich zu Gunsten der Rheinmetall-Leute aus, dass sie selbst kein Waffenmaterial mitgebracht hätten. Der Konzern habe die Ersatzteile bereits vorher mit Genehmigung des deutschen Ausfuhramtes (BAFA) an die Emirate geliefert. Das Schiff habe sie dann in seinem Magazin nach Eritrea gebracht.

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Zwar sei es «denklogisch nicht ausgeschlossen, dass die Papierlage nicht die tatsächlichen Umstände wiedergibt», schrieb der zuständige Oberstaatsanwalt an die klagende Partei. «Konkrete Anhaltspunkte für eine solche Divergenz» gebe es aber nicht. Ein Persilschein für Rheinmetall.

Europäische Waffen im blutigen Bürgerkrieg

Der Persilschein für Rheinmetall löste in Deutschland Verblüffung aus. Immerhin gibt es offizielle UN-Berichte, die der Vereinigten Arabischen Emirate vorwerfen, mit der Militärbasis in Assab das Waffenembargo gegen Eritrea zu verletzen. Und die Sanktionen gegen Eritrea standen auch klar in der entsprechenden EU-Verordnung. Demnach waren bis Ende 2018 nicht nur Waffenlieferungen untersagt, auch «technische Hilfe im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten und der Bereitstellung, Herstellung, Instandhaltung und Verwendung von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial» waren verboten.

«Und dann soll es reichen, wenn man die dort illegal stationierten Kanonen einfach drei Seemeilen vor der Küste nachrüstet? War das damit gemeint, als Rheinmetall im November davon sprach, dass man ’strengstens darauf‘ geachtet habe, das Embargo einzuhalten?», fragt der «Stern» lapidar.

Zwar wurde das Waffenembargo gegen Eritrea in der Zwischenzeit aufgehoben. Allerdings nutzt das VAE-Militär den Militärstützpunkt in Assab auch weiterhin als Basis für Einsätze im nur 60 Kilometer entfernten Jemen. Nach wie vor sollen die Vereinigten Arabischen Emirate von Eritrea aus Söldnertruppen im Jemen unterstützen, darunter mindestens 10’000 Kämpfer aus dem Sudan. Zusätzlich unterhalten die Emirate in Assab eines der berüchtigten Geheimgefängnisse, in denen Menschen aus dem Jemen ohne faire Verfahren gefangen gehalten werden. In einem UN-Expertenbericht ist von «Willkürlicher Inhaftierung und Folter einschliesslich sexueller Gewalt» die Rede.

Seit 2019 mehren sich die Hinweise auf deutsches Kriegsmaterial, das im Jemen-Krieg genutzt wird. Und inzwischen ist dank geleakten Dokumenten aus der emiratischen Botschaft im sudanesischen Khartum auch klar, dass die Vereinigten Arabischen Emirate den Stützpunkt in Assab auch für Nachschuboperationen Richtung Libyen nutzen. Das Fazit des «Stern»: «Zumindest bis Oktober stand die Militärbasis, auf der das geschieht, unter dem Schutz von in Deutschland gebauten Schiffen – und Techniker von Rheinmetall waren hier auf der Durchreise.»

Die grossen Medien aus der Schweiz berichteten bisher nicht über den Schildbürgerstreich der Rheinmetall AG.

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Grafikquellen       :

Oben       —       The 401 armored Brigade operates near the Gaza border, 27/7/2014 For more updates: The Israel Defense Forces Facebook The Israel Defense Forces blog Follow us on Twitter

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2. von Oben        —            February 10, 2010. An armored battalion of the 401st Brigade takes part in a military exercise at the Golan Heights, as part of their winter training period. This Israeli-made tank, the Merkava Mark IV, is the most advanced tank used today in the IDF. It is quick and powerful, and is operated by the very best of the IDF. Featured as „Photo of the Day“ on December 12, 2011. Photo by Michael Shvadron, IDF Spokesperon’s Film Unit. The Israel Defense Forces Facebook page The Israel Defense Forces blog Follow us on Twitter

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Unten      —         AEV 3 Kodiak.

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Coronakrise macht frei

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Endlich frei!

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Eine Kolumne von Thomas Fischer

Covid-19 ist schlimm. Manche meinen, es gibt Schlimmeres, und möchten sich dem Coronavirus mit dem Wirtschaftswunder entgegenstemmen. Ein interessantes Experiment!

Kraft des Willens

Es gibt Menschen, die den Winden gebieten, den Fluten des Roten Meers und den Viren. Falls man nicht gerade Charlton Heston ist oder ein stabiles Genie mit gelben Haaren, sind das aber eher ungewöhnliche Fähigkeiten. Daher scheint es mir wunderlich, wie viele Menschen, auch hierzulande, seit einer Woche die Nachricht verbreiten, nun sei es aber mal genug mit dieser Epidemie und dem Homeoffice. Überhaupt sei der Deutsche wie der Amerikaner nicht gemacht für solch einen Virus; und es müsse daher jetzt einfach Schluss sein.

Auf dieser Grundstimmung schwimmen täglich ein paar Dutzend Experten für Getränkefachhandel, Atemfiltermasken, Existenzphilosophie und Alltagsheldentum auf und teilen uns mit, man müsse bedenken, dass alles auf der Welt im richtigen – um nicht zu sagen: gesunden – Verhältnis stehen müsse und daher nun die Zeit gekommen sei, über das Verhältnis zwischen toten Rentnern und lebendigen Einzelhändlern nachzudenken. Dieses „Nachdenken“ ist eine euphemistische Umschreibung der ultimativen Forderung, entweder dieses Virus erkläre sofort die bedingungslose Kapitulation oder „die Wirtschaft“ werde ihm zeigen, was eine Harke und ein Wunder ist.

Interessant ist es, welch ambivalente Rolle eine Population von sogenannten Experten in diesem Stück spielt, deren Existenz noch vor wenigen Monaten wahrscheinlich von einer Mehrheit der Bevölkerung mit Nichtwissen bestritten worden wäre: Virologen. Sie werden auch – auf Einzelheiten kommt es da nicht an – unter der Firma „Epidemiologe“, „Seuchenforscher“, „Infektionsexperte“ und so weiter vorgestellt. Meistens laufen sie als „Mediziner“, vereinen also die Kenntnis der Virenkunde mit der Kunst des Heilens. Das lässt sie aus der Schar der „Experten“ herausragen, welcher sich das Publikum gemeinhin ergibt: Der Terror wird vom Terrorismusexperten, die Rente vom Rentenexperten und das Tomahawk-Steak vom Grillexperten erklärt.

