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RENTENANGST

Archiv für Januar 13th, 2019

Künstliche Intelligenz

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Wunderwaffe als Herrschaftssystem

von Friedrich Krotz

Haushalt, Verkehr, Militär: Die Diskussion um KI-gesteuerte Maschinen wird vielfältiger. Nur: Wie intelligent ist „künstliche Intelligenz“?

Die sogenannte künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde. Computer, die Menschen nachahmen: Bei der KI handelt es sich um eine vielversprechende neue Technologie. Ihre Anwendung wird aber auch Alltag und Gesellschaft radikal verändern. Sorgen bereiten sollte uns dabei weniger die Technik selbst als vielmehr die Tatsache, dass sie von den größten Unternehmen der Menschheitsgeschichte entwickelt und gestaltet worden ist, die sie auch künftig betreiben wollen.

Diese Unternehmen beeinflussen damit auch wesentlich, was KI kann und was nicht, wofür sie benutzt werden wird und wofür nicht. Denn wie man auch an Dieselautos, Kriegswaffen oder dem Internet sieht, gibt es nicht die Technik, sondern jeweils ganz unterschiedliche Versionen und Entwicklungspfade.

In der Öffentlichkeit werden meist die möglichen Vorteile von künstlicher Intelligenz dargestellt und dann immer nur deren unmittelbare soziale Folgen diskutiert, wie am Beispiel des KI-gesteuerten autonomen Autos: Es heißt, wir könnten künftig lesen oder mit den Kindern spielen, während wir an unsere Ziele gefahren werden. Es gebe dank KI und Vernetzung der Autos auch weniger Unfälle und weniger Staus.

Ob das stimmt, muss sich erst noch zeigen. Ausgeblendet wird dabei aber, dass die zukünftige Bedeutung von KI sich nicht auf selbstfahrende Autos beschränkt. Ein besonders kritischer Punkt ist eine möglicherweise militärische Nutzung. Paral­lel zu selbstfahrenden Autos werden selbst­fahrende Panzer, selbstständig kämpfende Roboter und selbst organisierte Drohnen für ­Über­wachung und Luftangriffe entwickelt und gebaut.

Die Technologie soll außerdem voraussagen können, wo demnächst welche Verbrechen begangen werden und wen man am besten schon vorher verhaftet. In China werden künftig die Einwohner KI-gestützt mit Punkten bewertet, damit der Staat die guten von den schlechten Bürgern unterscheiden kann. Wozu wohl? Bald werden auch Start-ups gegründet werden, die Journalisten und womöglich Politiker durch KI ersetzen, kann KI doch viel preiswerter Artikel schreiben und Entscheidungen viel effizienter treffen.

Technik und die Interessen der Entwickler

Derzeit erinnert die öffentliche Diskussion insgesamt daran, wie einst die Atomkraft ­eingeführt wurde: Alles wird technisch prima, und den Rest kriegen wir auch noch hin. Wir ­brauchen aber stattdessen eine grundsätzliche Debatte und auf breiter Ebene eine Ver­ständigung d­arüber, wie wir als Gesellschaft mit künstlicher Intelligenz umgehen wollen. Wie kann KI zu ­Demokratie und Frieden, zur Achtung der Menschenrechte und zur Selbstverwirklichung beitragen statt nur zu maximalen Gewinnen von Facebook, Google und Apple?

Im öffentlichen Dialog wird ausgeblendet, dass Technik immer längs der Interessen der Entwickler entsteht und auch nicht einfach zu einer Gesellschaft dazukommt, sondern dass sie in die Gesellschaft hineinorganisiert werden muss. Davon hängt es aber vor allem ab, wie sie sich auf Gesellschaft, Demokratie und Zusammenleben ­auswirkt.

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Autos waren einmal eine solche Neuheit. Sie benötigten Straßen, Verkehrsregeln, Parkplätze, Fa­briken, Tankstellen. Die in diesem Kontext entstandenen Konzerne verdienen sich heute noch mit immer mehr Autos und deren Nutzung dumm und dämlich. Der öffentliche Raum und die Atemluft der Menschen wurden dabei auf rücksichtslose Weise zerstört. Ähnliche Entwicklungen lassen sich bei der Atomkraft aufzeigen, die letztlich nur durch die Einschränkung bürgerlicher Rechte durchgesetzt werden konnte. Und die Computertechnologie entstand mit dem Versprechen, neue Kommunikationsformen, bessere soziale Beziehungen und mehr Teilhabe möglich zu machen.

Anfangs gab es dann beispielsweise selbst organisierte lokale soziale Netze, die den Menschen und ihrem Zusammenleben dienten. Heute ist das alles von dem Datenkraken Facebook verschluckt und monopolisiert, der mit „Social Media“ völlig irreführend bezeichnet wird. Denn den Betreibern geht es um Geld und Macht, die sie sich dadurch sichern, dass sie die Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer auf ihr Geschäftsmodell hin optimieren. Es besteht darin, sie an eine wahre Werbeflut zu verkaufen.

Gefährliche Monopole

Auch auf anderen Feldern sind gefährliche Monopole entstanden: Google kontrolliert unser Wissen, Amazon die materiellen Bedürfnisse, YouTube und Instagram bestimmen unsere Bilderwelten. Zusammen mit einigen weiteren weltweit tätigen Internetgiganten setzten sie sich heute immer aufdringlicher im Leben der Menschen fest, indem sie mehr und mehr Bereiche menschlichen Kommunizierens und Handelns organisieren und kontrollieren.

Jetzt kommt die künstliche Intelligenz auf uns zu. Da sollten wir nicht bei der Diskussion versprochener Vorteile stehen bleiben. Am Beispiel von KI-gesteuerten Autos sollten wir vielmehr fragen: Von wem und wie werden das Verkehrswesen, der öffentliche und städtische Raum und unsere Umweltbedingungen künftig organisiert? Wir werden jedenfalls keinen wie bisher von der Kommunalpolitik bereitgestelltenen öffentlichen Nahverkehr mehr haben. Niemand sollte davon träumen, dass er künftig statt im Bus bequem im selbstfahrenden Elektro-Mercedes zu seinem Ziel geschaukelt wird.

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Rumänien auf der Kippe

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Rumänien hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen

Datei:Robert-Schuman Monument Scy-Chazelles.jpg

von Mathias Greffrath

Am 1. Januar 2019 hat Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Ein Stimmungsbild aus dem fernen Osten der Europäischen Union, wo die Hälfte des nutzbaren Bodens von ausländischen Investoren bewirtschaftet wird, die Kluft zwischen Stadt und Land immer größer wird und ein krimineller Parlamentspräsident die Fäden zieht.

