Keine Hilfe für Traumatisierte und Durchsuchungen in der Nacht. Eine ehemalige Asylverfahrensberaterin spricht über die Zustände in einem Flüchtlingszentrum.
Svenja Haberecht arbeitete gut zwei Jahre lang als Asylverfahrensberaterin für geflüchtete Menschen in der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Oerlinghausen, einem der fünf „Ausreisezentren“ in Nordrhein-Westfalen. Anfang März waren dort 348 Geflüchtete aus dem Westbalkan sowie aus Georgien, Somalia, Indien und Pakistan untergebracht, davon 200 mit „geringer Bleibeperspektive“ sowie 120 Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre. Haberecht war bei der „Flüchtlingshilfe Lippe e. V.“ im Rahmen einer landesgeförderten Stelle beschäftigt. Anfang Januar wurde der 35-Jährigen die weitere Mitarbeit untersagt, weil sie Missstände in der ZUE öffentlich kritisiert hatte. Einer weiteren Mitarbeiterin wurde ebenfalls die Fortführung der Arbeit untersagt. Der Verein entschied sich daraufhin, die Arbeit in der ZUE zu beenden.
taz: Frau Haberecht, warum wurde Ihnen die Weiterarbeit untersagt?
Svenja Haberecht: Ich durfte in der ZUE Oerlinghausen sowie in allen Landeseinrichtungen nicht weiterarbeiten aufgrund des Vorwurfs der „Illoyalität“ gegenüber der Landesregierung. Dabei bin ich nicht beim Land angestellt; vielmehr habe ich den Auftrag, meine KlientInnen zu beraten und ihnen zu ihrem Recht zu verhelfen. Über Monate hatten meine KollegInnen und ich Beschwerden über Missstände weitergeleitet. Anstelle von Lösungen wurde die Unterbringungssituation jedoch immer restriktiver. Daher meine Kritik, die Einrichtung würde mehr und mehr einen Gefängnischarakter annehmen.
Worüber haben sich die Geflüchteten beschwert?
Über die medizinische Versorgung, die Versorgung mit Essen und Kleidung, die hygienischen Verhältnisse. Als die BewohnerInnen erfuhren, dass wir aufhören werden, dort zu arbeiten, stellten sie eine Petition an das Land, in der sie die vielen ungelösten Beschwerden in 11 Forderungen formulierten: Die Flüchtlingshilfe Lippe soll bleiben, die Ärzte sollen gehen, keine Abschiebungen aus der Einrichtung, keine ständige Polizeipräsenz, Zugang zu Schulen für Kinder, Arbeitserlaubnis nach drei Monaten, psychologische Versorgung, besseren Zugang zu Ärzten, Zuweisungen nach maximal sechs Monaten, gesundes Essen und saubere Räume, maximal vier Personen auf einem Zimmer.
Besucher sind zum Beispiel in der ZUE nicht erlaubt. Die Bewohner können sie nur draußen, außerhalb der ZUE treffen. Sie fühlten sich „wie im Gefängnis“ sagten sie uns. Nachts leuchte Flutlicht auf dem Terrain und es gebe Videoüberwachung. Tagsüber patrouillierten Polizeiwagen über das Gelände. Dazu kämen Kontrollen. „Sicherheitskräfte“ und ZUE-Mitarbeiter untersuchten zwei Mal täglich die Zimmer.
Wie sind die Asylbewerber untergebracht?
Die ZUE war früher eine Suchtklinik für 120 PatientInnen, die Menschen leben zu bis zu zehn Personen in den ehemaligen Krankenzimmern. Viele sagten, es sei zu eng, sie hätten keinerlei Privatsphäre. Sie haben auch über „extrem dreckige“ Sanitärräume berichtet. Kranke und Eltern mit kleinen Kindern hätten Angst vor einer Infizierung, wenn sie die Räume benutzen. Einige haben mir Fotos von den Toiletten gezeigt: wirklich sehr schmutzig.
Alle klagten, es gebe zu wenige Angebote für die langen „Freizeiten“. Die sind für sie ja eigentlich zermürbende Wartezeit. Viele haben sich darüber aufgeregt, dass es in der ganzen Einrichtung nur einen einzigen Fernsehapparat gebe. Mit dem immer selben Programm. Sie könnten kein Programm auswählen. Im Winter fehlten auch manchen warme Kleidung. Die muss der Träger der ZUE, das Deutsche Rote Kreuz, beschaffen. In den ZUEs gilt ja das „Sachleistungsprinzip“.
Haben Sie die Beschwerden der BewohnerInnen überprüft?
Nein, das konnte ich nicht. Ich durfte mich in der Einrichtung nicht frei bewegen, nicht herumlaufen. Das habe ich sogar schriftlich. Laut einer Anweisung der Bezirksregierung Arnsberg darf ich nicht „aufsuchend“ beraten. Arnsberg ist für die Aufsicht sämtlicher ZUE in NRW zuständig.
Der Träger, das DRK, hat in vielen Fällen entweder verzögert oder gar nicht auf unsere Meldungen reagiert. Auch die ausführende Behörde, die Bezirksregierung Detmold, ließ viele Beschwerden über lange Zeit ungelöst. Viele Beschwerden zogen sich so lange hin, bis die Personen verlegt oder abgeschoben wurden.
Wie ergeht es den Kindern in der ZUE Oerlinghausen?
Sie leiden unter zu wenig Beschäftigung und unter der Grundstimmung im Lager. Die ist von Angst und Frustration geprägt. Besonders stressig sind für die Kinder, aber auch für psychisch labile Personen, die nächtlichen Abschiebungen. Dann suchen Polizisten die Zimmer nach verstecken Personen ab. Das beschreiben vor allem psychisch Kranke und Eltern kleiner Kinder als unerträglich. Davon waren sehr, sehr viele extrem belastet.
Sie waren Verfahrensberaterin. Konnten Sie den Asylbewerbern helfen?
Das Orginalfoto steht im Orginalartikel ! Das Heim wird geleitet vom DRK ! Sollten wir immer daran denken, wenn bei uns das nächstemal um Spenden angefragt wird !
Weltweit militärische Aufmärsche, irrwitzige Aufrüstung, Festungsbau, grössenwahnsinnige Autokraten sowie rücksichtslose Machtkämpfe und Krieg.
Eine Ahnung, dass da was im Gange ist, beschleicht uns. Die EU beginnt mit dem Aufbau einer eigenständigen Militärstruktur, Trump setzt auf eine offensive Konfrontation mit dem Regime in Teheran, der saudische Kronprinz entdeckt seine Grossmachtambitionen und lässt bomben, wo er nur bomben lassen kann.