Das Verhältnis des Bürgers zum Experten ist „ambivalent“: mal so, mal so, mal weiß man es nicht. Zugleich sind die freien Bürger selbst Experten für alles, schon allein weil sie alle Dokus über die Wanderung der Pinguine in der Polarnacht und über die Kochkunst der Uiguren kennen und Freunde auf der ganzen Welt haben. Der „Experte“, dessen Bezeichnung nur in der Dritt-Kommunikation Bedeutung hat, befindet sich in einer prekären Lage: Widerspricht sein Rat dem intuitiv Plausiblen, wird er als „selbst ernannt“ verhöhnt oder als „Lobbyvertreter“ denunziert. Derzeit breitet sich zudem eine erstaunlich demokratie- und diskursfreudige Stimmung unter denen aus, die noch vor einem Monat die führenden Politiker als Schwätzer ansahen und nach einer Herrschaft des Sachverstands verlangten. Nun können wir täglich lesen, man solle sich hüten vor einer Diktatur der Wissenschaft und der Macht der Experten.

Wille zur Kraft

Ich finde es beeindruckend zu sehen, wer sich hierzulande alles für „die Wirtschaft“ und für „Wir“ hält. Die Zahl der „Wir“-Menschen ist jedenfalls unendlich viel größer als die Zahl der Ichs, sodass namentlich im dienstleistenden Mittelstand, in der Welt der Freiberufler sowie im produzierenden Gewerbe Regungen wie Egoismus, Konkurrenzneid, Habenwollen und Rücksichtslosigkeit praktisch zum Erliegen gekommen sind angesichts der allgemeinen Not des Wir. Synchron dazu steigt das Mitgefühl von „Wir“ mit den Abermillionen von ausgehungerten Kunden, Einsamen, Patienten, Schlechtgelaunten, denen derzeit nicht geholfen werden kann.

 

I, the copyright holder of this work, release this work into the public domain. This applies worldwide.

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Unten     —      Thomas Fischer auf der re:publica 2016

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Das Witzfiguren-Kabinett

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Schland – Regiert vom Witzfiguren-Kabinett

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Quelle     _    Scharf  —  Links

Von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam

… und von der Tagesschau desillusioniert: mit quantitativ, nicht qualitativ gesteigerter Berichterstattung über die Albtraumtänzer

Man meint förmlich den Angstschweiß zu riechen, den die politisch Verantwortlichen und ihre journalistischen Blechtrompeter ausdünsten: Es graut sie anscheinend nicht wirklich vor der Corona-Pandemie, sondern vor einem Wähler, dem dämmert, welch hochgradige Gefahr sie selbst in dieser Krise darstellen. Nichtskönner, „führend in den Disziplinen Inkompetenz, Aussitzen und Beschwichtigen“.(1) Dieser Elite dürfte das ZDF-„Politbarometer“ am 27. März gerade recht gekommen sein: 89 Prozent der Befragten meinen demnach, „Die Bundesregierung macht ihre Arbeit in der Corona-Krise gut.“(2) Das ist der Wirkungsnachweis regierungsfrommer Informationspolitik von ARD-Tagesschau und ZDF-heute, den am häufigsten genutzten Nachrichtenquellen der Republik.

Gleich eingangs zwei krasse Fälle von politischem Missmanagement und redaktioneller Selbstzensur:

1. Krankenhäuser und Ärzteorganisationen beklagen seit Anfang Februar den Mangel an medizinischer Schutzkleidung und appellieren an die Bundesregierung, mit allen verfügbaren Mitteln Abhilfe zu schaffen.(3) Chinas Präsident Xi Jinping lässt Bundeskanzlerin Merkel wissen, die Volksrepublik sei „bei Bedarf bereit, im Rahmen unserer Fähigkeiten Hilfe zu leisten,“ – und Deutschland nimmt als einziges Land in Europa dieses Hilfeangebot nicht an.(4)

2. Das chinesische Gesundheitsministerium teilt schon am 22. Januar auf einer Pressekonferenz mit: „Der Mundschutz hilft, sich selbst und andere zu schützen.“ Gleich danach macht Beijing das Tragen der Atemschutzmasken zur Pflicht. Es erweist sich als äußerst erfolgreich gegen die Weiterverbreitung des Corona-Virus. Das Ende der Epidemie in Hongkong unterstreicht das vor aller Welt. In Deutschland jedoch sind die Masken und generell Schutzanzüge bereits Anfang Februar Mangelware. Folgerichtig denkt kein politisch Verantwortlicher daran, eine allgemeine Tragepflicht zu verfügen. Wochen später sieht sich schließlich der Präsident der Bundesärztekammer veranlasst, zur Eigeninitiative aufzurufen.(5)

Grausige Realsatire

Im ZDF ist das ein Thema für Oliver Welkes Comedy: „Ein Einwegprodukt! Unsere Krankenhäuser kämpfen verzweifelt …und zahlen dabei Wucherpreise. Da werden bis zu 30 Euro für Masken verlangt, die vor der Krise 69 Cent gekostet haben.“(6) Er untertreibt. Die Verbraucherzentrale Hamburg berichtet von Betrugsversuchen und Wucherpreisen sogar bis 999.99 Euro. Auch mit Desinfektionsmitteln blühe ein schwunghafter Schwarzhandel.(7)

Die Berliner Witzfiguren gucken diesem Treiben tatenlos zu. Von Dazwischentreten der Behörden keine Rede. Wucherpreise unter Strafe stellen, das Gesundheitswesen gegen den kriminell „freien Markt“ unterstützen und besonders den ärmeren Teil der Bevölkerung vor dem Profitmachern und Beutejägern schützen? Kein Gedanke daran.

Die Hamsterkäufe hören nicht auf. Die zuständige Ministerin, Julia Klöckner, appelliert nur, statt zu handeln:

„Aber bei den Grundnahrungsmitteln sind wir sehr gut aufgestellt (sic!). …Wir werden nicht verhungern. Da sollten wir jetzt die Kirche im Dorf lassen. „In der jetzigen Lage hat die Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung eine hohe Bedeutung.“(8, 9)

Ach bitte, nehmen Sie doch Platz, Frau Ministerin! Zur unmissverständlichen Aussage, dass Hamstern asozial ist, ein maßloser Egoismus, der die Versorgung der Mitmenschen beeinträchtigt, können Sie sich nicht entschließen, Sie machen lieber auf sympathisch und lächeln? Nun denn. Also kein Nachdenken darüber, welche Rechtsmittel gegen den Ellenbogeneinsatz im Supermarkt und seine preistreibenden Folgen dienlich wären.

Stattdessen Klöckners Gschwätzle:

„Verbraucher sollten nur das kaufen, was sie wirklich brauchen. In Deutschland werden genug Grundnahrungsmittel erzeugt und verarbeitet.“ (ebd.)