Sibiu, das ehemals siebenbürgische Hermannstadt, ist hübsch durchrenoviert. Im Brukenthal-Museum am großen Markt kann man den ästhetischen Niederschlag der rumänischen Geschichte vom Osmanischen Reich über die K.-u.-k-Monarchie bis zum real­existierenden Sozialismus studieren: auf dem Gang osmanische Teppiche, die jahrhundertelang in den protestantischen Kirchen Siebenbürgens hingen; in der Beletage Cranach, Van Dyck, Antonello, Tizian, einst vom österreichischen Gouverneur gesammelt; ein Stock höher die Natur­idyllen einer Bauernnation, deren aristokratische und intellektuelle Eliten stets nach Westen blickten. Im Zentrum des Museums überraschend der bethlehemitische Kindermord, in der Fassung von Jan Brueghel dem Jüngeren; eine weitere hängt in Wien, die vom älteren Brueghel in London. Aber nur in der rumänischen Fassung werden die Kinder ermordet, die westlichen Va­rian­ten, auch das Original im Buckingham Pa­lace, sind entschärft – da wird nur geplündert und politisiert.

Aus den steilen ziegelgedeckten Dächern von Sibiu wachsen eigentümliche Belüftungsluken. Sie sind wie Augenschlitze geformt, und wirklich: Man fühlt sich von ihnen beobachtet. Sie sind zum Logo der Protestbewegung geworden: „Wir sehen euch“. Jeden Tag Schlag zwölf versammeln sich in Sibiu wie an anderen Orten 30 bis 40 Menschen vor der Parteizentrale der Sozialdemokraten, Junge, Alte, Männer, Frauen, bei jedem Wetter. Bis zum nächsten Glockenschlag stehen sie dort, einige tragen Schilder, aber die meisten stehen nur da, still und stumm. Jeden Tag zur Mittagszeit eine Viertelstunde, auch sonntags. Am 11. Dezember 2018 demonstrierten sie dort zum 365. Mal; um das Jubiläum zu feiern, dauerte die Manifestation diesmal zwölf Stunden, am Ende sangen sie „We will rock you“ von Queen.

Bürger beobachten Politiker. Bürger? Das Bild, wie sie da vor den Fenstern der Macht stehen, allein mit ihren Körpern Widerstand bezeugend, es rührt, macht mitleidig und traurig. Es ist eine Demonstration der Resignation und Ratlosigkeit. Hier formt sich keine machtvolle politische Opposition, die gibt es in Rumänien nicht, und schon gar keine linke. Hier steht „das Volk“, das keiner der Parteien im Parlament mehr traut, das in den dreißig Jahren nach dem Ende des Ceau­șes­cu-Kommunismus erlebt hat, dass die Opposition, kaum ist sie an der Regierung, genau so korrupt ist wie die gerade abgewählte, und dass auch die Demonstrationen von Hunderttausenden, die seit Januar 2017 gegen die Demontage des Rechtsstaats protestieren, nichts verändert haben.

Ich wähle Kövesi – das war ein häufiger Slogan auf den Demonstrationen, die seit zwei Jahren den Rhythmus der rumänischen Innenpolitik markieren. Laura Kövesi, die 45-jährige Chefin der Antikorruptionsbehörde DNA, die in den letzten sieben Jahren mehr als 10 000 Fälle bearbeitet und mehr als 3000 Gerichtsurteile herbeigeführt hat. Seit sie die Behörde leitete, brachte diese allein zwei ehemalige Ministerpräsidenten und deren Stellvertreter, elf amtierende und ehemalige Minister, 50 Abgeordnete und etliche Bürgermeister und Medienoligarchen vor Gericht; in fünf Jahren wurden rund 2 Milliarden Euro aus Bestechung und Geldwäsche beschlagnahmt. Am Ende aber ist auch Laura Kövesi den Intrigen und juristischen Winkelzügen der „regierenden Partei“ erlegen, die seit Jahren in einem hartnäckigen Stellungskampf mit dem Verfassungsgericht und dem honorig-konservativen, aber nicht immer kampfbereiten Präsidenten Johannis die Kriterien für kriminelle Bestechung aufweichen will.

Sozialdemokratie nennt sich die regierende Partei – weswegen sie unbegreiflicherweise in ihren Wahlkämpfen auch von deutschen Sozialdemokraten unterstützt wurde. Faktisch ist sie ein Konglomerat von Altkommunisten und Klien­tel­gruppen, autoritär geführt von Parteichef Liviu Dragnea, der aufgrund einer Vorstrafe wegen Wahlmanipulation zwar Parlamentspräsident, aber nicht Minister oder Regierungschef werden darf. Seine Karriere als Lokalfürst, Multiunternehmer und Pate liest sich wie ein B-Picture aus Al Capones Chicago. Allein 2018 eröffnete die brasilianische Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Geldwäsche gegen ihn, im Juli wurde er in Bukarest wegen Veruntreuung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weiterhin wird wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt – aber alles das hindert ihn nicht daran, in der Regierung die Fäden zu ziehen, nach Belieben Minister zu ernennen oder abzuberufen, seine Kritiker als Stalinisten, Landesverräter oder Folterknechte zu beschimpfen. Seit Anfang 2017 hat das Land drei Regierungschefs und 71 Minister kommen und gehen sehen. Und Brüssel zeigt sich regelmäßig „besorgt“.

Datei:Brukenthalpalais Hermannstadt.jpg

Im Juni 2018 ließ Dragnea 200 000 Provinzler mit Bussen und Bahnen nach Bukarest transportieren. In weißen Hemden demonstrierten sie gegen die Justiz, gegen den angeblichen „Parallelstaat“ von DNA und Geheimdienst, gegen die Einmischungen der EU in die inneren Angelegenheiten und gegen den landesverräterischen Präsidenten – ein Aufmarsch, der an die inszenierten Aufmärsche der Ceaușescu-Zeit erinnerte. Acht Wochen danach wurde eine große Gegendemonstration blutig niedergeknüppelt; seitdem steuert die PSD in immer engeren Kurven auf ein Amnestiegesetz für Korruption zu. Ein kritisches EU-Memorandum im vergangenen November hat die nationalistische, von Verschwörungstheorien durchsetzte Demagogie der regierenden Partei eher noch angeheizt. Doch trotz aller medialen Unterstützung hat sich die Zustimmung zur PSD halbiert; 80 Prozent der Rumänen wollen, dass der Kampf gegen die Korruption fortgesetzt wird.