In Irak und Syrien mischen alle mit, kämpfen Bundesgenossen gegeneinander. Zerschlägt sich jede Hoffnung auf einen Zustand, den man Frieden nennen könnte? Stehen wir vor einer Ära entgrenzter globaler Kriege?
Die Entwicklung der NATO könnte Anhaltspunkte für eine Einschätzung bieten. Wir wollen schlaglichtartig aktuelle Entwicklungen beleuchten und versuchen, diese politisch einzuordnen. Es ist ja viel in den Medien darüber geschrieben worden, was das trump‘sche Meinungskarussel für die NATO bedeutet. Zumindest dies halten wir für sicher: Widersprüche werden offen und die allgemeine Lage wird instabil bis dynamisch katastrophisch.
Der NATO-Gipfel im Mai hat deutlich gemacht, wie gross die strategischen Differenzen der beteiligten Staaten mittlerweile sind. Und sie lassen sich nicht mehr, wie in den letzten Jahren, durch das Behaupten gemeinsamer „Werte“ übertünchen. Unter Donald Trump ticken die Uhren anders. So wurden Ende Mai nur alte Aufrüstungsversprechen aufgefrischt und eine allgemeine Verpflichtungserklärung der NATO zum Kampf gegen Daesch (IS) abgegeben, damit mehr Awacs-Überwachungsflugzeuge der NATO eingesetzt werden können. Das ist nicht viel.
Übrig bleibt trotz politischer Differenzen über den Umgang mit Russland das gemeinsame Interesse an der militärischen Einkreisung der Russischen Föderation.
In der EU wird mittlerweile sehr offen über die Stärkung eigener militärische Strukturen geredet, die sich unabhängig von den Launen und Interessen der USA machen sollen. In rasantem Tempo werden europäische Militärstrukturen aufgebaut. Die EU hat im Mai die Schaffung eines eigenen militärischen Hauptquartiers beschlossen (obwohl die NATO gerade ein zusätzliches europäisches Hauptquartier wegen der angeblichen russischen Bedrohung beschloss). Nur wegen britischen Drängens wurde ihm keine strategische Planungskompetenz zugestanden. Aber diese Einschränkung ist durch den Brexit obsolet geworden. Zudem wird aktuell ein europäisches militärisches Beschaffungswesen aufgebaut. Mitte November wurde auch der Startschuss für die langfristige militärisch-strategische Planungszusammenarbeit in der EU gegeben. Was offiziell nicht in Konkurrenz zur NATO stehen soll, ist wahrscheinlich ein erster Schritt zur Loslösung von ihr. Zumindest ein erster Schritt, um unabhängiger von den Strukturen der USA zu werden, denen man in Europa politisch nicht mehr so recht traut – nur auf ihre militärischen Fähigkeiten will und kann man vorerst nicht verzichten.
Wo die NATO in Europa bisher das militärische Feld bespielte, muss sie nun mit der EU als eigenständigem Akteur kooperieren.
Die letzte Gesamtstrategie veröffentlichte die NATO auf ihrem Gipfel 2010. Ein Jahr nach den militanten Auseinandersetzungen in Strassburg. Seit dem wurde der sogenannte Arabische Frühling zwischen Diktatur und Bürgerkrieg ins Elend gerissen, in der Ukraine grummelt seit Jahren ein Stellvertreterkrieg, in Syrien und dem Irak treiben die Schlächter des islamistischen Kalifats und die Schergen Assads ihr Unwesen, die Briten verlassen die EU, in der Türkei schwingt sich Präsident Erdogan zum Alleinherrscher auf, in den USA regiert ein egomanischer Milliardär mit ultranationalistischen Weltuntergangspropheten im Umfeld und in Afghanistan geht der längste Krieg der Geschichte des NATO-Mitglieds USA ins 16. Jahr.
Ziehen die NATO-Staaten angesichts dieser Entwicklungen an einem Strang?
Wohin steuert das grösste Militärbündnis der Welt? Wir denken, es schlingert. Aber wir sehen leider wenig Grund für antimilitaristischen Optimismus. Im Gegenteil.
Aufrüstung der NATO gegen Russland
Seit den Auseinandersetzungen mit Russland um die Vorherrschaft in der Ukraine stehen die nach 1990 aus der Mode gekommenen Zahlenspiele der konventionellen Kriegsführung wieder auf der Tagesordnung. „Wenn Russland X aktive Soldaten im westlichen Grenzgebiet stationiert hat braucht die NATO Y entsprechende Einheiten und Verbände in ihrem Osten“. Es werden also wieder Panzer gezählt – weil ein Krieg dieser Form nicht mehr undenkbar scheint!
So beschlossen die NATO-Staaten bei ihrem Gipfel 2014 in Wales eine massive Aufrüstung der Ostflanke zwischen Baltikum und Ungarn. Seit dem wurden schnelle Einsatzgruppen und Panzerverbände zusammengestellt und Kampfverbände aus den westlichen NATO-Staaten in Länder verlegt, die eine Grenze zu Russland haben.
Die militärische Umzingelung der Russischen Föderation ist zwar schon länger im Gange, erlebt aber durch den jetzigen Truppenaufmarsch eine neue Dimension. Auch den Krieg in der Ukraine sehen wir als Ergebnis dieser Einkreisungspolitik der NATO-Staaten (dass Russland ebenso offensiv seine Interessen durchzusetzen weiss, bezweifeln wir nicht).
Obwohl sich in der Phase der Absetzung von Janukovich die US-Administration und das deutsche Aussenministerium in ihren Bemühungen, ihren jeweiligen Kandidaten als neuen ukrainischen Präsidenten aufzubauen, beharkten, wurden in der aufziehenden Konfrontation in der Ostukraine, mit Russland als gemeinsamem Feindbild, die Reihen in kürzester Zeit geschlossen.
Noch einigt das Schliessen der Reihen gegen Russland die NATO-Staaten. Nur die Position der türkischen Regierung ist wechselhaft. Eben noch verfeindet wegen des Abschusses eines russischen Kampfjets durch die türkische Armee, liegen sich Putin und Erdogan wieder in den Armen und beschwören ihre Freundschaft.
Ein tatsächlich gemeinsames Verhalten aller NATO-Staaten gegenüber Russland gibt es also nicht. Vielleicht ist die Aufrüstungsoffensive gegen Russland das letzte In-Stellung-Bringen der alten Gemeinsamkeiten. Dann würden diese als Fundament nicht mehr lange tragen.