Das wird die Ärmsten der Armen in unserem Land aber freuen! Die Hartzer, Rentner, Obdachlosen, ein Millionenheer von Bedürftigen, bekommen seit Anfang März nichts mehr von der Tafel, dieser unseren Reichen-Staat so beschämenden Einrichtung. Sie ist ja infolge des Versammlungsverbots bundesweit geschlossen. Sogar die übrig gebliebenen Nahrungsreste der Wegwerfgesellschaft werden diesen Mitmenschen vorenthalten. Die Bundesregierung hat diese Ärmsten bei Beschluss und großartiger Verkündung ihres 156-Milliarden-Euro-Nachtragshaushalts ignoriert. Gäbe es nicht inzwischen ungezählte kleine, individuelle Initiativen, was wäre wohl das Los der Verelendeten? Wie lange reicht es noch zum Überleben?

Arbeitsdienst zu Felde

Julia Klöckner, Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft, denkt an ihre Bauern – großes Wählerreservoir, starke Lobby von Agrarindustriellen und Krautbaronen – und plädiert für Neuzufuhren zum Ausbeutermarkt für Feldarbeiter. Weil infolge der Grenzschließungen keine Billigkräfte aus dem (süd-)östlichen Nachbarländern mehr kommen dürfen, sollen Kurzarbeiter, Arbeitslose und Asylsuchende als Erntehelfer ran:

„In der Landwirtschaft zu arbeiten, ist eine Ehre und keine Degradierung.“(10) 

Es hilft nichts, das muss jetzt hier raus: Diese Frau ist der vitale Bruch des Blondinenwitz-Tabus.

Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, DGB, platzt angesichts der Verlogenheit dieser ständig angetütert wirkenden Ex-Weinkönigin im Regierungsamt der Kragen:

„In der Landwirtschaft rächt sich jetzt, dass das gesamte System seit Jahrzehnten auf Billiglohn, Sozialdumping, unzumutbaren Bedingungen und Ausbeutung osteuropäischer Arbeitskräfte ausgelegt ist.“(11)

Die Landwirtschaft müsse für die schwere Arbeit anständige, angemessene Lohn-, Arbeits- und Unterkunftsbedingungen bieten, dann ließen sich auch ausreichend Arbeitskräfte gewinnen.(ebd.)  

Es gibt Gründe zuhauf, dass uns das Lachen im Halse stecken bleibt. Wie so oft zeigt sich aber das Politsatire informativer als es die Fernseh-Nachrichten sind. „Lesen gefährdet die Dummheit“: Wer in unseren Krisenzeiten nicht auch dieses Risiko noch eingehen und deshalb hier nicht weiterlesen möchte, dem empfehlen wir neben der schon zitierten ZDF-heuteshow (Anm. 6) besonders die ZDF-Sendung „Die Anstalt“ vom 23. März.(12) Da ist akzeptabler Ersatz fürs eigene Nachdenken zu bekommen.

Gackernder Hühnerhaufen

Über die Rohre der ARD-aktuell wird hingegen nur die Struktur- und Perspektivlosigkeit der führenden Politakteure per O-Ton durchgereicht. Von kritischer, beharrlicher, notfalls bohrender Nachfrage, einem Wesensmerkmal des Journalistenhandwerks, keine Spur. Die Redaktion fasste nicht einmal nach, als die Widersprüche auf der politischen Bühne im Fortissimo erklangen: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Verwalter des Bundeslandes mit den bisher meisten Corona-Infizierten und -Toten, hatte am 26. März deklariert, das Ende der  gegenwärtige Grundrechtseinschränkung müsse beraten werden:

„Wir können nicht ein halbes oder dreiviertel Jahr mit einer solchen Art Notstandsgesetzgebung leben“.(13)

Bundeskanzlerin Merkel hatte zeitgleich dekretiert:

„Ich will sehr klar sagen, dass im Augenblick nicht der Zeitpunkt ist, über die Lockerung dieser Maßnahmen zu sprechen“.(14)

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Was den Laschet-Kompagnon und Gesundheitsminister Jens Spahn jedoch nicht an dem Kommentar hinderte, man könne sehr wohl über eine Lockerung der Einschränkungen reden,

„wenn wir bis Ostern alle konsequent sind“,(15) 

Die einen „hüh!“, die anderen „hott!“. Ein passender Spruch an dieser Stelle, wir waren ja eben noch bei Angelegenheiten der Landwirtschaft. Gegacker wie auf dem Hühnerhof statt parlamentarisch kontrollierter, entschiedener Regierungspolitik. Bar jeglicher journalistischen Eigenständigkeit und kritischer Aufbereitung von der Tagesschau zusammengestellt und ins Publikum geblasen.(16) Ergebnis dieser Kakophonie ist, dass selbst an sich irrationale Ängste in der Bevölkerung zunehmen und verständlich werden.

Fast sechs Wochen verplemperte das politische Funktionspersonal in der Bundeshauptstadt und in den Bundesländern, obwohl in Bayern schon am 28. Januar die ersten Infektionsfälle bekannt geworden waren. Denn

„man war entweder zu ignorant, Fachtexte zu lesen, oder zu arrogant, von den asiatischen Ländern zu lernen. …  Die Medien assistieren dabei wie gewohnt, allen voran Claus Kleber mit seinem China-Bashing. Die Marschrichtung lautet offenbar, das Staatsversagen zu kaschieren, noch bevor die ganze Bandbreite der Folgen sichtbar wird“(Anm.1)

meint dazu der Physiker und Jurist Alexander Unzicker. Noch immer seien die Maßnahmen nicht auf das Wesentliche fokussiert.

Gewissenlose mit Volksmandat

Für seine Sichtweise spricht eine Menge. Zumindest die Bundesregierung wusste genau – oder hätte sich andernfalls entsprechend unterrichten lassen müssen – welche Gefahren mit einer Virenpandemie auf die Bevölkerung zukommen. Eine aussagestarke Studie dazu hatten die Verantwortlichen selbst erarbeiten lassen und dem Parlament bereits vor sieben Jahren zugeleitet: Die Risiko-Analyse des Robert Koch-Instituts „Pandemie durch Virus Modi-SARS“.(17)

Das Szenario der Analyse: Eine von Asien ausgehende, weltweite Verbreitung eines hypothetischen neuen Virus mit dem Arbeitsnamen „Modi-SARS-Virus“. Die Analyse aus dem Jahr 2013 wirkt geradezu wie die Blaupause für die Corona-Pandemie 2020: Hohe Ansteckungsgefahr, rasante Verbreitung des Virus, bestürzend hohe  Todesrate, Todesursache Lungenkollaps, alte Menschen und Vorerkrankte bilden eine besonders gefährdete Risikogruppe. Vorschläge der Analyse: Bereithaltung von Betten für möglicherweise bis zu 4 Millionen Kranken, davon 2.1 Millionen mit Intensivpflege-Bedarf. Bevorratung und Versorgung mit ausreichender Schutzkleidung, Schutzmasken, medizinisch-technischem Gerät.