Bogdan versucht sich als Biobauer

An den Rändern der Partei springen die ersten Dissidenten ab, die Koalition mit den Liberalen hat keine Mehrheit mehr im Abgeordnetenhaus, aber noch kann sie regieren: Die Opposition ist zersplittert und schwach, gelähmt, weil selbst verstrickt in Korruption oder, so wie die „Union zur Rettung Rumäniens“, eine Ansammlung von Technokraten, Professoren, Literaten, halb liberal, halb konservativ, ohne eine verbindende Idee außer dem Kampf gegen die Korruption, aber ohne die skrupellose Raffinesse Dragneas, der im nächsten Jahr Präsident werden will. Dafür braucht er die Amnestie, sein letzter Ausweg wäre eine Notverordnung, über die im Dezember viel geredet und geschrieben wurde, aber die würde das Land an den Rand des Bürgerkriegs bringen.

Dragneas Macht stützt sich auf ein Mafia-system aus Loyalität und Bestechung. Er besorgt den Bürgermeistern und Regionalfürsten das Geld, mit dem sie für Wählerstimmen sorgen. Auch deshalb mochte die Regierung die EU-Förderprogramme nicht besonders: Sie konnte die Mittelgabe nicht kontrollieren; viele Gelder wurden nicht abgerufen. „Die alten Kommunisten sind im Altersheim, und ihre Söhne regieren das Land“, erklärt mir lachend Barsan Ilarion, ehemals Buchhalter einer Agrargenossenschaft, eigentlich längst im Rentenalter und nun Direktor der „Lokalen Aktionsgemeinschaft“ in Agnita. „Wir haben lange mit dem Bürgermeister gestritten, weil der das Geld für seine ‚repräsentativen Baumaßnahmen‘ wollte.“ Überdies ist der Weg zum Brüsseler Geld mit viel Papier gepflastert, die Aktionsgruppen müssen alle relevanten Interesssengruppen einbeziehen, einen Projektplan entwickeln, immer wieder kommen Anträge zurück. Aber dann konnten sie schließlich in fünf Jahren 2,5 Millionen Euro verteilen: Geld für einen Traktor, eine Honigschleuder, einen Stall, Vieh und Saatgut, eine asphaltierte Dorfstraße.

Lauter Inseln der Werbung für Europa: Der Reiterhof in dem Dorf Apos etwa, der mit 200 000 Euro aus Brüssel entstand und bald Therapien für autistische Kinder anbieten will. Oder die Milchkühlanlage für 40 000 Euro, mit der sich Stoica und Aurel, er war früher Tierpfleger, sie Postbeamtin, mit 44 Kühen selbstständig gemacht haben – in einem Dorf, in dem die meisten ausgewandert sind. Diesem Roma-Ehepaar hilft schon wenig Geld, um zu bleiben, so wie dem jungen Bogdan Anghel: Er hatte eine Autowaschanlage, dann hörte er von Biolandwirtschaft, seine Schwester schenkte ihm das Große Buch vom Leben auf dem Lande, die alte Gebrauchsanweisung aus den Hippie-Siebzigern. Mit einem halben Hektar und zwei Kühen hat er angefangen, jetzt sind es drei Dutzend. Hätte er mehr Grünflächen, könnte er sogar Bioqualität liefern, aber es gibt kaum noch Land zu kaufen. Er zeigt nach Westen: „Da sind die Schweizer von Carpaten Meat. Sie züchten Angusrinder, vermarkten sie europaweit, kaufen die letzten Parzellen auf, um ihre Weiden zu vergrößern. Was 2002 noch Niemandsland war, ist nun weg. Vieles ging nicht mit rechten Dingen zu damals. Und für vieles ist es nun zu spät.“1 Carpaten Meat bewirtschaftet und verwaltet insgesamt 240 Quadratkilometer Weideland.

„Es gibt in jedem Dorf so einen Bogdan“, sagt Ilarion, während er uns zurück nach Agnita fährt, „aber es ist nicht einfach.“ Fünfzig Jahre Kommunismus hätten die Traditionen dieser selbstversorgenden ökologischen Landwirtschaft zerstört. „Die Dorfgemeinschaft gibt es nicht mehr. Jeder macht seins, es müssten völlig neue Strukturen aufgebaut werden. Aber das kann man nicht mit den EU-Mitteln schaffen. Dafür müsste der Staat die Anreize schaffen. Aber wir haben keinen Staat.“

Äcker wurden schon vor der Marktöffnung über Strohmänner von zumeist westlichen Investoren aufgekauft oder gepachtet. Seit 2014 dann im großen Stil: Ungefähr die Hälfte des nutzbaren Bodens ist inzwischen in den Händen von zumeist ausländischen Investoren – Agrarmultis aus Westeuropa und dem Nahen Osten oder Banken und Pensionsfonds. „Wachstum, soweit das Auge reicht“, so steht es etwa unter den blühenden Landschaften auf dem Prospekt der Firma Agrarius aus Bad Homburg. Wachstum heißt in solchen Prospekten: „Ackerland hat eine deutliche bessere Performance als die Financial Times Stock Exchange Hundred“; heißt: „die weltweite Nachfrage nach Nahrung lässt weiterhin steigende Preise erwarten“, heißt: „in Rumänien gibt es Chancen, die im westlichen Teil Europas weitgehend ausgeschöpft sind“, heißt: „die EU-Subventionen sind eine solide Basis für nachhaltige finanzielle Erträge.“

Immer noch kostet ein Hektar ein Viertel von dem, was man in Westeuropa zahlen muss, der jährliche Wertzuwachs beträgt bis zu 35 Prozent. Die Europäische Union zahlt 170 Euro pro Jahr Flächenprämie für jeden rumänischen Hektar, und das garantiert eine sichere Staatsrente für die Eigentümer von Agrarland. Selbst bei einem Hektarpreis von 5000 Euro – der Spitzenpreis in Spitzenlagen – gibt es mehr als 3 Prozent Rendite, auch wenn die ganze Ernte verdirbt, auch wenn der Eigentümer nur einmal mit dem Traktor über den Acker fährt. Das ist immer noch die Logik der destruktiven EU-Agrarpolitik. In Westeuropa haben wir die Zerstörung hinter uns – die ­Chance, in Ru­mä­nien eine ökologische, mittelständische Landwirtschaft aufzubauen, wurde von den Postkommunisten wahrscheinlich nicht einmal gesehen. Sie hatten kein Konzept außer einer schnellen Privatisierung der LPGs.