Unübersehbar ist: Auch das alte „Wertekonstrukt“ des Westens trägt nicht mehr, die Interessenunterschiede und die unterschiedlichen Strategien der NATO-Staaten in Bezug auf die weltweiten Konflikte werden überall sichtbar.
Nicht zuletzt durch Merkels Äusserungen über die Unzuverlässigkeit der USA und die Bedeutung eigenständigen (auch militärischen) Handelns durch die EU-Staaten.
Widersprüche und Einflusssphären abseits der russischen Grenze
Abseits der Konfrontation in der direkten Grenzzone zwischen NATO und Russland fallen die Interessen der einzelnen NATO-Staaten teils weit auseinander.
Das von Obama und Clinton ausgerufene pazifische Zeitalter der USA sah eine Aufteilung der globalen Ausrichtung der NATO vor, in der sich die USA primär auf die Auseinandersetzungen im Pazifik und dort im Besonderen mit China konzentrieren und der EU bzw. den europäischen NATO-Staaten schrittweise die Federführung in Europa und dem Mittelmeerraum übergeben.
Diese globale NATO sehen wir (zum Glück) nicht mehr als handlungsfähigen Akteur.
Die aktuelle Konfrontation der USA mit Nordkorea und die auch militärischen Drohgebärden gegen China stellen keinen völligen Widerspruch zu den Strategien der letzten US-Administrationen dar. Die jetzige setzt nur verstärkt auf die kriegerische Drohung und weniger auf Handelsabkommen, um amerikanische Interessen durchzusetzen. Die Pläne zur Aufrüstung der US-Truppen in Afghanistan, dem Irak und Syrien stehen dagegen nicht nur im Widerspruch zu Trumps Wahlversprechen, sondern auch zur Strategie der Vorgängerregierung und zu der der meisten NATO-Staaten.
USA-China
Während die EU-Mitglieder unter den NATO-Staaten hauptsächlich gen Russland und Nordafrika blicken, fokussiert sich die US-Führung seit Clinton militärpolitisch auf China und den pazifischen Raum. Unter Obama wurde eine doppelte Strategie zur Durchsetzung us-amerikanischer Interessen gefahren. Auf der ökonomischen Ebene wurde versucht, den Grossteil der Pazifikstaaten in einem Freihandelsabkommen gegen China zusammenzuschweissen. Auf der militärischen Seite wurde stark aufgerüstet und die militärische Präsenz im Südchinesischen Meer erhöht. Trump schmiss das Handelsabkommen mit Amtsantritt in die Tonne und setzt fast ausschliesslich auf die Drohung mit der militärische Konfrontation. So will die us-amerikanische Administration zusammen mit Japan und Südkorea verhindern, dass China sein Einflussgebiet weiter nach Süd-Westen ausweitet und seinen wirtschaftlichen Grossmachtambitionen eine militärische Absicherung hinzufügt.
Auch die ständigen amerikanischen Drohgebärden gegen Nordkorea dürften vor alle eine Machtdemonstration gegenüber China sein, das in einem Dilemma steckt. Schliesslich hat die KP-China auch kein Interesse an Nordkoreanischen Atomraketen. Wird ein Krieg, vielleicht ein Atomkrieg, dadurch wahrscheinlicher? Wir denken ja. Nicht dass eine der beteiligten Regierungen einen Atomkrieg will – aber hochgerüstete geopolitische Machtkämpfe, die von egomanischen Autokraten angeführt werden, können schnell eine eigene Eskalationsdynamik bekommen. Das gilt erst recht angesichts der massiven Aufrüstung in China, Russland, Indien, Pakistan, Südkorea und den USA. Und die USA drohen immer mal wieder mit einem militärischen Alleingang gegen das nordkoreanische Regime.
(Es scheint offensichtlich, dass dieses niemals auf die Idee käme, die USA anzugreifen. Alle Behauptungen in diese Richtungen sind Propaganda. Nordkoreas Atomprogramm stellt eine Versicherung gegen einen US-Angriff dar.) Niemand sollte daran zweifeln, dass die Trump-Regierung kriegswillig ist. Trumps Freund und ehemaliger Chef-Stratege Brannon schwärmte vor wenigen Jahren noch von der Notwendigkeit eines grossen reinigenden Krieges im Pazifik, der die Vorherrschaft der arischen Rasse wieder herstellen solle. Er prognostizierte ihn in 5 bis 10 Jahren.
Wir halten sogar ein Szenario für möglich, in dem die chinesische Führung einen Angriff der USA auf Nordkorea zulässt. Nämlich wenn hunderttausende Tote der akzeptierte Preis für einen strategischen Machtzuwachs und die völlige Diskreditierung der amerikanischen pazifischen Ansprüche sein würden. Die USA würden keine strategischen Partner mehr finden, wenn sie Südkorea in einen zerstörerischen Krieg verwickelten. China würde seinen auf dem diesjährigen Parteitag formulierten globalen Führungsanspruch geltend machen und die USA ausbooten.
Was machen die NATO-Staaten der EU? Sie setzen in Asien vor allem auf Handelsabkommen, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Befürwortung einer militärischen Konfrontation mit China scheint zur Zeit ausgeschlossen. Ein us-amerikanischer Angriff auf Nordkorea würde jedoch Reaktionen und also einen NATO-Bündnisfall auslösen können. Ein solches Szenario könnte die NATO vor eine Zerreissprobe stellen.
Die Rolle der Türkei
Die Türkei gehört zu keinem der beiden grossen Blöcke in der NATO und ist trotzdem ein wichtiger Player im Militärbündnis. Sie hat als geostrategisches Bollwerk Richtung Südosten schon immer eine Sonderrolle.
Wir sind uns aber nicht sicher, ob die Türkei mittelfristig Teil der NATO bleiben wird. Auch in NATO-Papieren wird die Bündnistreue der Türkei in Frage gestellt. Zu offen bändelt Erdogan mit Putin an. So hat das türkische Militär russische Luftabwehrsysteme gekauft und keine amerikanischen. Die Syrienpolitik bestimmt die Türkei aktuell zusammen mit Russland und dem Iran – nicht mit den USA oder den europäischen Staaten.