Nichts dergleichen wurde realisiert, eine Manifestation der Gedanken- und Gewissenlosigkeit. Das ZDF-Magazin Frontal21 berichtete darüber und verwies auf die Versäumnisse der politisch Verantwortlichen.(18) Nichts von diesen finsteren Informationen gelangte jedoch ins Licht der ARD-Tagesschau.

Zu bedauern ist, dass so viele vermeintliche und tatsächliche „Experten“ gegensätzliche Informationen und Einschätzungen verbreiten, ein wahrer Jahrmarkt der Eitelkeiten und der Selbstdarstellungssucht. Epidemiologisch inkompetente Schreiber zuhauf meinten beispielsweise unter Hinweis auf ungleich höhere  Opferzahlen einer Grippe-Pandemie, die Gefahr der Corona-Infektion relativieren zu dürfen und eine sofortige Aufhebung der Grundrechtsrestriktionen verlangen zu müssen; ihr Vorwurf: Unverhältnismäßig! An Covid-19 stürben ohnehin nur wenige Vorerkrankte und Alte. (19) Selbst dem „Faktenfinder“ der ARD wurde das Treiben zu bunt. Auf tagesschau.de wies er den Medizynikern aller Schattierungen nach,  dass nicht alles, was hinkt, schon ein Vergleich ist.(20)

Was die Statistik sagt

Das Durcheinander kontroverser Meinungsäußerungen trägt nicht die Bohne mehr zur Klärung bei und erst recht nicht zur Vertrauensbildung in der Bevölkerung. Konkret und halbwegs verlässlich scheinen ihr allenfalls die regelmäßig aktualisierten statistischen Daten. Der Vergleich zwischen den rasant weiter steigenden Zahlen von positiv Getesteten und am Virus Gestorbenen in der „Westlichen Wertegemeinschaft“ mit jenen in den asiatischen „Erfolgsländern“ VR China und Südkorea ist allerdings erschütternd:

In den USA, Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland insgesamt:

350 000 Infizierte, Tendenz steil ansteigend

In der Volksrepublik China und Südkorea insgesamt:

90 000 Infizierte, (vorerst) keine Zunahme mehr

Der Westen hat fünfmal mehr Infizierte als der Ferne Osten. Noch schlimmer der Vergleich der Sterbetafeln:

In den USA, Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland insgesamt:

20 000 Tote, Tendenz rasch steigend.

In der Volksrepublik China und Südkorea insgesamt:

3 500 Tote, (vorerst) keine neuen Virus-Todesfälle mehr.

Sechsmal mehr Tote im Westen als im Fernen Osten. Für den Westen ähnlich ungünstig sieht der Statistik-Vergleich über die Genesenen aus. (21, 22) (Alle Daten vom 28. März 2020).

Die dem Vergleich zu entnehmende Quintessenz: Die rigorose Eindämmung der Pandemie nach dem Vorbild der VR China und Südkoreas sowie deren asiatischer Nachbarn (absolute Quarantäne, Atemschutzpflicht, massive Bereitstellung von Infektionsmitteln mit entsprechendem Einsatz in allen Verkehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden, freiwillige elektronische Ortung von Infektionsträgern per Handy-GPS u.a.) ist rational geboten, die laschen Verzögerungsmaßnahmen bei uns im Westen sind es hingegen nicht. In Alexander Unzickers Worten: Die Strategie „Stoppen“ sei angebracht, nicht die Strategie „Verlangsamen“. Sein Kommentar:

„Die westlichen Regierungen gleichen einer Feuerwehr, die erwägt, ob sie lieber löschen soll und die verbleibenden Funken austreten oder den Brand doch „kontrolliert“ weiterqualmen lässt, bis er in der Ruine von selbst ausgeht.“ (Anm. 1)

Seiner Logik stehen der Dilettantismus von Regierung und Parlament entgegen – und die nicht ganz grundlose Sorge vieler Bürger, die derzeitige Einschränkung ihrer Grundrechte könne auch noch einer anderen Agenda folgen als nur dem Kampf gegen die Pandemie.(23)

Ignorante Staatsschauspieler

Was sich auf der Reichstagsbühne und hinter deren Kulissen abspielt, trägt zunehmend zur allgemeinen Beunruhigung und Empörung bei. Regierungsstil: Harmonie vortäuschen, ablenken, sich resistent gegen die Interessen großer Teile der Bevölkerung zeigen, den wirtschaftlichen Eliten bedingungslos dienen, von Solidarität reden und die Schwachen im Stich lassen. Ein paar bezeichnende Beispiele:

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lobt zu Beginn der Plenarsitzung am 25. März die aufopferungsvolle Arbeit vieler Menschen, die bei uns das Rad am Laufen halten. Die versammelten Volksvertreter klatschen stehend Beifall, neudeutsch standing ovations.(24) Kaum wieder im Sessel, lehnen die gleichen Pappnasen einen Antrag ab, den Beschäftigten in besonders belasteten Arbeitsbereichen einen Sonderzuschlag zu gewähren und die Krankenhäuser vom der ruinösen Profitorientierung abzukoppeln, zu der sie in unserem Wirtschaftssystem gezwungen sind.

Den Geboten einer humanitär orientierten Politik der allgemeinen Daseinsvorsorge sehen sich diese Volksvertreter nur dem Schein nach verbunden. Auf die Idee, beispielsweise einen gesetzlichen Mindestlohn für fertig ausgebildete Krankenschwestern und -pfleger von 4000 Euro zu beschließen, Vergleichbares für alle „systemrelevanten Lohnabhängigen“, kommen sie nicht. Den Reichen per Gesetz etwas nehmen, um damit das Elend der „Prekären“ und Armen generell zu beenden? Nicht denkbar mit dieser Reichstagsbesatzung.

Kostprobe der „Großzügigkeit“ des Finanzministers, entnommen dem Silberteller „Niemand muss Zukunftsangst haben, es ist für alle gesorgt und genug Geld da“:

Die von Kündigung bedrohten Arbeitnehmer müssen mit erheblichen Einkommenseinbußen leben und rutschen nach sechs Wochen mit Kurzarbeitergeld unweigerlich in die Arbeitslosigkeit. Die großspurig propagierten Kinderzuschläge machen nur 200 Millionen Euro aus und begünstigen lediglich solche Eltern, die bereits jetzt am untersten Rand der Einkommenstabelle liegen: bei monatlichem Einkommen von 900 Euro. (25)

Auf die Hartz IV-Bezieher kommen absehbar ebenfalls noch härtere Zeiten zu, und nicht nur, weil regierungsseitig nichts gegen Preistreiberei und Wucher der Grundversorgungsmittel-Anbieter unternommen wird. Der Antrag, höhere Aufwendungen für diesen Personenkreis vorzusehen, fand jedoch ebenfalls keine Mehrheit im Bundestag. Der Kreis der auf „Stütze“ Angewiesenen wird sich zwangsläufig erheblich erweitern. Es kommen nicht nur zahlreiche und bisweilen  unvorhergesehene Arbeitsplatzverlierer hinzu, sondern auch viele Selbständige, deren kleine Unternehmen kraft der Regierungsbeschlüsse ruiniert wurden. Gerechnet wird aber nur mit zusätzlichen Hartz-IV-Beziehern in einer

„maximalen Größenordnung von 1,2 Millionen zugehenden Bedarfsgemeinschaften“(26)

Die maximalen Mehrausgaben für sechs Monate werden außerdem nur mit 9,6 Milliarden Euro veranschlagt. Mit anderen Worten: Nicht einmal zwei Prozent des staatlichen Krisenhilfepakets von insgesamt 560 Milliarden Euro sind für die mindestens 1,2 Millionen neuen Hartz IV-Abhängigen vorgesehen.

Die Reichen sahnen wieder ab

Hauptnutznießer der staatlichen Hilfe sind – wie immer im kapitalistischen Profitmachersystem – fast ausschließlich Unternehmer und die Vermögenden dieser Gesellschaft. Firmen wie die Handelskette C&A und der Sportartikelhersteller Adidas kassieren jetzt ihre Anteile am Kurzarbeitergelt, ungeachtet ihrer jahrelangen prächtigen Einnahmeüberschüsse, zahlen aber gleichzeitig für ihre Läden keine Mieten mehr, weil die vorerst geschlossen sind.(27) „Die Messer sind gewetzt“, betitelt Stephan Erdmann seinen ebenso kurzen wie knackigen Kommentar dazu. (28) Die Unternehmen können, was der Kleine Mann nicht kann: Existenzrisiken minimieren an allen Ecken und Kanten und weit jenseits der Grenzen hanseatischer Kaufmannsehre.

Die Begüterten nutzen weidlich aus, dass die Bundesregierung ihre Corona-Gesetze mit heißer Nadel gestrickt und die Abgeordneten das ganze Abenteuer einfach und einstimmig durchgewinkt haben. Das Ganze ein schmählicher Akt der parlamentarischen Selbstkastration im Eilverfahren. Diagnose: leere Birnen, volle Hose.

Die Aussichten, die gigantischen Staatsausgaben jemals von der Wirtschaft zurückzubekommen, gehen gen Null. War der Einsatz erfolglos, tragen die Steuerzahler insgesamt das Risiko. War er hilfreich, küren sich Politik und Wirtschaft zu Helden – und von Helden verlangt man nun mal kein Geld zurück.

Die Medien? Spenden Beifall in blinder Gefolgschaftstreue, die Tagesschau vorneweg.(29)

Gesammelte Null-Informationen

Hier eine kleine Zusammenstellung von weiteren brisanten und deshalb vom Bildschirm verbannten Informationen:

Ausgerechnet der vormalige Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, ein bekannt erzkonservativer Wirtschaftsfachmann, lehnte die Hilfezahlungen an Unternehmen nachdrücklich ab. Er plädierte aber dafür, Italien als Soforthilfe 20 Milliarden Euro zu schenken. (30) Dem folgte die Regierung nicht – kluge Großzügigkeit gegenüber den europäischen Nachbarn ist einfach nicht Berliner Regierungsstil.

Kanzlerin Merkels prägendes Defizit: Unfähigkeit zu europaweiter Solidarität, kleinkarierte Engstirnigkeit, wo strategischer Weitblick nötig wäre. Ihre Weigerung, den Italienern, Spaniern und Franzosen mehr finanziellen Spielraum zur Krisenbewältigung zu gewähren, kann sich als weiterer Sargnagel für die EU erweisen. (31, 32)

Wie Hilfsbereitschaft aussieht, bewies hingegen die Regierung der Volksrepublik China. Sie schickte 100 000 Kisten vom Corona-Virenhemmer Lianhua Qingwen.(33) Dieses Produkt der chinesischen Medizin wurde von dem 84jährigen Mediziner Zhong Nanshan entwickelt, dem bekanntesten Arzt im Anti-Corona-Kampf in China. Er belegte, dass sein Team bei 400 Patienten dieses Medikament angewandt hat, mit einer Erfolgsquote bei 91Prozent. Seitdem ist das Mittel in China ständig vergriffen.

Mit dem bösen Blick darauf, dass Italien und viele andere Länder systematische Unterstützung aus der VR China erhalten, während EU und Bundesregierung Hilfeleistungen verweigerten, haben sich die Hartleibigen in Berlin und Brüssel politisch in Stellung gebracht, berichtet das Magazin German Foreign Policy.(34) Laut Verteidigungsministerium stünden „kontroverse Debatten zum Umgang mit China“ bevor. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell diagnostiziert eine „globale Schlacht der Narrative“: Beijing führe einen „Kampf um Einfluss“ mit einer „Politik der Großzügigkeit“; dem müsse die Union nun entgegentreten. Experten prognostizierten für die Zeit nach dem Ende der Pandemie eine „veränderte Weltordnung“ mit den Ländern Ostasiens als „neue globale Gesundheitsmächte“.

Kurzformel für praktizierte Hilfsbereitschaft: Die Chinesen haben medizinisches Fachpersonal und komplette Krankenhaus-Ausrüstung nach Italien gebracht. Einsatzorte: Rom und Städte weiter nördlich. In Cremona bauten sie ein Zeltkrankenhaus vor dem Spital auf. In Mailand richteten sie ein Lazarett in den Messehallen ein, ebenso in Bergamo. In Crema (Lombardei) sind die Kubaner mit Ärzten und Ausrüstung aktiv, in Brescia die Russen — die kamen mit dem weltweit größten Frachtflugzeug und Armeelastwagen voller Ausrüstung.

Derweil zeigt der Westen seine Amoral und Schäbigkeit. Der Senatspräsident von Texas forderte ältere Amerikaner zum Opfertod für die Wirtschaft und den „American Way of Life“ auf.(35)

Auf der anderen Seite der Welt meldet der chinesische Bezirk Wuhan von der Corona-Front:

„Keine neuen Erkrankungsfälle mehr“

und schickt ein bewegendes Video von der Verabschiedung und Abreise der Ärzte und Krankenpfleger, die zur Hilfe in die Infektionszone gekommen waren.(36)

Gevatter Tod die Türe öffnen

Von solchen Szenen und Gegebenheiten sind wir in Deutschland leider Lichtjahre entfernt. Hier fährt die Politik „auf Sicht“ und ohne Perspektive, was der Epidemiologe Alexander Kerkulé für ein „Riesenproblem“ hält.(37) Der frühere Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart zieht aus der innerdeutschen Lage lesenswerte Schlüsse und das Fazit:

„Der Staat muss die Ruhe vor dem Sturm nutzen, das deutsche Haus sturmfest zu machen. Die Regierung hat das Mandat Leben zu retten. Ein Mandat, Gevatter Tod die Tür zu öffnen, hat sie nicht.“(38)

Die Corona-Krise macht das deutsche Staatsversagen schlaglichtartig deutlich. Kommentar in der Neuen Züricher Zeitung:

„Zu den Kernaufgaben der Regierung gehören die Gesundheitsvorsorge und funktionierende Krisenprogramme – beispielsweise für den Fall einer Pandemie. …aber heute wundert sich jeder, warum nicht einmal ausreichend Atemschutzmasken vorhanden sind.“ (39)

Hierzulande ziehen intellektuelle Kreise es allerdings vor, das Fortschreiten der Pandemie kleinzureden und vor dem Bundeswehreinsatz im Inneren zu warnen. Derweil man in Spanien Soldaten dafür benötigt, die Covid-19-Toten wegzukarren, weil die Bestattungsunternehmen nicht mehr nachkommen. (40)

Es scheint allerdings so, als bekämen die Leute allmählich mit, wie wenig die demoskopisch ermittelte Zufriedenheit „mit der Arbeit der Bundesregierung“ begründet ist. Vielleicht ist wenigstens die Hoffnung auf einen entsprechenden Erleuchtungsprozess nicht ganz abwegig. Um Glen Ford zu zitieren, den Leitenden Redakteur des linken Internet-Portals (Magazin und Radio) Black Agenda Report:

„Die Leute kriegen mit, dass die Oligarchen – ihre Herrscher – die eigentlichen Überträger von Massenunsicherheit, Krankheit und Tod sind.“(41)

 Quellen und Anmerkungen:

(1)          Alexander Unzicker, „Der kopflose Westen“, in: https://www.heise.de/tp/features/Coronavirus-Der-kopflose-Westen-4692647.html

(2)          „Politbarometer“, https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/heute-journal-vom-27-03-2020-100.html

(3)          https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Mangel-an-Schutzausruestung-sorgt-fuer-Kritik,coronavirus878.html

(4)          https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8224/

(5)          https://www.kma-online.de/aktuelles/politik/detail/praesident-der-bundesaerztekammer-fordert-deutschland-zur-kreativitaet-auf-a-42909

(6)          https://www.zdf.de/comedy/heute-show/heute-show-vom-27-maerz-2020-100.html (Min. 16’50“ – 17’10“)

(7)          https://www.vzhh.de/themen/einkauf-reise-freizeit/wucher-desinfektionsmitteln-schutzmasken-klopapier

(8)          https://www.merkur.de/wirtschaft/lebensmittelengpaesse-corona-deutschland-supermaerkte-aldi-rewe-lidl-hamsterkaeufe-kloeckner-spahn-zr-13615501.html

(9)          https://www.tagesschau.de/inland/kloeckner-hamsterkaeufe-101.html

(10)       https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kloeckner-dreyer-zursache-100.html

(11)       https://www.rbb24.de/wirtschaft/thema/2020/coronavirus/beitraege/kloeckner-arbeitslose-fluechtlinge-erntehelfer-corona-virus-baue.html

(12)       https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-vom-24-maerz-2020-100.html

(13)       https://www.ksta.de/region/coronavirus-11-523-infizierte-in-nrw—neuer-termin-fuer-abschlusspruefungen-36439428

(14)       https://www.tagesschau.de/inland/corona-exit-strategie-105.html

(15)       https://www.tagesschau.de/inland/corona-spahn-wieler-101.html

(16)       https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-deutschland-211.html

(17)       https://dejure.org/Drucksachen/Bundestag/BT-Drs._17/12051

(18)       https://www.zdf.de/politik/frontal-21/versaeumte-pandemie-vorsorge-100.html

(19)       https://www.youtube.com/watch?v=WhJB8xjaSrw

(20)       https://www.tagesschau.de/faktenfinder/corona-grippevergleich-101.html

(21)       https://coronavirus.jhu.edu/map.html

(22)       https://experience.arcgis.com/experience/685d0ace521648f8a5beeeee1b9125cd

(23)       https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/503129/Ehemaliger-britischer-Premier-Brown-plaediert-fuer-temporaere-Weltregierung

(24)       https://www.focus.de/politik/deutschland/vom-krankenhaus-bis-an-die-supermarktkasse-abgeordnete-danken-allen-helfern-schaeuble-erntet-fuer-rede-standing-ovations_id_11812060.html

(25)       https://con.arbeitsagentur.de/prod/kiz/ui/start

(26)       https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw13-de-corona-infektionsschutz-688952

(27)       https://www.wallstreet-online.de/nachricht/12339565-corona-gesetze-c-a-zahlt-miete

(28)       https://feynsinn.org/?p=12926

(29)       https://www.nachdenkseiten.de/?p=59627

(30)       https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/503060/Corona-Ehemaliger-ifo-Chef-Hans-Werner-Sinn-raet-zu-Kurzarbeitergeld-lehnt-Hilfszahlungen-fuer-Unternehmen-ab

(31)       https://www.merkur.de/politik/coronavirus-krise-deutschland-politik-massnahmen-angela-merkel-eu-eurobonds-debatte-zr-13613354.html

(32)       https://lostineu.eu/chronik-des-versagens-v-euro-reform/

(33)       http://german.china.org.cn/txt/2020-03/26/content_75861995.htm

(34)       https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8229/

(35)       http://www.heise.de/tp/features/Money-before-Lives-4691516.html?wt_mc=nl.tp-aktuell.taeglich

(36)       https://www.youtube.com/watch?v=H5yjIz0wMDA

(37)       https://www.nzz.ch/international/virologe-kekule-und-oekonom-suedekum-ueber-corona-was-ist-zu-tun-ld.1548836?rflmnt=adnz%3B%3B%3Bbc

(38)       https://news.gaborsteingart.com/online.php?u=nlgSmlM4024

(39)        https://www.nzz.ch/feuilleton/coronavirus-und-wirtschaft-rainer-zitelmann-ueber-staats-versagen-ld.1548815

(40)       https://www.merkur.de/welt/coronavirus-spanien-faelle-zahlen-tote-infizierte-karte-covid-19-madrid-aktuell-news-zr-13630820.html

(41)       late-stage-imperial-omni-crisis-death-virus-and-internal-contradictions

Weitere Literatur:

https://www.nzz.ch/international/coronavirus-weltweit-die-neusten-entwicklungen-nzz-ld.1534367#content-table-second

https://www.nzz.ch/feuilleton/niall-ferguson-was-bedeutet-es-dass-das-coronavirus-altersdiskriminierend-wirkt-ld.1547902

https://www.nzz.ch/wissenschaft/je-staerker-die-massnahmen-desto-schneller-kommt-man-durch-die-krise-ld.1547405

https://www.imperial.ac.uk/media/imperial-college/medicine/sph/ide/gida-fellowships/Imperial-College-COVID19-NPI-modelling-16-03-2020.pdf 

Das Autoren-Team: 

Friedhelm Klinkhammer, Jahrgang 1944, Jurist. 1975 bis 2008 Mitarbeiter des NDR, zeitweise Vorsitzender des NDR-Gesamtpersonalrats und des ver.di-Betriebsverbandes sowie Referent einer Funkhausdirektorin.