In Rumänien leben mehr Menschen auf dem Land als in jedem anderen EU-Land: 40, vielleicht sogar über 50 Prozent der Bevölkerung; aber nur die wenigsten sind Erwerbslandwirte. Die meisten halten sich gerade so über Wasser, mit ein, zwei Hektar, allenfalls zwei Kühen und ein paar Hühnern. Und so importiert das agrarisch reiche Rumänien Lebensmittel aus Westeuropa: holländische Tomaten ebenso wie deutsches Schweinefleisch: 2016 achtmal so viel wie 2015 – und das hat auch etwas damit zu tun, dass das deutsche Importfleisch billiger ist, nicht zuletzt wegen der rumänischen Wanderarbeiter in Westniedersachsen. 2017 exportierte Deutschland 129 700 Ferkel nach Rumänien.

Datei:Mediasch-zentrum.jpg

„Um 1900 hatten wir wenige Großagrarier, viele kleine Selbstversorger und eine stagnierende Kultur, keine Vergangenheit also, zu der man gern zurück möchte“, meint Vintilă Mihăilescu. „Doch nun haben wir genau dasselbe wieder. Wir hätten etwas anderes tun können, aber jetzt ist das Land auf der Kippe.“ Der ehemalige Direktor des schönen Bukarester Bauernmuseums, ein freundlicher Ironiker, der keine falschen Hoffnungen weckt; ein zukunftszugewandter Realist, der in keine romantische Falle tappt, weder vom „Genozid am Bauerntum“ dröhnt noch wie Prinz Charles in gut gepolstertem grünen Konservatismus schwärmt: „Siebenbürgen hat den Schlüssel zur Rettung der Welt.“ Seine königliche Hoheit hat in Transsilvanien einige Häuser renoviert, vermietet Ferienwohnungen und setzt sich für den Erhalt des Kopfsteinpflasters ein. Nein, die Zukunft wird gemischt sein, ist Mihăilescus Hoffnung – und auch die kommt ihm noch utopisch vor. Am ehesten, so hat er in Fallstudien gefunden, funktioniert die Verbindung von Tourismus und regionaler Vermarktung. Nischenprodukte und eine Art Authentizitätsindustrie, Erlebnis-business für die dekadenten Mittelschichten Westeuropas? „Etwas Derartiges, ja“, lächelt der Anthropologe. „Ja. Es gibt keine Bauern mehr in Europa. Bei uns gibt es die letzten.“

Quelle      :     Le Monde diplomatique        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —           Robert-Schuman-Denkmal Bukarest / Scy-Chazelles

Quelle
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2.) von Oben     —               Gebäude am Großen Ring im de:Hermannstadt

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Unten      —       Str. N. Iorga (Forkeschgasse) in Mediaș/Mediasch, Romania

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Das Buch : Angela Merkel

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Wie Merkel zur Spaltung beigetragen hat

Ursula Stock, 769.jpg

Von Stephan Hebel

FR-Autor Stephan Hebel schreibt in seiner neuen Bilanz über mangelnden Reformwillen der Kanzlerin, die politische Ausrichtung an Wirtschaftsinteressen und erklärt, warum ihr Humanismus allenfalls ein halber ist.

Der Anfang vom Ende hat ein Datum: Am 29. Oktober 2018 verkündete Angela Merkel, dass sie beim Parteitag im Dezember nicht mehr für den CDU-Vorsitz kandidieren werde. Drei Jahre später, so die Ankündigung, wolle sie sowohl aus dem Kanzleramt als auch aus dem Bundestag ausscheiden und danach auch keine anderen Ämter mehr bekleiden. (…)

In diesem Buch finden Sie eine erste Bestandsaufnahme des politischen Erbes von Angela Merkel. Anhand einer Reihe von Themenbereichen wird zu zeigen sein, wie sich Deutschland in 13 Jahren unter ihrer Kanzlerschaft verändert hat und wie ihr politisches Wirken während dieser Zeit zu bewerten ist. Um das Ergebnis kurz vorwegzunehmen: Die Bilanz fällt insgesamt alles andere als positiv aus. Allerdings hat die hier geübte Kritik mit den Parolen von rechts („Volksverräterin“) so wenig zu tun wie mit den erstaunlichen Lobreden, die der scheidenden Spitzenfrau aus dem demokratischen Lager auch weit über die eigene Partei hinaus gewidmet wurden. (…)

So absurd auf der einen Seite die Vorstellung der nationalen Rechten ist, die Probleme einer globalisierten Gesellschaft ließen sich durch Abschottung der Nation nach außen und durch den Rückzug in eine ethnisch-kulturell homogene Volksgemeinschaft lösen, so verfehlt erscheint andererseits auch die Ansicht, die um Merkel versammelte „Mitte“ sei die richtige Antwort auf Populismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit.

Dieses Buch vertritt eine andere, in der öffentlichen Debatte bisher unterrepräsentierte These: Durch mangelnden Reformwillen, durch übermäßige Orientierung an den Interessen „der Wirtschaft“ und durch einen allenfalls halben Humanismus in der Flüchtlingsfrage hat diese Kanzlerin selbst zur Spaltung des Landes und zur Erosion des demokratischen Diskurses entscheidend beigetragen. (…)

An der Grenze des „Weiter so“

In der Erzählung von der angeblichen Alternativlosigkeit ihres Handelns hatte Angela Merkel bekanntlich eine große Meisterschaft entwickelt. Das machte sie zur beliebtesten Politikerin Deutschlands – so lange, bis die Flüchtenden aus den Krisengebieten dieser Welt auch dem Letzten die Brüchigkeit des gemütlichen „Weiter so“ deutlich machten. Deutlich machten, wohl gemerkt: Verursacht wurden die Brüche im deutschen Biedermeier-Kapitalismus nämlich nicht durch die Migration, sondern sie waren schon längst vorher da. Und statt politisch dagegen anzugehen, verstärkte der Merkelismus die Konfliktpotenziale durch die politische Verweigerung dringend notwendiger, tiefgreifender Reformen, die – siehe die Wohnungspolitik, siehe die Verkehrswende, siehe die notwendige Umverteilung durch Steuern – nur in Konfrontation mit Spitzenverdienern, Vermögensbesitzern, Unternehmen und deren Lobby hätten angegangen werden können. Genau das hat Angela Merkel weder getan noch gewollt, und das macht sie mitverantwortlich für die Erfolge derjenigen, die so tun, als sei der Kampf gegen Zuwanderung die einzige „Alternative für Deutschland“. Doch bevor wir uns den seit Beginn ihrer Kanzlerschaft begangenen Fehlern widmen, gilt es die Bruchstelle in der Karriere der Kanzlerin näher zu betrachten. Denn erst die Ereignisse des Herbstes 2015 brachten die vermeintlich Unangefochtene ins Wanken. (…)