Aufgrund einer eigenständigen Beziehung zu Russland beteiligt sich die Türkei nicht aktiv an den Truppenkontingenten der NATO-Ostflanke. Beim grossen NATO-Manöver 2017, bei dem ein gleichzeitiger Krieg mit Russland, dem IS und inneren Aufständischen geübt wurde, wurde (aus Versehen?) ein „russischer“ Cyberkrieger mit dem Namen Erdogan ausgestattet, worauf der empörte echte türkische Krieger im November die Mitgliedschaft in der NATO offen in Frage stellte.
Auch hält sich die These, dass während des Putschversuchs 2016 diejenigen türkischen Militärs, die im Rahmen der NATO ausgebildet und eingesetzt wurden auf den Verhaftungslisten landeten, um die durch die NATO zu stark beeinflussten Teile im Militär zu schwächen und damit einerseits die Macht der AKP im Militär zu stärken und andererseits der Option auf eine neue Verbindung zu Russland starke Gegenspieler zu nehmen.
Nicht ohne Grund haben im Mai 2017 die ersten türkischen NATO-Militärs und ihre Familien in Deutschland politisches Asyl bekommen.
Syrien
Die Uneinigkeit der NATO insgesamt und die Sonderrolle der Türkei im Speziellen zeigen sich auf dem Kriegsschauplatz in Syrien am deutlichsten. Während alle sich offiziell auf einen Krieg gegen den IS als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen konnten – formal ist die NATO seit dem Gipfeltreffen in Brüssel (Mai 2017) auch als Bündnis dabei – sehen die jeweiligen Handlungen sehr unterschiedlich aus und widersprechen sich teils elementar.
Die USA führen eine Militärallianz unter Beteiligung von Grossbritannien und Frankreich an, die v.a. mit Luftschlägen, aber auch mit Spezialeinheiten am Boden gegen den IS vorgeht. Komponenten der NATO werden allerdings u.a. wegen Vorbehalten aus Deutschland „nur“ zur Aufklärung (AWACS und Tornados) eingesetzt.
Die BRD setzt v.a. auf Ausrüstung und Ausbildung der Truppen der kurdischen Autonomieregierung im Nordirak (Peschmerga), auch um dem Vorwurf des Nichts-Tuns zu entgehen. Damit agiert sie im Widerspruch zum türkischen Interesse, keine autonome kurdische Region im Nordirak zuzulassen. Dieses Begehren hat der irakische Staat in Zusammenarbeit mit der Türkei und dem Iran ja bereits diesen Herbst kriegerisch gestoppt. Der NATO-Staat Türkei zusammen mit dem Iran? Ja, auch wenn offiziell die irakische Armee Teile der autonomen kurdischen Provinz eroberten. Hohe Offiziere der iranischen Revolutionsgarden trafen sich zuvor mit türkischen Armeevertretern – was wiederum die saudische Diktatorenclique erzürnte, mit denen das NATO-Land USA aufs Engste verbündet ist.
Die USA setzen in Nordsyrien zudem auf die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ und gehen damit auf direkten Konfrontationskurs mit der Türkei, die mittlerweile auch mit Bodentruppen und Luftangriffen in Syrien versucht, ein Zusammenwachsen der kurdischen Autonomiegebiete an ihrer Südgrenze zu verhindern – auch zu Gunsten islamistischer Kräfte.
Im Kampf um die IS-Hochburg Raqqa gab es heftigen Streit zwischen der Türkei und den USA, weil Trump Waffenlieferungen an die YPG durchgesetzt hat. Und nur durch hektische diplomatische Aushandlungen konnte verhindert werden, dass YPG-Einheiten mit Unterstützung von US-Spezialkräften rund um den Euphrat in eine direkte militärische Konfrontation mit türkischen Truppen kamen. Die YPG wurde zum Rückzug gezwungen. Wie bereits häufig in der Geschichte liessen Verbündete, in diesem Fall die USA, die Kurden dann doch lieber fallen, oder bremsten ihre vorherigen Kampfgefährt_innen zumindest massiv aus, um den NATO-Partner Türkei nicht vollends zu vergraulen.
So kommt es in Syrien nicht nur zu einer Konfrontation diverser NATO-Staaten mit Russland und dem Iran. Auch innerhalb der NATO treten massive Spannungen auf, die eine gemeinsame Syrienstrategie mehr als unwahrscheinlich erscheinen lassen.
Die Unterstützung unterschiedlicher Kriegsparteien und die verschiedenen strategischen Ansätze innerhalb der EU-Staaten führen zu Spannungen innerhalb der NATO. Die politischen Reibungen lassen kein gemeinsames militärisches Handeln zu.
Mittelmeer und Nordafrika – EU versus NATO
Die EU hat neben den ehemaligen Sowjetstaaten an der westlichen Russischen Peripherie auch das Mittelmeer und seine Anrainerstaaten (Mittelmeerunion) in der sogenannten Nachbarschaftspolitik hochoffiziell und formal zu ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einflusszone erklärt; das Mittelmeer ist seit 9/11 unter unmittelbarer militärischer Kontrolle durch NATO und EU.
Über die offen definierten Einflussbereiche hinaus ist die EU bzw. einzelne EU-Staaten auch in der gesamten nördlichen Hälfte des afrikanischen Kontinents aktiv. So ist die Sahelregion bereits seit längerem mit Militärinterventionen Frankreichs und der EU konfrontiert.
In Mali versuchen sich die EU-Militärs, vor Ort unter Führung Frankreichs, neu zu sortieren. Der Einsatz soll aber nicht nur Weichen für diesen konkreten Konflikt stellen, sondern auch ausdrücklich als Testfeld für Militärkooperationen innerhalb der EU dienen.
Aber auch in Mali treten massive Widersprüche zwischen den Alliierten auf. Frankreich setzt auf andere kämpfende Verbündete vor Ort als die UN-Mission, an der sich Deutschland massiv beteiligt.
Nach dem Einflusszonenregime der EU gehört auch Syrien formal zu deren Einflussgebiet. Die Mitgliedschaft in der Mittelmeerunion wurde aber seit dem beginnenden Bürgerkrieg ausgesetzt. Dass die NATO-Staaten in Syrien nicht an einem Strang ziehen, haben wir oben schon gesehen. Hinzu kommt, dass auch die von den USA formulierten Interessen im nördlichen Afrika denen Frankreichs teils entgegenlaufen.
