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Erstellt von Redaktion am 18. September 2018
Lehren aus der Lehman-Pleite
Von Suleika Reiners
Vor zehn Jahren brachte die Pleite der US-Bank die Finanzmärkte ins Straucheln. Diese sind nun größer den je – und sollten geschrumpft werden.
Zehn Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 sind die Finanzmärkte dominanter als je zuvor. Zwar hat es seitdem viele durch die G20 koordinierte Reformen gegeben. Doch die Finanzmärkte sind nach wie vor zu groß. Sie sind trotz Finanzkrise sogar weitergewachsen.
Allein in der Eurozone übersteigt das Finanzvermögen den Wert realer Güter und Dienste heute um mehr als das Fünfzehnfache. 2008 war es noch rund das Elffache und 2000 gut das Doppelte. Der Eigenhandel der Finanzinstitute untereinander überwiegt weit vor produktiven Investitionen. Auch Supermärkte und andere realwirtschaftliche Unternehmen erzielen ihre Gewinne verstärkt im Finanzhandel. Weil das Lohnwachstum hinter dem Wirtschaftswachstum zurückgeblieben ist, sind Finanzanlagen oft lukrativer als produktive Investitionen. Denn die rentieren sich nur bei kaufkräftiger Nachfrage.
Zum einen schafft ein solches Finanzsystem Risiken, statt realwirtschaftlich zu managen, was die eigentliche Aufgabe von Finanzinstituten ist. Zum anderen beeinträchtigt es unseren Alltag, indem es Lebensbereiche dem Renditestreben aussetzt. Gewinnorientierte Finanzierungen wie von Gesundheit, Mobilität und Wasserversorgung führen häufig zu Preiserhöhungen, Qualitätseinbußen und dem Ausschluss von Personen. So wurden, obwohl ökologisch und sozial sinnvoll, mit der Vorbereitung auf den Börsengang der Deutschen Bahn zuhauf Bahnhöfe in ländlichen Regionen geschlossen.
Das Wichtigste bleibt daher, die Finanzmärkte zu schrumpfen. Vielmehr ist die öffentliche und nicht renditeorientierte Finanzierung zu stärken. Das ist auch eine Grundvoraussetzung, um die Nachhaltigkeitsziele der UNO erreichbar zu machen. Angesichts der massiven Ungleichheit nicht nur von Einkommen, sondern auch Vermögen, wären Vermögensteuern eine geeignete Einnahmequelle, um öffentliche Investitionen zu finanzieren.
Das Mantra öffentlicher Sparpolitik ist jedoch allgegenwärtig. Es setzt sich fort, wenn es um die Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Klimaabkommen geht. Deren Finanzierung sei in erster Linie mit privaten Geldern zu stemmen, heißt es in zahlreichen Dokumenten und Reden. Die EU-Kommission hat dieses Jahr einen entsprechenden Aktionsplan vorgelegt: Braune Investitionen wie in Kohle sollen in grüne umgelenkt werden. Die Finanzbranche wirbt dazu für Steuererleichterungen und niedrige regulatorische Standards wie geringere Eigenkapitalanforderungen. Letzteres gibt es bereits unter dem Vorwand, Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen zu fördern – ohne positive Wirkung. Derlei Geschenke an den Finanzsektor wären ein Schritt zulasten von Finanzmarktstabilität im Namen von Grün. Nachhaltigkeit erfordert in erster Linie, private Gelder zu öffentlichen umzulenken.
Es ist ein – später – Erfolg, dass nach der Lehman-Pleite neue Institutionen wie eine europäische Finanzaufsicht und international koordinierte Reformen entstanden sind. Schwerwiegende Finanzkrisen sind bereits seit den 1970ern, als der Regulierungsabbau begonnen hatte, vermehrt aufgetreten. Dazu zählt die Asienkrise von 1997. Doch jetzt waren erstmals die USA und die EU in bisher unbekanntem Ausmaß betroffen.
Ein Kernelement der G20-Reformen sind neue Eigenkapitalstandards für Banken. Sogar Länder über die G20 hinaus wie Malaysia haben sie umgesetzt. Mangelndes Eigenkapital war mit ein Hauptgrund für die Krise gewesen, da Banken Verluste nicht abfangen konnten. Unter anderem müssen Banken ihr Gesamtgeschäft nun zu mindestens 3 Prozent aus Eigenkapital finanzieren. Die übrigen 97 Prozent dürfen auf Pump sein. Dieser Verschuldungsgrad ist weiterhin viel zu hoch. Bis zu den 1970ern, als das Management von Banken meist persönlich haftete, war mit 20 Prozent deutlich mehr Eigenkapital gängig. Heute sperren Banken sich dagegen: Schließlich sind die Boni an die Eigenkapitalrendite geknüpft – und die ist umso höher, je stärker Banken sich mit Kredit finanzieren. Die Bank of England und andere Studien empfehlen wie bewährt 20 Prozent Eigenkapital.
Nachholbedarf besteht ebenfalls bei Schattenbanken – Fonds wie Investmentfonds, Hedgefonds und Private-Equity-Fonds. Seit der Krise gibt es zwar Berichtspflichten. Eigenkapitalerhöhungen kann die Finanzaufsicht aber nur im Einzelfall verordnen. Ausreichend Eigenkapital ist jedoch ebenso für die rasant gewachsenen Schattenbanken nötig. Zudem fördert die hohe Verschuldung im Finanzsektor keine produktiven Investitionen, sondern schädliche Wertpapier- und Immobilienblasen.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Oben — Lehman Brothers Rockefeller centre
Quelle | David Shankbone |
Urheber | David Shankbone |
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Unten — w:Lehman Brothers headquarters in New York City
Source | Lehman Brothers Headquarters on Bankruptcy Day |
Author | Robert Scoble |
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