Der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett hat den Erfolg des Rechtspopulismus folgendermaßen interpretiert: „In den USA und in Europa gibt es immer mehr Menschen, die sich verschließen vor dem Neuen, die nicht mehr diskutieren, sondern abschalten wollen. Sie sind nicht mehr interessiert an Partizipation. Sie wollen Verantwortung abgeben. Sie haben Lust auf autoritäre Lösungen.“ Durch das „Abschalten“- also die von Merkel mitverantwortete Abwendung vom demokratischen Diskurs – entsteht unmittelbar die „Lust auf autoritäre Lösungen“: Besser kann man den Zusammenhang zwischen Merkels Demobilisierungsstrategie und den Erfolgen der AfD kaum beschreiben. Sie hat ihn wahrscheinlich nicht gewollt, den Aufstieg der rassistischen Rechten. Aber die Strategie der Ruhigstellung, die sie zehn Jahre lang erfolgreich verfolgte, musste fast zwangsläufig in dem Augenblick scheitern, der allen zeigte, dass es keineswegs einfach so weitergehen konnte.

Auch dieser Augenblick hat ein genaues Datum: die Nacht vom 4. auf den 5. September 2015. Jene Nacht, in der Angela Merkel „die Grenze öffnete“, wie es heute oft heißt. Die Formulierung ist nicht ganz richtig, denn die Grenze war nicht geschlossen, aber was die Kanzlerin tat, war dennoch von großer Bedeutung: Sie machte die Grenze nicht dicht. Sie verzichtete auf die Alternative, mit einem gigantischen Polizeieinsatz die Menschen, in deren Gesichtern sich die schlimmsten Krisen der Gegenwart spiegelten, von Deutschland fernzuhalten.

Was folgte, wird inzwischen leider allzu oft vergessen: Überall in Deutschland entstand das, was man schon bald als „Willkommenskultur“ verstand. Im Applaus, mit dem die Ankommenden in vielen Städten des Landes empfangen wurden, schwang eine Botschaft mit, die neben ihrer erfreulich selbstverständlichen Humanität auch eine politische Komponente enthielt: „Wir haben verstanden“, sagten die unzähligen Helferinnen und Helfer mit ihrem Tun. Indem wir euch als Menschen nicht zurückweisen, weisen wir auch die Verantwortung nicht zurück, die wir mit unseren Rüstungsexporten, mit unserer Wirtschaftspolitik, mit unserem Verschanzen hinter den Grenzen der Wohlstandsfestung auf uns geladen haben. Sicher dachten nicht alle so, die spontan und wirkungsvoll halfen. Aber ihr Handeln sendete genau dieses Signal. Und dass diese Bürgerinnen und Bürger, von denen viele nie und nimmer die CDU gewählt hatten, auch der Kanzlerin für ihren humanitären Akt applaudierten, war verständlich – auch wenn Merkels Entscheidung unter massivem Druck der Nachbarländer gefallen war.

Bis Heute war knuddeln angesagt, das Anlegen der Zwangsjacke hat schon begonnen!

Der Satz „Wir schaffen das“ konnte sogar als Ermutigung an diejenigen verstanden werden, die sich schon lange für eine Abkehr von der restriktiven Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung und der EU eingesetzt hatten – aus humanitären Gründen, aber auch weil sie wussten, dass Abschottung auf Dauer nicht funktionieren würde. (…)

Allerdings: Wie in anderen Politikbereichen, so ist auch hier die positive Einschätzung der Liberalen bei genauerer Betrachtung kaum zu halten. Es ist richtig, dass die Regierung Merkel seit dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen eine Menge Geld mobilisierte: Allein in den Jahren 2016 und 2017 gab der Bund jeweils rund 20 Milliarden Euro aus. (…)

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Oben      —         Ursula Stock, 769

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2.) von Oben      —      Karikatur von Gerhard Mester Weiter so (2016)

  • CC-BY-SA 4.0
  • File:20161221 xl 1515–Gehard-Mester Weiter so.jpg
  • Erstellt: 21. Dezember 2016

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Texte von Uri Avnery

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Ein sehr intelligenter Mensch

Autor :  Uri Avnery

IN DEN späten 1980er Jahren sagte mir meine Sekretärin eines Tages, der Stellvertretende Stabschef wolle mich sprechen.

Das war eine ziemliche Überraschung. Die Armeeführung stand auf keinem freundlichen Fuß mit meiner Zeitung HaOlam HaSe. Die Armee hatte uns Dutzende Jahre offiziell boykottiert, nachdem wir eine Geschichte veröffentlicht hatten, die der damalige Stabschef als beleidigend empfunden hatte.

Deshalb war ich neugierig, als ich das Zimmer des Stellvertreters betrat. Sein Name war Ehud Barak und ich war ihm nie zuvor begegnet.

Schon bald kamen wir in unserem Gespräch auf die europäische Militärgeschichte zu sprechen. Ich war ziemlich überrascht. Im Allgemeinen sind die israelischen Militärchefs Techniker und keine Theoretiker. Aber da Militärgeschichte nun einmal mein Hobby war, freute ich mich zu entdecken, dass Barak ein echter Experte auf dem Gebiet war.

Wir sprachen vergnügt über den 30-jährigen Krieg und ich wartete darauf, dass er auf das Thema zu sprechen käme, dessentwegen er mich eingeladen hatte. Aber die Zeit verging und kein anderes Thema tauchte auf. Es gab kein anderes Thema.

EHUD BARAK war ein besonderer Soldat. Sein Bruder erzählte mir einmal, wie Ehud Soldat geworden war: Als Jugendlicher war er klein und dick, deshalb musste sein Bruder alle seine Beziehungen spielen lassen, um zu erreichen, dass Ehud in die Eliteeinheit aufgenommen wurde.

Das Ergebnis war fabelhaft. Barak war ein waghalsiger Soldat. Er wurde mehrfach wegen persönlicher Tapferkeit ehrenvoll erwähnt, wurde zu kühnen Taten auf Feindesgebiet abkommandiert, stieg schnell im Rang auf und hatte schließlich fast jeden höheren Kommandoposten innegehabt, drunter den des Chefs des Nachrichtendienstes, bis er dann schließlich Stabschef wurde (Oberbefehlshaber der Armee).

Nach alledem war es in Israel eine Selbstverständlichkeit, dass Barak in die Politik ging. Nachdem er der Arbeitspartei beigetreten und deren Chef geworden war, gewann er 1999 gegen Benjamin Netanjahu die Parlamentswahlen.