Zu welchen Wettrennen um die besten Plätze es bei den kolonialen Kontrollversuchen in Afrika kommt, zeigt sich in Djibuti. Dort gelingt keine Aufteilung imperialer Interessengebiete durch die militärisch Verbündeten. In dem kleinen Staat an der Meerenge zwischen Rotem Meer und Golf von Aden, von wo aus eine gewisse Kontrolle über der südöstlichen Zugang zum Mittelmeer ausgeübt werden kann, unterhalten sowohl die USA, als auch Grossbritannien, Frankreich und Italien, neben Japan und China, je eigenständige Militärbasen um ihren jeweiligen Machtanspruch abzusichern.
Verhältnis zum Iran
Die USA setzen auf eine offensive Konfrontation mit dem Regime in Teheran. Saudi-Arabien, neben Israel die grösste regionale Gegenmacht Irans, rüstet mit Hilfe der USA massiv auf. Unverhohlen wird nahezu wöchentlich mit Krieg gedroht. Die verbündeten Emirate isolieren Katar, weil es Beziehungen zum Iran unterhält. Im Jemen wird ein Stellvertreterkrieg geführt, der hunderttausende mit dem Tode bedroht. Die USA unterstützen und forcieren diese Entwicklung.
Die EU-Staaten hingegen sehen ihre Hoffnungen auf regen Handel mit dem Iran gefährdet. Nach dem Ende der Sanktionen investieren v.a. Frankreich und Deutschland viel Mühe in die neuen Absatzmärkte. Eine militärische Konfrontation stünde gegen das Interesse der NATO-EU-Staaten.
NATO nicht gesamtstrategiefähig
Aus der Beschreibung der Situation in Syrien, aber auch aus den anderen Beispielen erscheint uns klar, dass ausser im Bezug auf die unmittelbare Grenze der NATO zu Russland in keiner Region und keinem Kriegsgebiet mit einer einheitlichen Gesamtstrategie agiert wird. Eine konsistente und detaillierte Globalstrategie der NATO scheint daher aktuell undenkbar.
Bereits während des Kalten Krieges gab es durchaus heftige Auseinandersetzungen und Interessenkonflikte innerhalb der NATO, die u.a. zum zeitweisen Rückzug Frankreichs aus der militärischen Komponenten des Bündnisses führten.
Die aktuellen Widersprüche scheinen allerdings das Potenzial zu haben, weit drüber hinaus zu wachsen.
Die Regierungen Trump und Erdogan zum Beispiel, wollen sich nicht mehr auf die seit Jahrzehnten erprobten kleinteiligen Aushandlungsprozesse innerhalb des Apparates einlassen, sondern stellen den Anspruch, von oben zu führen. Damit erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit für politische Konfrontationen innerhalb der NATO.
Die NATO gerät dadurch leider noch nicht Gefahr. Ernsthafte Zerfallsprozesse haben noch nicht begonnen. Die internen Spannungen nehmen aber zu.
Versuche der verstärkten militärischen Zusammenarbeit innerhalb der EU, bis hin zu einer gemeinsamen EU-Armee, die v.a. von Deutschland, Frankreich und dem EU-Apparat in Brüssel vorangetrieben werden, wurden bis jetzt von Grossbritannien ausgebremst.
Aber auch nach dem Brexit-Referendum setzen viele östlichen EU-Staaten (Polen, Ungarn, Lettland, Litauen, Estland ) eher weiter auf die USA und die NATO als „Schutzmacht“ gegenüber Russland und stehen damit einer eigenständigen Militärmacht EU mit eigenem Hauptquartier in Brüssel und gemeinsamen Militärkomponenten skeptisch gegenüber, während Frankreich und Deutschland, (sowie die BeNeLux Staaten, Italien und Spanien) voll darauf setzen.
Zur Zeit sind die EU-Staaten nicht in der Lage eine militärische Alternative zur NATO herzustellen, obwohl die jüngst von 25 der 28 EU-Staaten beschlossene strategische militärische Planungszusammenarbeit einen eindeutigen Schritt in diese Richtung darstellt. Das wird von deutsche Kriegsministerium auch so gewertet.
Schritt für Schritt zu neuen globalen Kriegen?
Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen. Aber…
Den Versuch der USA, zum globalen militärischen Hegemon zu werden, kann man als gescheitert ansehen, auch wenn das US-Militär technologisch anderen Jahrzehnte voraus sein mag. Die Kriegseinsätze in Libyen, Afghanistan, Irak und Syrien zeigen, dass es nicht allmächtig ist. Andererseits halten wir die Kriegsdrohungen gegen Iran und Nordkorea nicht für eine Show. Insgesamt rüsten die USA deren Gegner zur Zeit für Billionen (!) Dollar mit neuem Kriegsgerät aus.
In dem konfrontativen Verhältnis zu Russland ist keine Entspannung in Sicht. Im Gegenteil. Militärische Optionen scheinen wieder gedacht zu werden (der Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes (Auslandsgeheimdienst) drängte im November, die militärischen Fähigkeiten gegen Russland müssten ausgebaut werden).
Russland, Saudi-Arabien, Iran, China, Indien und Pakistan entwickeln offen Grossmachtsambitionen, rüsten extrem auf und modernisieren ihre Armeen.
Diese massive Aufrüstung, protektionistische, völkischnationalistische Regierungen und Bewegungen in einigen EU-Staaten und den USA, unklare Machtverhältnisse, sowie die globale Tendenz zur patriarchalen Autokratie lassen globale kriegerische Auseinandersetzungen wahrscheinlicher werden. Dies mit Verweis auf die wirtschaftlichen Verflechtungen von der Hand zu weisen, erscheint uns ahistorisch. Einzig in der Situation der bipolaren Blockkonfrontation des 20. Jahrhunderts hat sich die militärische Hochrüstung Stellvertreterkriege geleistet, ohne dass die Protagonisten sich direkt angriffen. Nun gibt es aber viele Machtzentren und manch angeschlagenen Hegemon. Das erhöht das Risiko militärischer Eigendynamiken.
Ebenso die Ideologisierung der US-Politik durch die rassistische, stramm rechte Regierung. Wenn diese, ob mit oder ohne Trump, an der Macht bleibt, wird es in den kommenden Jahren zu globalisierten Kriegen kommen. „America first“ wurde als Parole des Protektionismus missverstanden. In Wirklichkeit entpuppt sie sich als Schlachtruf eines aggressiven, militaristischen Grössenwahns.
Zumindest erwähnen müssen wir noch die Folgen des Klimawandels. Wir (und sicher auch alle Regierungen) gehen davon aus, dass dieser nicht zu stoppen ist und zu grossen Fluchtbewegungen, Hunger- und Durstkrisen, ökologischer Zerstörung, globalen ökonomischen Brüchen, militarisierten Verhältnissen und Kriegen führen wird. Angesichts der globalen Aufrüstung kann nur ein Narr oder eine Närrin schöne Aussichten erwarten.