Volker Bräutigam, Jahrgang 1941, Redakteur. 1975 bis 1996 Mitarbeiter des NDR, zunächst in der Tagesschau, von 1992 an in der Kulturredaktion für N3. Danach Lehrauftrag an der Fu-Jen-Universität in Taipeh.

Anmerkung der Autoren:

Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung, nichtkommerzielle Zwecke der Veröffentlichung vorausgesetzt. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die „mediale Massenverblödung“ (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein „Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V.“ dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog

Urheberrecht
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Grafikquellen        :

Oben            —       hypnotoad

2.) vorn Oben     —      Carnival, Mainz, february 2020

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Unten         —       Bildmontage      –    HF      /    Scharf – Links

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Der hustende Passant, die tödliche Gefahr

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Robert Misik.

Epidemien als Fortschrittsmotor: Tödliche Gefahr Nachbar Epidemien können auch Fortschritt befördern und Zeitenwenden einleiten. Zum Beispiel eine Abkehr vom Neoliberalismus.

Lasst uns in dieser für alle schweren Zeit mit etwas Leichterem beginnen, mit der Mode und zeitgenössischen Schönheitsidealen. Schlankheit ist ja eines der vorherrschenden Schönheitsideale. Bei Frauen: dieser anorexische Kate-Moss-Typ mit dem verschleierten Blick. Aber auch bei Männern: dieses Dürre, Schlaksige, Verhuschte, der halbverhungerte Künstlertyp mit Blick ins Leere und verwuschelter Frisur. Es sind diese Typologien, die wir in jedem Modemagazin finden.

Skurrilerweise gehen sie auf das Wüten der Tuberkulose zurück, eine der schlimmsten, tödlichsten Epidemien, die aber anders als die Pest oder die Pocken nicht zu schnellem, sondern schleichendem Tod führte und deren Symptome auch nicht so äußerlich entstellend waren – so dass die Tuberkulose nicht nur als Terror im kulturellen Gedächtnis blieb. Sie traf viele Menschen in ihrer Blüte, machte vor wohlsituierten Menschen nicht halt und wurde als Künstlerkrankheit sogar romantisiert und ästhetisiert. Wer von ihr befallen war, verschwand allmählich, verfiel ins ­Geisterhafte. So prägte sie das kulturelle Gedächtnis.

Epidemien und Pandemien können den Lauf der Geschichte beeinflussen, im Großen und im Kleinen. Sie können zu einem Mentalitätswandel beitragen. Ratten empfinden die meisten von uns immer noch als unsympathische Tiere. Die nette, kochende Ratte im Zeichentrickfilm „Ratatouille“ bleibt da ein Sonderfall, genauso wie die einstige Mode der Punks, sich Ratten zu halten. Vielleicht haben sich die Punks ja nur Ratten gehalten, weil die Ratten so „außerhalb der Gesellschaft“ standen, wie das die Punks auch gern wollten. Und das hat natürlich mit den Ratten als Wirtstiere jener Flöhe zu tun, die die Pest übertrugen.

Übrigens, keine Sorge: Die heute bei uns heimischen Ratten sind antisoziale Tiere und daher als Krankheitsüberträger unwahrscheinlich. Die zutraulichereren und daher gefährlichen alten Pest-Ratten wurden von den heute heimischen Ratten ausgerottet.

File:DSC05660 (49675593913).jpg

Frank M. Snowden, ein amerikanischer Wissenschaftler, hat ein grandioses Buch über die Bedeutung von Seuchen für die gesellschaftliche Entwicklung geschrieben: „Epidemics and Society“. Eine Erkenntnis aus diesem Buch ist, dass Epidemien ganz ambivalente Auswirkungen haben. Sie sind nicht gerade eine Schule der Solidarität. Auch wenn wir jetzt alle versuchen, unseren betagten oder immungeschwächten Nachbarn beim Einkauf zu helfen und wenn die systemrelevanten Arbeitnehmer, von den Verkäuferinnen im Supermarkt über die Pflegedienste bis zu den Lkw-Fahrern, Ärztinnen und Hilfsorganisationen jetzt die wirklichen Helden sind – ganz generell spornen Epidemien nicht dazu an, dem Nächsten beizustehen. Der ist nämlich ansteckend, ergo: potenziell tödlich. Wenn einer hustet, sucht man das Weite. Es gibt Katastrophen, bei denen solidarisches Handeln leichter fällt – bei Erdbeben kann man Leute bei sich zu Hause aufnehmen.

Quelle       :      TAZ        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen     :

Oben       —             Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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DL – Tagesticker 31.03.2020

Erstellt von Redaktion am 31. März 2020

Direkt eingeflogen mit unseren Hubschrappschrap

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Könnten sie nicht alle dem gleichen Sumpf entsprungen sein? Die Kröten der Politik ? Aber nicht jeder ist so stumpf und nicht alle heißen Trump. Es gibt einfach zu viele davon auf dieser kleinen Erde.

 USA verlängern Einreisestopp

1.) Trump spricht von „Meilenstein“ und redet sich bei Südkorea um Kopf und Kragen

Der zunächst auf einen Monat begrenzte Einreisestopp der USA für Besucher aus Europa zur Bekämpfung des Coronavirus soll nach Angaben von US-Präsident Donald Trump verlängert werden. Diese und ähnliche Beschränkungen würden in Kraft bleiben und möglicherweise sogar verschärft werden, sagte Trump am Montag bei einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses.Er ließ offen, bis wann der Einreisestopp, der eigentlich Mitte April auslaufen sollte, andauern soll. Die USA sind gemessen an der Zahl der bestätigten Infektionen inzwischen weltweit am schwersten von der Coronavirus-Pandemie betroffen.

Welt

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Wofür noch wählen ? Fressen nicht alle aus den gleichen Corona Napf und trinken die braune Brühe?

Kommunalwahl in Bayern:

2.) Alle sehen sich als Sieger

Nach den Stichwahlen am Sonntag betont jede Partei, dass sie unterm Strich gestärkt worden sei. Und trotzdem gab es hier und da „traurige Niederlagen“ und „Schatten“. Die lokalpolitische Landkarte Bayerns hat seit der Stichwahl am Sonntag einen grünen Farbfleck weniger, zumindest was die Landräte und die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte betrifft. Nachdem die Miesbacher ihren grünen Landrat Wolfgang Rzehak nach nur einer Amtszeit abgewählt und sich in der Stichwahl klar für den CSU-Kandidaten Olaf von Löwis entschieden haben, sticht nur noch der unterfränkische Landkreis Miltenberg heraus, wo sich Landrat Jens Marco Scherf schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen durchgesetzt hatte. Geht es nach der Parteispitze der bayerischen Grünen, dann schimmert es unter dem großflächigen Schwarz im Freistaat trotzdem vielerorts deutlich grün hindurch. Doch auch die CSU, die Freien Wähler und sogar FDP und SPD sehen sich als Sieger.

Sueddeutsche-Zeitung

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„Blüh im Glanze dieses Glückes“. Wie tief ist dieses Land gesunken ! Die Einheitsregierung unter Führung der SED berät darüber – wie die Gesellschaft am bequemsten unter Kontrolle gebracht werden kann. Und wie bereits zum zweiten mal nach Kriegsende. Die Polizei macht den unterwürfigen Helfer der Despoten !

Verstöße gegen die Coronavirus-Regeln

3.) Berliner Senat berät heute über neuen Bußgeldkatalog

In Berlin sind zwei weitere Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben. Damit gibt es laut Senatsverwaltung für Gesundheit bislang insgesamt 13 Todesopfer. Zu möglichen Vorerkrankungen der beiden neuen Fälle und zum Alter der Verstorbenen gab es keine Angaben. Mit Stand Montagabend wurden offiziell 2581 Menschen positiv getestet, tags zuvor waren es noch 2462 – ein Anstieg von 119 Fällen. Am Sonntag hieß es, dass 845 Infizierte wieder genesen sind – diese Zahl stieg nun auf 1055. In Brandenburg sind bis Montag sieben Corona-Patienten gestorben. Dort gibt es offiziell 846 Infizierte. Berlins Senat arbeitet an einem Bußgeldkatalog, um Verstöße gegen die Auflagen und Regeln ahnden zu können. Ob darüber auch beschlossen wird, ist noch offen.

Tagesspiegel

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Das sind sicher nicht die ersten Ergebnisse eines Unrechtsstaates ! Haben wir schon über Freiheitberaubung gesprochen ? Und die Linken singen mit, im Duett – statt ihren Hammer und die Sichel auszugraben.

Wegen Coronakrise

4.) Paar aus Zweitwohnung in Ostfriesland ausgewiesen

Ein Paar aus Rheinhessen musste wegen der Coronakrise seine Zweitwohnung in Ostfriesland verlassen. Doch die Beiden wehren sich vor Gericht. Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Krummhörn an der Nordsee hatte extra eine Ansage für das Megafon des Gemeindefahrzeugs aufgenommen. Damit werden die Gäste aus den Ferienwohnungen aufgefordert, den Ort sofort zu verlassen. „Sollten Sie sich noch hier aufhalten, machen auch Sie sich strafbar“, hieß es am Ende der Durchsage. Das Paar aus Rheinland-Pfalz, das vor einigen Monaten im Landkreis Aurich ein Haus als zweiten Wohnsitz gekauft hat, konnte es nicht glauben. Sie waren Mitte März angereist, weil sie etwas am Haus ausbessern wollten. Aber dann hörten sie am 21. März – einem Freitag – die Nachricht von einem anderen Ferienhausbesitzer. „Da stand unser Nachbar plötzlich völlig konsterniert vor unserer Haustür und hat uns mitgeteilt, dass der Landkreis Aurich gerade eine Verfügung erlassen hat, dass alle Besitzer von Zweitwohnungen bis Sonntag, also schon zwei Tage später, abzureisen haben“, berichtete das Paar.

SWR

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Die politischen Schwachköpfe füttern den Orban genauso weiter wie eine schwache SPD in der Regierung die CDU! Viel Lärm um nichts !

Notstandsgesetz in Ungarn

5.) SPD-Generalsekretär erwartet scharfe Reaktion der EU

Mit einem wegen der Coronakrise beschlossenen Notstandsgesetz kann Viktor Orbán in Ungarn jetzt auf unbegrenzte Dauer per Dekret regieren. SPD-Generalsekretär Klingbeil fordert die EU zum Handeln auf.  Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich vom Parlament seines Landes umfassende Vollmachten geben lassen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen und ihre Folgen zu bewältigen. Die Budapester Volksvertretung billigte am Montag mit den Stimmen der Regierungsmehrheit ein umstrittenes Notstandsgesetz, das es dem rechtsnationalen Regierungschef ermöglicht, ohne zeitliche Befristung per Verordnung zu regieren. Die Abgeordneten der Opposition

Spiegel-online

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An und für sich schade – das Dummheit keine Schmerzen bereitet ! Zumindest Politiker sollten am eigenen Körper spüren, wie verblödet sie von Natur aus sind.

Der Tag

6.) Laschet trägt Schutzmaske falsch

Ob das Tragen einer Schutzmaske etwas bringt, darüber kann man vielleicht noch streiten. Wenn man aber schon eine trägt, dann sollte man sie richtig aufsetzen. Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, gibt bei der Eröffnung des „Virtuellen Krankenhauses“ in Aachen ein schlechtes Beispiel: Er trägt seine Maske zwar über dem Mund, doch die Nase bleibt frei.

ntv

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7.) Premiumdenker der Gegenwart

Name: Wodarg

Vorname: Wolfgang

Spitznamen: „Doktor“, Doctor Do- and Knowlittle, Dr. mad. Wodarg

Hauptwerke: „Virologen, Pneumologen, alle logen – außer mir“, „Der Wahrheit eins husten“, „Pandenie und nimmer“, „Comme ci, comme SARS“

Wurde beeinflusst von: Geltungsdrang, einer verschleppten COVID-19 Erkrankung, SPD

Hat Einfluss auf: die WhatsApp-Gruppe „Die ungelogen ECHTE !!! Wahrheit“ u.a.

Verfeindete Denker: Christian Drosten und seriöse Konsorten

Befreundete Denker: Xavier Naidoo, Parteikollege Thilo Sarrazin

Bester Satz: „Wenn es dieses angebliche, neue Virus denn tatsächlich gäbe, warum kann ich es dann nicht mit freiem Auge sehen?“

Leser, die Wolfgang Wodarg mögen, mögen auch: Reisen in die Hohlerde planen, Protokolle der Weisen von Zion lesen, Chemtrails inhalieren

Titanic

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Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquellen        :

Oben     —    DL / privat – Wikimedia  Commons – cc-by-sa-3-0

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