Was für eine Freude! Als die Ergebnisse im Radio verkündet wurden, gab es einen ungeheuren spontanen Ausbruch. Menschenmassen wurden von Gefühlen überwältigt und strömten auf dem Zentralplatz in Tel Aviv zusammen, auf dem Platz, auf dem Jitzchak Rabin vier Jahre zuvor ermordet worden war. Ich war dort, als Barak von der Tribüne herunter verkündete: „Jetzt bricht ein neuer Tag an!“

Die Freude war berechtigt. Jahre zuvor hatte Barak zum Journalisten Gideon Levy gesagt, dass er sich, wenn er ein junger Palästinenser gewesen wäre, einer terroristischen Organisation angeschlossen hätte. Das war ein neuer Geist.

Aber etwas ging schief. Präsident Bill Clinton lud zu einer Friedenskonferenz in Camp David ein. Dort sollten die drei, Clinton, Arafat und Barak, einer historischen Friedensvereinbarung ans Licht der Welt helfen.

Es geschah nicht. Anstatt dass Barak die Gesellschaft Arafats gesucht und die Probleme mit ihm unter vier Augen erörtert hätte, schloss er sich in sein Kämmerlein ein. Als Barak beim Abendessen der Platz zwischen Arafat und der Tochter des Präsidenten zugewiesen worden war, widmete er sich ausschließlich der jungen Frau.

Es stimmt, Barak bot in Camp David Bedingungen an, mit denen er sehr viel weiter ging, als frühere Ministerpräsidenten gegangen waren, aber sie blieben doch weit hinter dem Minimum zurück, das die Palästinenser akzeptieren konnten. Die Konferenz wurde ergebnislos abgebrochen.

Ein wahrer Staatsmann hätte wohl so etwas wie das Folgende erklärt: „Wir hatten einen fruchtbaren Meinungsaustausch. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn wir nach hundert Jahren des Konflikts beim ersten Anlauf eine Vereinbarung erreicht hätten. Wir werden weiter verhandeln, bis wir eine Einigung erzielen.’

Stattdessen sagte er etwas Unglaubliches: „Ich habe Zugeständnisse angeboten, die weit über alles hinausgingen, was Israel je zuvor angeboten hatte. Die Palästinenser haben alles abgelehnt. Sie wollen uns ins Meer werfen. Es gibt keine Chance für Frieden.“

Da das aus dem Mund des „Führers des Friedenslagers“ kam, wurde aus einem Versäumnis eine Katastrophe. Das israelische Friedenslager brach zusammen. Es hat sich seitdem nicht wieder erholt. Nach Barak übernahm Ariel Scharon, dann Ehud Olmert und ihm folgte Benjamin Netanjahu – dieser anscheinend für alle Zeiten.

WENN IN unseren Tagen ein gewöhnlicher Israeli gefragt wird: „Wer, meinst du, kann Bibi ersetzen?“, antwortet er fast automatisch: „Niemand!“ Der Wähler sieht weit und breit keinen möglichen Nachfolger, weder im Likud noch in der Opposition.

Männer und Frauen in der gegenwärtigen Regierung sind Nullen. Sie sind unbedeutende Politiker, die gut darin sind, Skandale auszulösen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken, aber in nicht vielem anderen. Wenn es im Likud jemals begabte Führer gegeben hat, wurden sie schon vor langer Zeit von Netanyahu beseitigt.

Die Hälfte der Israelis glaubt, „Bibi“ sei ein ausgezeichneter Führer. Und tatsächlich: Er sieht gut aus, ist ein sehr kluger Politiker und ein Hexenmeister der Public Relations. Im Ausland macht er einen guten Eindruck und im Inland wird er leidlich mit den Alltagsgeschäften fertig.

Das zutreffendste Urteil über Bibi fällte sein eigener Vater, der Geschichtsprofessor. Er sagte: „Bibi kann ein ausgezeichneter Außenminister sein. Aber er kann kein Ministerpräsident sein!“

Nichts könnte wahrer sein. Netanjahu hat alle Eigenschaften, die ein Außenminister haben sollte, aber er hat keine der Eigenschaften, die für einen Ministerpräsidenten unverzichtbar sind: Er hat keine Vision. Keine Antworten auf die historischen Probleme Israels. Nicht den Wunsch, Israels zahlreiche Spaltungen im Inneren zu überwinden. Viele Israelis können ihn nicht ausstehen.

Wer könnte ihn – wenigstens theoretisch – ersetzen?

DER POLITISCHE Bereich in Israel wirkt wie eine menschliche Wüste. Politiker erscheinen und verschwinden. Die Arbeitspartei (in ihren verschiedenen Gestalten) wechselt regelmäßig ihre Führer – wie Kleider. Der glanzvolle neue Junge Jair Lapid, der Schöpfer und einzige Chef der Es-gibt-eine-Zukunft-Partei verliert schnell seinen Glanz.

Wenn jemand kleinlaut fragt: „Wie wär’s denn … mit Ehud Barak?“, folgt Schweigen. Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort.

Seitdem Barak der Öffentlichkeit den Rücken gekehrt hat, ist er sehr reich geworden. Seine Hauptbeschäftigung besteht anscheinend darin, ausländische Regierungen zu beraten. Er wohnt im luxuriösesten Gebäude im Zentrum Tel Avivs. Hinter ihm steht keine politische Partei. Vielleicht wartet er auf die Berufung.

Kein Zweifel: Barak ist eine herausragende Persönlichkeit. Er ist für ein politisches Amt besser qualifiziert als jeder andere Politiker. Wenn nicht aus dem Nichts eine junge Führungspersönlichkeit auftaucht, ist Barak der Einzige, der es mit Netanjahu aufnehmen kann.

Aber es liegt ein mit Händen zu greifendes Zögern in der Luft. Er hat keine Anhängerschaft. Die Leute bewundern ihn, aber sie lieben ihn nicht. Er flößt kein Vertrauen ein, wie Rabin es tat. Er verachtet ganz offen Menschen, die weniger begabt sind als er – und das ist schlecht für einen Politiker.

Und dann gibt es die Liste seiner Misserfolge in der Vergangenheit.

Mephisto In Goethes Faust sagt von sich: „[Ich bin] ein Teil von jener Kraft,/ Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Umgekehrt ist Barak ein Erzengel, der stets das Gute will und stets das Schlechte schafft.

Da ist natürlich erst einmal Camp David. Und da war der Hass auf Jasser Arafat, den einzigen Palästinenser, der mit Israel hätte Frieden schließen können.

Und gerade Baraks Überlegenheit bereitet Probleme. Sie weckt Verdacht.

Eines der beiden schlimmsten Probleme Israels ist das tiefsitzende Gefühl der Einwanderer aus den arabischen Ländern, dass sie diskriminiert würden. (Das andere ist die Beziehung zwischen den Orthodoxen und den Atheisten.)

Als Barak Ministerpräsident war, tat er etwas Einmaliges: Im Namen der Regierung bat er die Misrachim um Vergebung für die Diskriminierung, die sie zu erleiden gehabt hätten. Irgendwie ging das unter. Niemand erinnert sich auch nur an die Geste. Den Misrachim erscheint Barak als der typische überhebliche Aschkenase.

Bibi Netanjahu wird im Gegensatz zu Barak von den meisten Misrachim angebetet, obwohl er so aschkenasisch ist und aussieht, wie einer nur sein und aussehen kann.

Warum? Gott weiß, warum.

WENN NUN die nächsten Wahlen kommen – würde ich Barak wählen?

Diese Gelegenheit würde ich nur bekommen, wenn Barak sich entschlösse, die Herausforderung anzunehmen, und wenn es ihm gelänge, alle Oppositionsparteien, die einander hassen, geschlossen hinter sich zu bringen. Aber das wäre eine Herkulesaufgabe.

Wenn das geschähe, würde ich die Empfehlung aussprechen, ihn zu wählen. Ehrlich gesagt, würde ich jeden zu wählen empfehlen, der Bibi im Ernst infrage stellt. Ich glaube, dass Bibi Israel in den Abgrund führt – in einen ewigen Krieg gegen die Palästinenser, einen Krieg, den niemand gewinnen kann.

WÜRDE ich Barak trotz seiner Vorgeschichte wählen? Schließlich können intelligente Menschen ja aus ihren Erfahrungen lernen (was allerdings nur wenige wirklich tun).

Ehud Barak ist ein sehr intelligenter Mensch.

(Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler)

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Die Spieler – im Internet

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Nach der Veröffentlichung privater Daten

2018-03-12 Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 19. Wahlperiode des Bundestages by Sandro Halank–013.jpg

von Tanja Tricarico

Hackerangriff, Datenklau, Doxing? Gesteuert aus einem Kinderzimmer in Hessen landen die Daten von mehr als tausend Menschen im Internet.

Fleißig ist er, akribisch. Nacht für Nacht sitzt er vor dem Rechner im Haus seiner Eltern. Und sammelt. Telefonnummern, Adressen, Bankdaten, E-Mail-Konten. Manchmal auch das Ping-Pong-Spiel von Nachrichten, veröffentlicht über WhatsApp. Ein kompliziertes Verfahren braucht er nicht. Ganz im Gegenteil, die Datensammelei ist ein Kinderspiel – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Rede ist von Johannes S., dem mutmaßlichen Verantwortlichen für einen der größten Datenklau-Skandale der letzten Jahre. Monatelang recherchiert er, bunkert Tausende Datensätze von über tausend Politiker*innen, Künstler*innen, Journalist*innen. Zum Beispiel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Grünen-Chef Robert Habeck, den Moderatoren Jan Böhmermann und Christian Ehring sowie von Rapper Materia und der Band K.I.Z.

Er sammelt Kontaktdaten wie Handynummern und Adressen, Chats mit Familienmitgliedern und Kreditkarteninformationen. Teilweise sind die Dokumente mehrere Jahre alt. Sie alle werden nach und nach veröffentlicht. Als Vorweihnachtsüberraschung in einem digitalen Adventskalender.

Es ist ein Spiel. Ein Spiel, das Durchhaltevermögen braucht. Der Gewinner wird mit „fame“ belohnt – wie es in der Szene heißt. Im aktuellen Datenklau-Skandal ist es ein 20-jähriger junger Mann aus Homburg in Hessen. Am vergangenen Sonntag war sich das Bundeskriminalamt absolut sicher, dass er am groß angelegten Datenklau, der nur wenige Tage zuvor ans Licht kam, maßgeblich beteiligt ist.

Selbstdarstellung und „Kinderkacke“

Zwar verschleierte der mutmaßliche Täter seine digitalen Spuren. Sein Fehler: Er schwieg nicht über seine Taten. Freimütig chattete er unter dem Namen God oder Orbit mit YouTubern und Bloggern. Er machte kein Geheimnis daraus, wie leicht es für ihn war, über Menschen, „über die er sich geärgert hat“, ein Datenprofil anzulegen und dieses dann im Netz für jeden und jede zugänglich preiszugeben.

Was bewegt einen 20-jährigen Heranwachsenden aus einer hessischen Kleinstadt zu solchen Straftaten, für die er mit mehreren Jahren Haft bestraft werden kann? „Ein Hacker ist er nicht“, sagt padeluun. Und der muss es wissen, schließlich ist er selber einer und setzt sich seit Jahren für den Schutz persönlicher Daten im Netz ein.

„Und wenn er doch Seiten oder Profile gehackt hat, ist er allenfalls ein Cracker. Einer, der Schaden verursacht hat.“ Das Verhalten des jungen Mannes hält padeluun für typisch männlich, für eine reine Selbstdarstellung und „Kinderkacke“. „Alles überall hinzukopieren ist kein guter Umgang mit Netzen und Daten.“

Der Netzaktivist unterscheidet zwischen mindestens zwei Szenen im digitalen Raum. Da gibt es diejenigen, die auf der „guten Seite“ stehen, Sicherheitslücken finden und schließen wollen. Und dann diejenigen, die Zerstreuung und Unterhaltung im Netz suchen, stundenlang YouTube-Videos schauen und machen, sich berieseln lassen und selbst für Berieselung sorgen. Zur letzteren Gruppe zählt padeluun den 20-Jährigen Hessen. Daten zu finden sei eine Frage guter Recherchearbeit, Zeit, guter Software und Glück.

„Wir sind gläsern im Netz“

Auch padeluun ist vom aktuellen Datenklau betroffen. Auf einer Liste, die über Indymedia veröffentlicht wurde, tauchen sowohl sein Name als auch die Namen von Bekannten auf – obschon falsch geschrieben –, inklusive kryptischer Adressinformationen. Rund 200 Namen erscheinen insgesamt auf dem Datensatz. „Zwar kann ich diese Liste nicht wirklich ernst nehmen, aber das Gefühl, dass wir darauf stehen, ist nicht gut“, sagt padeluun.