Zu alledem spielen sich in den westlichen Ländern historische Kämpfe zwischen alten und neuen Eliten ab. Die aufstrebenden, smart neoliberalen Eliten, die in der EU vielleicht jetzt durch Macron repräsentiert werden, stehen den alten, die durch die völkisch-nationalistischen Bewegungen wieder stark werden und für die Orban, Kaczyński und Le Pen stehen, gegenüber. Trump zählen wir auch zu dieser Richtung.
Das wird zu Zerfallsprozessen in den politischen und militärischen Organisationen des Westens führen, wenn eine Seite nicht in der Lage ist, sich durchzusetzen.
In Deutschland forderte die SPD bereits einen Bruch mit der US-Regierung, weil die „westlichen Werte“ von Trump verraten worden seien. Es knirscht im Gebälk.
Aber nützt diese Entwicklung emanzipatorischen oder revolutionären Bestrebungen? Es sieht leider nicht danach aus. Dabei könnten nur wirklich revolutionäre Bewegungen dieser globalen Militarisierungsdynamik etwas entgegensetzen. Ein rein antimilitaristischer Kampf, der die herrschenden Verhältnisse unangetastet liesse, müsste vergebens bleiben, denn seine Protagonist_innen würden verkennen, dass das Militärische nicht nur fest in die westlich-demokratische Herrschaft eingeschrieben ist, sondern geradezu eine Renaissance erlebt.
Die Krise des „Westens“, der bis dato als ideologischer Kit diente, ist trotz des Erstarkens reaktionärer Kräfte eine Voraussetzung zur Unterminierung der Verhältnisse. Jede Krise des Bestehenden ist immer eine Chance für Veränderungen. Also suchen und entdecken wir schleunigst die Möglichkeiten. Sonst werden die militaristischen Kräfte, egal ob neoliberal oder völkisch-reaktionär, leichtes Spiel haben. Es wäre ein Grauen.
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Grafikquellen :
Oben —
A Meeting of the NATO Foreign Minsiters underway in Brussels, Belgium, on April 27, 2018.
President Barack Obama, NATO Secretary General Jaap de Hoop Scheffer and fellow NATO leaders step down from a photo platform April 4, 2009, following their group photo at the NATO meeting in Strasbourg, France.
Français : Le secrétaire général de l’OTAN Jaap de Hoop Scheffer, Gordon Brown, Barack Obama, Nicolas Sarkozy, Angela Merkel et d’autres dirigeants de pays membres de l’OTAN descendent d’une estrade après la photo de groupe, le 4 avril 2009 lors du sommet de l’OTAN de Strasbourg-Kehl. En arrière plan la Passerelle Mimram
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Als Mamadou in Zürich ankam, glaubte er, seine jahrelange Reise sei zu Ende. Stattdessen hat die Schweiz den Wirtschaftsflüchtling ausgeschafft. Wie man wieder anfängt, wenn alles für nichts war – unser Reporter hat ihn begleitet.
«Fett sollt ihr werden. Schön fett», sagt Mamadou leise, mehr zu sich als zu den Hasen im engen Käfig vor dem Haus in Freetown, der Hauptstadt Sierra Leones. Und die Hasen fressen. Zum Glück. Sie sind das erste Investment in Mamadous zweitem Leben.
Mamadous erstes Leben endet am 17. August 2017 um 10 Uhr mit einem Klopfen an seiner Zellentür. Im Gang des Flughafengefängnisses Kloten, knapp 300 Meter neben der Landebahn Süd, stehen zwei Polizisten, einer von ihnen hält eine alte Tasche in der Hand. Darin stecken all die Dinge, die Mamadou abgeben musste, als er verhaftet worden war: Lautsprecher, Kopfhörer, eine Hose, eine Regenjacke, drei gebrauchte Mobiltelefone, Schuhe, ein Walkman.
Es ist die Ausrüstung für eine Reise, von der Mamadou ahnt, dass sie die schwierigste seines Lebens wird. Mamadou floh als Kind vor den Rebellen, er reiste auf der Suche nach Arbeit nach Niger und durchquerte die Sahara, er überlebte Libyen und das Mittelmeer, fuhr durch Italien und schaffte es bis nach Zürich. Aber was jetzt kommen sollte, würde so viel schwerer: nach Conakry reisen, der Hauptstadt Guineas. Und dann ein neues Leben beginnen. Denn die zwei Polizisten sind gekommen, um ihn auszuschaffen.
Dabei wollte er gar nie nach Conakry. Ich bin kein Guineer, sagt Mamadou. Aber er besitzt keinen Pass. Und die guineische Botschaft in Bern hat ihm ein Laissez-passer ausgestellt, ein Papier, das ihm auch als Sans-Papiers die Einreise nach Guinea erlaubt. Auf Wunsch der Schweiz.
Am Morgen des 18. August 2017 begleiten die zwei Polizisten Mamadou durch die Gangway des Flughafens Kloten, gehen rechts und links von ihm bis zur Tür des Flugzeugs, wo der Pilot wartet. Diesem drücken sie das Laissez-passer in die Hand. «Nicht für dich», sagen sie zu Mamadou. Der Pilot schaut auf das Papier, dann schaut er Mamadou an, sagt kein Wort, nickt mit dem Kopf und zeigt mit der Hand ans Ende des Flugzeugs. Eine Stewardess begleitet Mamadou zu seinem Sitz in der hintersten Reihe. Auf der anderen Seite des Ganges sitzt ein anderer Schwarzer. Auch er wird ausgeschafft.
Mamadou erinnert sich genau an den Flug und seine Ausschaffung. Wie in einem Traum habe er sich gefühlt. «Ich konnte nicht glauben, dass ich zurück nach Afrika flog. Dass alles für nichts gewesen war.» Im Flugzeug hört der 29-Jährige Alpha Blondy, einen Reggaemusiker aus Côte d’Ivoire. Er will nicht an das denken, was war, nicht an das, was kommt. «Die Musik war alles, was in meinem Kopf war.»
In der ersten Nacht auf afrikanischem Boden nach mehr als zwei Jahren schläft Mamadou nicht. Das Flugzeug ist um zwei Uhr nachts gelandet, mit dem Laissez-passer hat er die Passkontrolle des Flughafens Conakry passiert. Jetzt steht er in der Empfangshalle. Da vorne stehen die Empfangskomitees mit Namensschildern, er wendet sich schnell ab.
Niemand wird ihn hier abholen. Er hat keine Verwandten in Conakry. Und selbst wenn, hätte er sich geschämt, ihnen etwas zu sagen. Nur seine Schwester und seine Eltern wissen, dass er ausgeschafft wird. Sie hatten die Nachricht schlecht aufgenommen. «Was hast du getan, dass sie dich ins Gefängnis gesteckt haben?», fragte seine Mutter. Und sein Vater klagte: «Niemand in unserer Familie war jemals im Gefängnis. Wir sind keine Kriminellen.» Dabei ist Mamadou, so sieht er das, kein Krimineller. Er sei bloss ein Wirtschaftsflüchtling, der die Schweiz nicht verlassen wollte.
Und so setzt sich Mamadou in der Empfangshalle auf den Boden, lehnt sich an eine Wand, krallt seine zwei Rucksäcke, damit sie nicht gestohlen werden, und blickt hoch ins Neonlicht, um nicht einzuschlafen.
Eine junge Frau wird ihn wenige Stunden später mitnehmen, im Taxi, zu ihrer Familie nach Hause. Sie hatten sich im Flugzeug kennengelernt. Sie hat Mitleid mit ihm. Von ihrem Zuhause aus wird Mamadou die Nummer seiner Mutter wählen. Und diese wird ihm sagen: «Komm schnell nach Monrovia, dein Vater stirbt.»
Mamadou ist zurück, gelandet in Afrika, im falschen Land zwar, aber eigentlich wäre er nur 190 Kilometer von seinem Heimatdorf Sainya in Sierra Leone entfernt. Aber das muss wegen seines sterbenden Vaters in Monrovia, Liberia, warten. Fast 700 Kilometer geht es über vom Regen weggespülte Strassen, durch den Dschungel und über zwei Landesgrenzen. Es wird nicht Mamadous letzter Umweg gewesen sein.
Wer die Ankunft fürchtet, reist bei Nacht. Als er das Haus seiner Eltern in Monrovia kurz vor Mitternacht erreicht, sieht er nicht, wie seine Schwester in der Dunkelheit vor dem Haus sitzt. Sie springt auf, schreit, umarmt ihn und weint. Sie haben sich zehn Jahre nicht mehr gesehen. In der Wohnung sitzen seine Mutter und seine Tante, die erste Frau des Vaters. Wasser tropfte durch ein Loch im Dach ins Zimmer, erinnert sich Mamadou. Der Anblick machte ihn traurig. Er hatte Geld geschickt, damit seine Mutter das Dach flicken würde. Wofür hatte sie es bloss ausgegeben?
Sein Vater liegt in einem Zimmer nebenan. Als Mamadou eintritt, versucht er, seinen Kopf in Mamadous Richtung zu bewegen. Er will etwas sagen, aber er ist zu schwach. Und weint.
Red is the colour of the All People’s Congress (A.P.C); they were demonstrating in front of houses belonging to people who supported the rival Sierra Leone People’s Party (S.L.P.P.). Photo taken in 1968.
Aus Solidarität mit den unterdrückten Palästinenser*innen in Gaza, die mit ihrem „Langen Marsch für die Rückkehr“ seit dem 30. März gegen die israelische Besatzung und die 11-jährige Blockade des Gaza-Streifens durch Israel demonstrieren und heute bereits 52 von israelischen Besatzungssoldaten erschossene Opfer und 7000 Verletzte zu beklagen haben, hat die „Landesarbeitsgemeinschaft Gerechter Frieden in Nahost“ aus Niedersachsen Informationsflyer zu dieser Aktion erstellt:
Dieses Informationsmaterial wurde am 1. Mai in Hannover und Hildesheim Grundlage für viele interessierte Gespräche mit Bürger*innen.
Ihr könnt die Dateien bei Kerstin anfragen:
fatum_de@yahoo.de
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Grafikquelle :
Dar al-Fadila Association for Orphans, consisting of a school, computer center and mosque in Rafah serving 500 children, were destroyed by the Israelis during Israel’s assault on Gaza.
Heimat – der Begriff ist in aller Munde und am 30. April hat die FAZ einen vorzüglichen, ganzseitigen Artikel unter dem Namen von Bundesheimatminister Horst Seehofer (CSU) veröffentlicht, der dort etwa sagt:
„Heimat ist aber nicht nur der Ort, wo wir leben, es ist auch und vor allem die Art, wie wir leben.“ Und das kann durchaus hässlich sein. Eine unfreundliche Definition von „Provinz“ lautet: Das ist dort, wo es schäbiger ist als unbedingt nötig. Analog ließe sich sagen: Heimat ist dort, wo alte Nazis stärker geehrt werden als unbedingt nötig.
Das ist derzeit in einer der ältesten Städte Deutschlands der Fall, in der etwa 2000 Jahre alten Stadt Koblenz, wo nach der Französischen Revolution dorthin geflüchtete französische Aristokraten die politische Theorie der Reaktion und erste Rassetheorien erfunden haben. Die idyllisch gelegene Stadt schafft es bis heute nicht, sich vierer Straßennamen zu entledigen, die allesamt mindestens nationalistisch kontaminiert sind.
Eine ist nach Hans Bellinghausen (1887–1958) benannt, einem bis in die Knochen deutschnationalen Heimatdichter und Historiker, der als entschiedener Feind der Besetzung des Rheinlandes durch Frankreich nach 1918 bekannt wurde. Dann wäre noch Hanns Maria Lux (1900–1967) zu erwähnen, dessen Katholizität schon durch seinen Namen bezeugt wird. Als junger Mann ging der Reformpädagoge und Jugendbuchautor nach China, wo er drei Jahre verbrachte und chinesische und japanische Lyrik zurückbrachte. 1937 wurde Lux Mitglied der NSDAP und noch im selben Jahr zum kommissarischen „Leiter der Reichsschrifttumskammer im Gau Moselland“ berufen. Lux wurde nach dem Krieg entnazifiziert und Ehrenbürger von Oberwesel. 1920 schon hatte er das Lied „Deutsch ist die Saar“ gedichtet, in dem es hieß: „Deutsch bis zum Grab, Mägdlein und Knab’ / deutsch ist das Lied und deutsch das Wort / Deutsch ist der Berge schwarzer Hort“.