 Dieses Gefühl beschleicht alle, deren persönliche Informationen plötzlich auch dort erscheinen, wo sie eigentlich gar nicht hin sollen. „Wir sind gläsern im Netz. Jeder muss aufpassen, dass alles, was man tut, auch im digitalen Raum auftauchen kann und bleiben wird“, sagt Catarina Katzer. Die Sozialpsychologin spricht gar von einer verschwindenden Grenze zwischen Realität und Online-Welt. Das Gefühl, immer und überall Ziel einer Überwachung, Ausspähung und Cyber-Attacke sein zu können, verstärkt sich. Nicht nur über das Netz wird angegriffen, sondern schließlich auch im echten Leben.
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Grafikquellen     :

Oben      —         Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 19. Wahlperiode des Bundestages: Lars Klingbeil; Andrea Nahles; Olaf Scholz; Angela Merkel; Horst Seehofer; Alexander Dobrindt; Volker Kauder; Annegret Kramp-Karrenbauer; Andreas Scheuer

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DL – Tagesticker 13.01.19

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2019

Direkt eingeflogen mit unseren  Hubschrappschrap

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Auf den Clan-Veranstaltungen der politischen Parteien wurde die Polizei noch nie gesehen!

Null-Toleranz-Linie in NRW

1.) Nächtliche Großrazzia gegen Clankriminelle

Nach einer groß angelegten Razzia gegen Clankriminalität im Ruhrgebiet wollen die Sicherheitsbehörden heute Ergebnisse und Details des Einsatzes nennen. Etwa 1300 Polizisten hatten am Samstagabend zeitgleich unter anderem in Dortmund, Essen, Duisburg, Recklinghausen, Bochum und Gelsenkirchen zugeschlagen, um Shisha-Bars, Wettbüros, Cafés und Teestuben zu kontrollieren. In einigen Städten liefen die Durchsuchungen bis in die frühen Morgenstunden. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums handelte es sich um die größte Razzia gegen Clankriminalität in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Eine Bilanz des Einsatzes sollte es am Sonntagmittag geben.

ntv

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Ach nee – Was haben wir noch gestern unter 1.) – über Trump geschrieben? Hat Merkel ihren Kriechgang ausgeschaltet?

Gas aus Russland

2.) US-Botschafter Grenell schreibt Drohbriefe an deutsche Firmen

Der amerikanische Botschafter Richard Grenell hat laut einem Medienbericht mehreren deutschen Firmen gedroht, die am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt sind: Das könne „ein erhebliches Sanktionsrisiko nach sich ziehen“.

Spiegel-online

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Wie sagte mein Vater immer: „Junge, aus einen Pisspott kannste keinen Bräter machen, der stinkt immer!“ Wer sich einmal aus  staatlicher/parteiischer Ganoven Hand füttern läßt, wird auf Dauer verhungern !

CDU-Chefin

2.) Kramp-Karrenbauer zieht gegen Deutsche Umwelthilfe ins Feld

Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer attackiert die Deutsche Umwelthilfe (DUH). „Die Umwelthilfe stellt sich zurzeit vor allem selbst infrage, etwa mit der Ankündigung, gerichtlich gegen Feuerwerk an Silvester in Innenstädten vorzugehen“, sagte Kramp-Karrenbauer im Interview mit der WELT AM SONNTAG.

Welt

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Wir hören die Unken und sehen die Augen funkeln, wenn sie gemeinsam singen: „Wir wandern, wir wandern…..“ – Wer da singt? :  Vielleicht das Silwinger  – Sternen – Duo !

Ost-Parlamente im Visier

3.) AdP statt AfD: André Poggenburg gründet neue Partei

Der langjährige AfD-Spitzenpolitiker André Poggenburg ist aus der Partei ausgetreten und hat sofort eine neue gegründet. Nach tagelangen Gerüchten über Abspaltungsgedanken kehrte der 43-jährige Sachsen-Anhalter der Alternative für Deutschland „mit sofortiger Wirkung“ den Rücken, wie Poggenburg am Freitag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Stattdessen habe er mit gut einem Dutzend Mitstreitern den „Aufbruch deutscher Patrioten“ (AdP) gegründet. Die neue Poggenburg-Partei will bei den diesjährigen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg antreten.

NOZ

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Flucht vor Zwangsheirat  

4.) Geflohene Saudi-Araberin ist in Kanada eingetroffen

Die aus Angst vor ihrer Familie nach Thailand geflohene Saudi-Araberin Rahaf Mohammed al-Kunun ist in Kanada gelandet, wo sie Asyl erhält. Die 18-Jährige habe kurz nach 23 Uhr „lächelnd und fröhlich“ das Flugzeug Richtung Toronto bestiegen, sagte der Chef der thailändischen Einwanderungsbehörde, Surachate Hakparn, auf dem Flughafen von Bangkok.

T.-online

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No Chulz, no Cholz, no Nahles – jetzt geht es zurück zu Gabriel. Die Berg- und Tal-fahrt der SPD endet zum Schluss bei Schröder ?

Neuer Trend in der SPD:

5.) Zurück zu Sigmar Gabriel

Und plötzlich ist wieder alles wie früher. Sigmar Gabriel lehnt am Treppengeländer in der Lobby eines Osnabrücker Kongresshotels und redet über die Europawahl. Es ist der vergangene Dienstag, vor ihm stehen drei Journalisten, dann fünf, dann irgendwann ein Dutzend. Es lohnt sich, da wird gerade eine mögliche Wahlkampagne entworfen. „Die Menschen haben das Gefühl, dass nichts mehr in Ordnung ist.“ Wenn man es aber richtig mache, sagt Gabriel, dann könne Europa ein Ordnungsprinzip sein. „Darauf würde ich im Wahlkampf setzen.“

FR

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Ein  großes Armutszeugnis für dieses Land, das eine solche Tat überhaupt erwähnt werden muss !

Lkw-Fahrer blockiert Verkehr

6.) trotz Hupkonzert, um blindem Mann zu helfen

Timo Dürrwanger blockiert mit seinem Lkw eine Straße in Wassertrüdingen und steigt aus, um einem blinden Mann zu helfen. Andere Autofahrer fuhren einfach vorbei.  „Mir fiel die Kinnlade herunter“, sagt die Frau über den Moment, in dem sie sah, warum sich der Fahrer so verhielt.

Augsburger-Allgemeine

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Auf frischer Tat ertappt:

7.) Polizei nimmt orange gekleidete Mülldiebe fest

Dreister geht es wohl kaum: Die Berliner Polizei hat nach mehreren Hinweisen aus der Bevölkerung drei Männer festgenommen, die sich im Morgengrauen an den Mülltonnen hunderter Haushalte zu schaffen machten. Bei der Festnahme wurden rund 1,3 Tonnen gestohlener Haushaltsmüll sichergestellt, den die Täter in einem orangen Fluchtfahrzeug deponiert hatten.

Der Postillon

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Hinweise und Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquellen:      DL / privat – Wikimedia  Commons – cc-by-sa-3.

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