Auch die hiesigen Regierungen sind durch reichliche Waffenlieferung nicht unbeteiligt daran, wenn den BürgerInnen die früheren Lieferungen einmal auf die Köpfe fallen. Dann heißt es einmal mehr: „Das haben wir doch alles nicht gewusst“. Diesen Vorwurf habe ich auch schon einmal gegen meinen Vater vorgebracht. – Aber du hast doch gewählt, habe ich geantwortet! Dieser Tage wird einmal mehr der „Karls-Preis“ verliehen. Karl der „Große“ von der Kirche heilig gesprochen, ein ehemaliger Landbesetzer und Raubritter welcher an vielen Kriegen beteiligt war. Passend wird Merkel die Laudatio halten und weitere Kriegsführer Europas werden anwesend sein, in der Hoffnung als Nächste von ihren Taten freigesprochen zu werden?
Nach Bericht über Attacke auf Golanhöhen
1.) Israel greift iranische Militärziele in Syrien an
Israel wirft iranischen Streitkräften vor, Militärposten auf den Golanhöhen mit etwa 20 Raketen angegriffen zu haben. Die Reaktion folgt umgehend: Syrien meldet, Dutzende Geschosse aus Israel abgefangen zu haben. Iranische Truppen haben nach Angaben der israelischen Armee in der Nacht zum Donnerstag Armeestellungen auf den Golanhöhen mit Raketen beschossen. Bei den Angriffen von Syrien aus seien mehrere Armee-Stützpunkte Israels entlang der Grenze angegriffen worden. Insgesamt seien rund 20 Geschosse abgefeuert worden, sagte Militärsprecher Jonathan Conricus. Einige wurden demnach von dem israelischen Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen. Keine der Raketen habe ihr Ziel erreicht.
Bangen um die Geschäfte, Hilferufe an die Bundesregierung, Empörung über den US-Botschafter: Der von Präsident Donald Trump verkündete Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen mit dem Iran schreckt die deutsche Wirtschaft auf. Sie befürchtet eine Stagnation ihrer gerade erst wieder in Schwung gekommenen Exporte in die Islamische Republik und sorgt sich zugleich um Aufträge aus den USA. Wirtschaftsvertreter fordern deshalb sowohl die Bundesregierung als auch die EU-Kommission auf, ihre Engagements abzusichern. Die Forderung des neuen US-Botschafters in Berlin, Richard Grenell, nach einem raschen Ende der Iran-Geschäfte wurde zurückgewiesen.
Nah, wenn das alles nicht hilft – die Waggons aus den Schienen zu heben ? Die Freie Wirtschaft suchen Exzellenze – der Bahn reichen verkrachte Existenzen?
Tausende neue Stellen
3.) Die Bahn sucht Ex-Soldaten, Studienabbrecher und Ü50-Mitarbeiter
Die Deutsche Bahn hat in diesem Jahr bereits 10.000 neue Mitarbeiter eingestellt, 6000 davon sind schon an Bord. Das berichtete Personalvorstand Martin Seiler am Dienstag in Berlin. Der Schienenkonzern will 2018 rund 19.000 neue Mitarbeiter einstellen, ein Rekord. 2000 davon werden laut Seiler für neu geschaffene Stellen gesucht.
Möglicherweise wird man künftig auf den 8. Mai 2018 zurückblicken als den Tag, an dem Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigte und damit eine nukleare Rüstungsspirale im Nahen Osten auslöste, Konflikte befeuerte und dem Regelwerk gegen die Verbreitung von Atomwaffen den entscheidenden Stoß versetzte. Angesichts der riesigen Gefahren eines nuklearen Nahen Ostens dürfte sich die Sabotage des Atomabkommens als größerer außenpolitischer Fehler entpuppen als der Beginn des Irakkriegs unter Präsident George W. Bush. Denn sollte der Iran nach dem Ende des Abkommens tatsächlich den Weg zur Atombombe beschreiten, dürften Saudi-Arabien und vermutlich auch die Türkei und Ägypten diesem Vorbild folgen.
Sie wußte sicher im Voraus was auf sie zukommt. Wer für den Staat arbeitet, muß zuvor den eigenen Verstand entsorgen. Sie sind Spiegelbilder der unfähigen Poliker. Ganz egal ob Militär, Polizei oder Verwaltung.
Josefa Schmid
5.) Bremer Bamf-Leiterin nach Niederbayern versetzt
Die Leiterin der Außenstelle Bremen des Asyl-Bundesamtes (Bamf) ist versetzt worden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde Josefa Schmid am Dienstag mit sofortiger Wirkung in die Bamf-Außenstelle Deggendorf in Niederbayern versetzt. Dort soll sie bereits an diesem Mittwoch ihren Dienst antreten. Schmid war seit Anfang Januar interimsweise Leiterin der Bamf-Filiale Bremen, die im Fokus der Staatsanwaltschaft steht. Die frühere Leiterin dort wird verdächtigt, über Jahre Asyl-Akten manipuliert zu haben, um Flüchtlingen unrechtmäßig einen Schutzstatus zu verschaffen; gegen sie und weitere Verdächtige wird ermittelt.
Dieses ist kein Witz zum Tag der Besenkammertags Besitzer ! – Der neue Diplomat der Zentralafrikanischen Republik. Da haben Oskar und Sahra wohl geschlafen. Wobei, sie sollten die Hoffnung nicht aufgeben. Angela sucht bestimmt auch blad neue Diplomaten. Und wir alle wissen nun, was solch ein Titel Wert ist.
Boris Becker
6.) Wie bitte? DAS ist sein neuer Job
Neben Tennis-Trainer, TV-Kommentator, Talkmaster, Autor eines Erziehungsratgebers und Pokerspieler – um nur einige Beispiele zu nennen – kann der 50-Jährige seinem Lebenslauf nun einen weiteren Titel hinzufügen. Und den hätten wohl die wenigsten von ihm erwartet. Wie sein Anwalt Christian-Oliver Moser in einer offiziellen Presse-Mitteilung verkündete, ist Becker nun auch Diplomat!
7.) 9 erstaunliche Dinge, die Sie noch nicht über den Vatertag wussten
Vatertag, Männertag, Herrentag – das sind nur einige der Namen, unter deren Deckmantel sich auch heute wieder zahlreiche Männer unter Ausschluss der Damenwelt hemmungslos volllaufen lassen. Sollten Sie mit von der Partie sein, dann können Sie diese Zeilen wohl ohnehin nicht mehr lesen. Für alle anderen hat der Postillon neun erstaunliche Fakten zusammengestellt, die Ihre Sicht auf den männlichsten Tag des Jahres für immer verändern werden: