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Archiv für Mai 17th, 2017

Entlassung von Manning

Erstellt von Redaktion am 17. Mai 2017

Mit der Courage einer freien Frau

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Als Whistleblower Bradly Manning verurteilt

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Als Chelsea Manning entlassen

Am Mittwoch verlässt die 29-jährige Chelsea Manning nach sieben Jahren das Gefängnis – für ein Leben in einem veränderten Land.

Autorin Dorothea Hahn

Als „Geschenk an die Welt“ bezeichnet der alte Whistleblower Dan Ellsberg die Neunundzwanzigjährige, die am Mittwoch das Militärgefängnis Fort Leavensworth in Kansas verlassen wird: Sie sei „einer von ganz wenigen Gründen, in dieser dunklen Zeit zu feiern“. Eine „Heldin“ nennt der Journalist Glenn Greenwald sie. Und Chase Strangio, der in der Bürgerrechtsgruppe ACLU die Rechte von Transgender-Leuten vertritt, spricht von einer „Lichtgestalt“.

Für die so gerühmte Chelsea Manning beginnt an diesem Tag ein Leben, das sie nie gekannt hat. Sie wird ihre ersten Schritte als freie Frau tun. Sie ist weiterhin 45 Kilogramm leicht und nur 1,65 Meter groß. Aber in den zwei Jahren, seit sie Hormone nimmt, sind ihr Brüste gewachsen und ihre Hüften rundlicher geworden. Auch ihre Stimme hat sich nach oben verschoben.

Seit Präsident Barack Obama im Januar ihre vorzeitige Haftentlassung für den 17. Mai dekretiert hat, sind ihre Tweets anders geworden: Sie gibt weiterhin ihre kompromisslosen Stellungnahmen zum Geschehen außerhalb der Gefängnismauern ab. Sie lobt die großen Frauendemonstrationen gegen den neuen Präsidenten und kritisiert zugleich, dass dabei Transfrauen ausgegrenzt waren. Sie schreibt über Obama, dass sie ihm „für immer dankbar“ sei – und kritisiert kurz danach, dass er in seiner Amtszeit zu nachgiebig war und zu wenig Bleibendes erreicht habe.

Aber ihr Twitteraccount ist nun zugleich ein Countdown in eigener Sache. „Wenn die Perspektive der Freiheit dich nervös macht, weißt du, dass du lange im Gefängnis warst“, schreibt sie am 20. April. Vier Tage später frohlockt sie: „Der Albtraum endet bald. Hör nie auf zu träumen.“ Das ist dieselbe Mischung aus Sensibilität, Zivilcourage und Entschlossenheit, mit der sie als 22-Jähriger die Supermacht erschüttert hat.

Einsamer junger Mann in der US-Basis „Hammer“

Damals war sie Bradley Manning – ein Nachrichtenanalyst der US-Armee, der in der Basis „Hammer“, 60 Kilometer östlich von Bagdad, im Einsatz war. Sie war ein einsamer junger Mann, der eine schwere Kindheit mit geschiedenen Eltern und eine chaotische Odyssee durch abgebrochene Ausbildungen und zahlreiche Bundesstaaten der USA sowie eine Zeit im britischen Wales hinter sich hatte. Manning hielt sich noch für schwul, hatte aber bereits eine E-Mail mit einem Foto von sich selbst – geschminkt, unter einer blonden schulterlangen Perücke – an Vorgesetzte im Militär verschickt.

Über den Bildschirm des jungen Nachrichtenanalysten flimmerten damals schockierende Details über US-amerikanische Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak, über Folter in Guantánamo und über die Korruption bei Verbündeten quer durch den Nahen Osten und im Maghreb.

Manche dieser Daten befanden sich seit Jahren in dem internen Netz, zu dem Hunderttausende Geheimnisträger in den USA Zugang haben. Aber Manning war der Einzige, der sie nicht mit seinem Gewissen vereinbaren wollte. Er kopierte rund 720.000 davon, weil er fand, die Öffentlichkeit habe ein Recht, sie zu kennen. Als Zeitungen, an die er sich wandte, kein Interesse zeigten, gab er sie an die Enthüllungsplattform Wikileaks weiter.

Es waren die größten Leaks der US-Geschichte und sie machten weltweit Furore. In arabischen Ländern beschleunigten sie die Aufstände gegen Diktatoren. In den USA boten sie Antimilitaristen neue Munition, und Außenministerin Hillary Clinton musste Botschafter wegen deren beleidigenden Depeschen ersetzen und auf eine Entschuldigungstour in die Hauptstädte von „Teflonkanzlerinnen“, „Alpha-Rüden“, „schwachen Persönlichkeiten“ und anderen von US-Geheimdiensten beschnüffelten Freunden gehen.

Erniedrigt und isoliert

Quelle :  TAZ >>>>> weiterlesen

Nachtrag -Heute

Folgende Meldung verbreiteten wir am 11. 04. 2011

WIKILEAKS-Informant

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Grafikquellen  :

Bradley Manning

Source Manning’s lawyer, David Coombs [2] (Google Docs, „MANNING, BRADLEY PFC HEAD AND SHOULDERS 4-26-2012.jpg“); [3]
„The Defense has obtained the most recent Department of Army Photo of PFC Manning. This image is considered to be in the public domain, and may be used for print and publication.“
Author United States Army
Public domain This image is a work of a U.S. Army soldier or employee, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.

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 Chelsea Manning

Source Chelsea Manning Support Network
Author Alicia Neal
Permission
(Reusing this file)
„All material on this website is released into the public domain unless otherwise indicated.“
Public domain This work has been released into the public domain by its author, Alicia Neal, in cooperation with Chelsea Manning, commissioned by the Chelsea Manning Support Network. This applies worldwide.
This file, which was originally posted to https://www.chelseamanning.org/resources/featured-graphics, was reviewed on by the administrator or reviewer King of Hearts, who confirmed that it was available there under the stated license on that date.

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„Bitterer Erfolg“ für LINKE

Erstellt von Redaktion am 17. Mai 2017

NRW-Wahl: Schulz-Zug entgleist

Mit der Wahl in Nordrhein-Westfalen konnte die CDU auch die dritte Landtagswahl in diesem Jahr für sich entscheiden. Der Hype um den neuen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist einem Katzenjammer gewichen. Manche Kommentatoren sehen die Bundestagswahl schon entschieden. Statt einem Wechsel sieht zur Zeit tatsächlich mehr danach aus, dass Angela Merkel weiterhin Kanzlerin bleiben kann, möglicherweise in einer Koalition mit FDP und Grünen. DIE LINKE gewinnt und verliert zugleich. Vier Monate vor den Bundestagswahlen stellen sich viele Fragen.

Von Sascha Staničić und Claus Ludwig

Angesichts der Tatsache, dass niemals so viel schön geredet wird, wie nach Wahlen, müssen ein paar Dinge in die richtige Perspektive gerückt werden.

  1. Die CDU hat nicht gewonnen, sondern SPD und Grüne haben verloren. Das CDU-Ergebnis ist das prozentual zweitschlechteste in der Geschichte des Landes.
  2. Trotz eines signifikanten Anstiegs der Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen, ist diese weiterhin niedrig und sind die NichtwählerInnen „stärkste Partei“. Gerade die „untersten“ Schichten der Arbeiterklasse werden in dem Wahlergebnis weniger repräsentiert.
  3. Nur 0,1 Prozent oder 8.600 Stimmen mehr und die Debatte über das Wahlergebnis der LINKEN würde komplett anders aussehen. Entscheidend für die Bewertung des Wahlergebnisses darf aber nicht die undemokratische Fünf-Prozent-Hürde sein, sondern die Tatsache, dass DIE LINKE ihre Stimmenzahl verdoppeln konnte und so verhältnismäßig mehr hinzugewonnen hat, als jede andere Partei mit Ausnahme der AfD, die ja erstmals bei den Landtagswahlen angetreten war.

Widerstand gegen neue Regierung nötig

Das Wahlergebnis markiert eine deutliche parlamentarische Rechtsverschiebung.Nach dem Ausscheiden der Piraten wird der künftige Düsseldorfer Landtag nur aus Parteien des Establishments und der Kapitalisten bestehen. Die AfD wird sich als einzige Fundamentalopposition präsentieren können, was den Druck auf die zu erwartende CDU/FDP-Regierung von rechts erhöhen wird. Leider ist zu befürchten, dass diese dem nur allzu leicht nachgeben wird, auch wenn der designierte Ministerpräsident Armin Laschet aus Aachen als liberaler Konservativer gilt. Auf jeden Fall werden Lohnabhängige, SchülerInnen und Studierende, MigrantInnen und andere Minderheiten von der kommenden Landesregierung ins Visier genommen. Widerstand dagegen wird keine Unterstützung aus dem Landtag bekommen und sich auf der Straße und in den Betrieben, Schulen und Hochschulen formieren müssen.

Gründe für das Wahlergebnis

Es ist davon auszugehen, dass sowohl landes- als auch bundespolitische Faktoren eine gewichtige Rolle beim Wahlergebnis gespielt haben. Hierbei bildeten bundesweite und auch internationale Faktoren die Basis auf der sich dann die spezifischen landespolitischen Aspekte entfalten konnten. Diese Basis besteht erstens vor allem aus der vergleichsweise stabilen ökonomischen Entwicklung und dem niedrigen Niveau an Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen und zweitens einer immer instabiler und bedrohlicher werdenden internationalen politischen und wirtschaftlichen Situation. Letzteres gibt ersterem ein umso größeres Gewicht.

In der Wahlanalyse der Rosa Luxemburg-Stiftung wird zurecht fest gehalten: „Bereits seit einigen Jahren ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Lage in Umfragen mehrheitlich positiv gesehen wird. Dies trifft sowohl auf die Länder als auch auf den Bund zu. Gaben in NRW in den Jahren 2005 81% und 2010 73% der Befragten an, dass die wirtschaftliche Lage schlecht sei, während 18% bzw. 24% die wirtschaftliche Lage als gut bewerteten, sahen 2012 nur noch 52% eine schlechte wirtschaftliche Lage, wohingegen 46% die Lage als gut einschätzten. Bei der Landtagswahl 2017 hat sich dieses Verhältnis erstmals seit über 17 Jahren umgekehrt. Nur ein Drittel (34%) der Befragten sah die wirtschaftliche Lage als schlecht an, während knapp zwei Drittel (64%) die wirtschaftliche Lage als gut bewerteten.“ Das hilft immer denen mit der engsten Verbindung zur „Wirtschaft“ und den (bundesweit) Regierenden – . also der CDU und auch der FDP (welche ohne den Makel der Regierungsverantwortung als Projektionsfläche bürgerlicher Opposition diente). 22 Prozent haben als wahlentscheidend die bedrohliche internationale Situation angegeben. Siebzig Prozent sagen in Umfragen, dass Angela Merkel dafür sorge, „dass es uns in einer unruhigen Welt gut geht“ Auch das hilft der CDU. Unterstützung für die Konservativen also eher aus Angst, denn aus positiver Unterstützung für ihr Programm. Dass es „uns“ in Wirklichkeit nicht gut geht, sondern für viele prekäre Arbeitsverhältnisse und Arbeitsdruck zugenommen und Löhne stagniert haben, erscheint angesichts der Krisenentwicklungen im Rest der Welt weniger dramatisch.

Während bei den Landtagswahlen im letzten Jahr noch fast ausschließlich die AfD von einer gestiegenen Wahlbeteiligung profitierte, gewinnen mittlerweile auch andere Parteien aus dem Nichtwählerbereich. Das ist auch eine Reaktion gegen die AfD bei einer Schicht früherer NichtwählerInnen, die eine Stärkung der Rechtspopulisten fürchten und verhindern wollen. Hier kommt der CDU zu Gute, dass ihre Flüchtlingspolitik vordergründig „funktioniert“ hat, zumindest aber das Flüchtlingsthema nicht mehr dominant ist. Das gilt schon eher für das Thema Innere Sicherheit, das angesichts der Debatten um die Kölner Silvesternächte der letzten beiden Jahre besonders in NRW von Bedeutung ist und durch die bürgerlichen Medien stark hervorgehoben wurde. Auch das ist ein Thema von dem eher CDU und rechte Parteien profitieren, umso mehr, wenn ein SPD-Innenminister im Kreuzfeuer der Kritik steht.

Davon konnte auch die AfD profitieren, deren Ergebnis zwar sicher enttäuschend für die Rechtspopulisten ist, aber zeigt, dass die Partei sich parlamentarisch etabliert hat und ein Einzug in den Bundestag – trotz innerparteilicher Streitereien und geringerer Dominanz ihrer Kernthemen – wahrscheinlich bleibt. In NRW kommt hinzu, dass die Debatten der vergangenen Jahre (Fluchtbewegung, Kölner Silvester) das Potenzial der Rechtspopulisten vergrößert haben, was diese teilweise, regional unterschiedlich, abrufen konnten. Nicht zu vergessen ist auch die Vorarbeit der Pro-Gruppierung in Sachen Islamhass.

So kann man unterm Strich sagen, dass die Tatsache, dass klassenspezifisch-soziale Themen eine geringe Bedeutung bei diesen Wahlen hatten, den Parteien rechts von SPD und Grünen geholfen hat. Hier wirken sich zweifellos die massive Propaganda zu Migration und Innere Sicherheit aus, die von rechts dominiert wird. Es besteht kein Zweifel, dass bei zentralen sozialen Fragen, die programmatischen Positionen der LINKEN (Mindestlohn, Umverteilung von oben nach unten, Ausbau des Gesundheitswesens, Senkung des Arbeitsdrucks etc.) weiterhin breite Unterstützung genießen, diese sind aber gerade nicht ausschlaggebend für die wahlentscheidung vieler Menschen.

Ende des Schulz-Hypes

Diese genannten Faktoren bedeuten ungünstige Voraussetzungen für DIE LINKE. Dass aber die SPD dermaßen abgestürzt ist und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat – und das nach dem der „Schulz-Zug“ im Januar und Februar eine solche Fahrt aufgenommen hatte – ist nur mit landespolitischen Faktoren zu erklären. Die entscheidenden Themen waren Bildung, Wohnen und Innere Sicherheit in den Meinungsumfragen. Hier wurde der Landesregierung – zurecht – ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Insbesondere die Weigerung der SPD/Grüne-Landesregierung das Abitur nach acht Jahren Gymnasium (G8) wieder in Frage zu stellen und die schüler- und lehrerfeindliche Umsetzung der Inklusion haben WählerInnen der Kraft/Löhrmann-Regierung den Rücken kehren lassen. Die Landesregierung hatte in den letzten Wochen dramatisch sinkende Zustimmungswerte zu verzeichnen und wurde immer unbeliebter.

Und was ist mit Schulz? Immerhin ist NRW sein Heimatbundesland. Der Schulz-Effekt ist offenbar verpufft. Nicht ausgeschlossen, dass er sich sogar ins Gegenteil verkehrt. Wolfgang Münchau schreibt in der Financial Times zurecht: „Als die Menschen vor vier Monaten Herrn Schulz einen Vertrauensvorschuss gaben, missinterpretierte er dieses Zeichen. Er legte kein Programm vor. Er klärte seine Position zur Frage, ob er eine Koalition mit der Linkspartei eingehen würde, nicht. Als er im Januar zu Gewerkschaften sprach, machte er den Eindruck, sich von den Wirtschaftsreformen zu distanzieren, die die SPD zuvor unterstützt hatte. Als er kürzlich zu Wirtschaftsführern sprach, hat er die SPD als wirtschaftsfreundlich dargestellt. Ich sehe in der Wirtschaftspolitik keinen materiellen Unterschied zwischen den beiden größten Parteien, außer dass Frau Merkels Christdemokraten den Haushaltsüberschuss für unbedeutende Steuersenkungen verwenden will, während die SPD ein unbedeutendes Investitionsprogramm vorschlägt.“

Tatsächlich scheitern Schulz und seine SPD an sich selbst. Dem medial inszenierten Aufbruch zur sozialen Gerechtigkeit folgte die Weigerung auch nur minimalste konkrete Inhalte zu präsentieren. Spätestens als Schulz dann erklärte, er könne sich eine Koalition mit der „kleinen Partei des großen Kapitals“, der FDP, vorstellen, wurde immer mehr Menschen klar, was wir schon vor Wochen schrieben: Schulz ist fake news. Und in NRW bedeutete Wahlkampf für soziale Gerechtigkeit, einen Wahlkampf gegen sich selbst zu machen. Dieser Widerspruch ist Menschen aufgefallen, denn sie sind nicht blöd – auch wenn sie immer wieder von den etablierten Parteien für dumm verkauft werden.

Trotzdem hat der so genannte Schulz-Effekt etwas wichtiges gezeigt. Denn die kurzzeitige Zunahme der Unterstützung für die SPD und die Parteieintritte waren Ausdruck von der Tatsache, dass sich ein Teil der lohnabhängigen Bevölkerung (also der Arbeiterklasse) nach sozialen Reformen sehnt, die diesen Namen verdienen, also nach dem was vor Jahren einmal sozialdemokratische Politik war. Kurzzeitig ließ Schulz die Hoffnung nach einer re-sozialdemokratisierten Sozialdemokratie aufflammen, um diese dann schnell wieder zu enttäuschen. Dass die SPD dem vagen Versprechen nach sozialer Gerechtigkeit kein Programm für soziale Gerechtigkeit folgen lässt, ist darin begründet, dass in der heutigen Phase des kapitalistischen Wirtschaftssystems die Umsetzung eines solchen Programm zwangsläufig zum Konflikt mit den Banken und Konzernen führt und eine antikapitalistische Perspektive nötig macht.

DIE LINKE

Die deutliche Steigerung an Stimmen kann umso positiver gewertet werden, da die Ausgangslage für DIE LINKE nicht günstig war. Dass es so denkbar knapp dann doch nicht gereicht hat, ist bitter – aber trotz der Steigerung eben auch ein Hinweis darauf, dass die Partei ihr Potenzial nicht ausschöpft. Dieses ist höher als 4,9 Prozent, was sich an den großen regionalen Unterschieden ablesen lässt. Nicht nur ist DIE LINKE in den Städten stärker als auf dem Land, was darauf hinweist, welche Bedeutung das Vorhandensein einer lokalen Parteiorganisation für das Wahlergebnis hat, auch in den Städten differieren die Ergebnisse. In Köln, Bielefeld, Dortmund und anderswo konnten die Ergebnisse überdurchschnittlich verbessert werden. In anderen Städten mit sehr aktiven Wahlkampagnen, wie zum Beispiel Essen, gelang das nicht, was ein Hinweis darauf sein kann, dass die Verankerung der Partei zu gering war und dies durch einen engagierten Wahlkampf nicht wett gemacht werden kann (denn dieser dient oftmals eher dazu, die vorherigen Aktivitäten ins Gedächtnis zu rufen). Denn engagiert war der Wahlkampf und es wurden bei Hausbesuchen, Straßenaktivitäten und Kundgebungen viele Menschen erreicht. Viele neue, jüngere Mitglieder haben sich eingebracht. Der Landesverband hat einen an den Inhalten des guten, antikapitalistischen Wahlprogramm geführt, ist kämpferisch aufgetreten und alleine das hat sich von den „Frauenversteher“- und „Aus Liebe zu Meck-Pomm“-Wahlkämpfen in Ostdeutschland positiv abgehoben. So konnten auch neue Mitglieder für DIE LINKE gewonnen werden.

Es ist schwer bis unmöglich über die Gründe für das Verfehlen des Einzugs in den Landtag Beweisführungen anzuführen. Nichtsdestotrotz sollte in der Partei eine breite Debatte über die Lehren des Wahlkampfs geführt werden. Dazu würden wir folgende Punkte zur Diskussion stellen:

  • Immer wieder wurde in Interviews der SpitzenkandidatInnen Wille und Fähigkeit zur Regierungsbeteiligung betont, SPD und Grüne wurden zu einem Kurswechsel aufgefordert, in einer Art, die dies als reale Möglichkeit erscheinen ließ. Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, dass eine Änderung von SPD und Grünen nicht möglich ist und jede Regierungsbeteiligung real zur Aufgabe des linken Programms führen müsste, erwies sich dieses Vorgehen auch im kurzfristig-taktischen Sinne als falsch. Erstens wurde R2G in der Schlussphase des Wahlkampfes rechnerisch unwahrscheinlicher. Zweitens erteilte die SPD der LINKEN eine klare Abfuhr, eine fälschlicherweise „Machtoption“ genannte Regierungsoption war damit hinfällig. Stattdessen hätte DIE LINKE mehr ihre radikale Opposition gegen das System ausdrücken, Wut- und Anti-Establishment-Stimmung formulieren müssen, um die Schichten zu erreichen, die von den bürgerlichen Parteien abgestoßen sind und sich weiterhin in großer zahl nicht an Wahlen beteiligen. Dies hätte möglicherweise die entscheidenden fehlenden Stimmen bringen können. Mittelfristig wird DIE LINKE nur gestärkt, wenn sie ihren Gebrauchswert für praktische Kämpfe vor Ort deutlich macht und sich als Opposition gegen alle etablierten Parteien präsentiert und ihre Angst vor der eigenen Courage ablegt, radikal zu sein und gegen den Strom zu schwimmen.
  • Der Landesverband hatte es vermieden, offensiv mit dem Thema Geflüchtete und Migration umzugehen. Inhaltlich wurden korrekte Positionen vertreten, aber auf Plakaten und im zentralen Wahlkampfmaterial wurde der Antirassismus nicht betont. Es hieß, die soziale Frage sei entscheidend. Zumindest unterschwellig aber war die Flüchtlingsfrage immer ein Thema. Einige Mitglieder (darunter auch SAV-Aktive) hatten davor gewarnt, dass gegeneinander zu diskutieren und betont, dass es darum ginge, Antirassismus und soziale Frage zusammen zu bringen. Der Kreisverband Köln hatte eigene Plakate gedruckt – „Zeig Stärke – für gleiche Rechte auch für Geflüchtete“, um das Thema zu betonen. In Köln wurde ein überdurchschnittliches Ergebnis erreicht. Der Ortsverband Köln-Kalk, in dem viele SAV-Mitglieder aktiv sind, hatte die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag zu einem Schwerpunkt gemacht, mit Flyern, Plakaten und Transparenten und hat ebenso überdurchschnittliche Ergebnisse erzielt (zum Teil wurde das Ergebnis fast verdreifacht). Man kann also zumindest feststellen, dass ein offensives Aufgreifen dieser Fragen keine Stimmen gekostet hat.
  • Sahra Wagenknecht wurde bei der Wahlwerbung in den Mittelpunkt gestellt und hat als einzig wirklich Prominente größere Kundgebungen durchführen können. Gleichzeitig waren ihre Äußerungen zu Migration und Innere Sicherheit (die sie im Wahlkampf nicht wiederholte) eine Hypothek für DIE LINKE. Sie haben Mitglieder demotiviert und unter antirassistischen Aktiven für Unmut gesorgt, darüber sicher auch MultiplikatorInnen gekostet. Dies könnte einer der Gründe sein, warum Piraten und Die Partei zusammen 1,6 Prozent erhalten haben (sowie DKP und MLPD 0,2 Prozent und diverse andere fortschrittlich klingende Kleinstparteien zusammen ein Prozent – was zusammen immerhin fast drei Prozent sind).
  • Fehler der Vergangenheit, am Beispiel Duisburg. In Duisburg, einer ehemaligen Hochburg, hat die lokale Regierungsbeteiligung Anfang der 2010er Jahre die Partei gelähmt und fast zerlegt. Dort erzielt die LINKE heute im großstädtischen Vergleich unterdurchschnittliche Ergebnisse.
  • Das Wahlkampf-Material war nicht gut (genug). Die Plakatserie „Zeig Stärke“ war gut gedacht, verfehlte aber eine positive Wirkung, weil die eigentlichen Forderungen/Parolen zu klein waren und die Plakate optisch unauffällig. Sie richtete sich auch nicht an diejenigen abgehängten, prekarisierten und entfremdeten Schichten, die sich in diesem Kapitalismus zur Zeit eher vereinzelt und nicht „stark“ fühlen. Klare Forderungen, dazu im Stil der Bundespartei (schwarz auf weiß) wären besser gewesen. Die zentrale Wahlkampf-Zeitung war politisch weichgespült. Im Mittelpunkt stand die Losung „soziale Sicherheit“. Von radikaler Opposition keine Spur. Ob dieses Material direkt Stimmen kostete, lässt sich nicht sagen. Aber zumindest war es nicht besonders förderlich.

Daraus können und sollten für den Bundestagswahlkampf Schlussfolgerungen gezogen werden. Die wichtigste müsste unserer Meinung nach sein:

– Wahlkampf als Klassenkampf – soziale Bewegungen unterstützen und Verankerung in den Stadtteilen und Betrieben voran treiben!

– Keine Präsentation der Partei als Koalitionspartner von SPD und Grünen im Wartestand, sondern selbstbewusst als sozialistische Anti-Establishment-Kraft. Eine neue Linke wird nicht als Partner der SPD, sondern notwendigerweise auf den Trümmern der Sozialdemokratie aufgebaut werden, denn ein „linkes Lager“ aus bestehenden Parteien ist ein Luftschloss. Die deutsche Sozialdemokratie ist angesichts der Gewinner-Lage der deutschen Ökonomie auf Kosten der Nachbarn noch nicht ganz so weit unten wie die PASOK, die PvdA, die französische PS oder die irische LP, aber sie ist auf einem guten Weg. Vor diesem Hintergrund ist es die falscheste Reaktion, wenn Vertreter der Parteiführung nun betonen, dass der SPD ein Ausschließen von Koalitionen mit der LINKEN nicht gut bekommt und sie auffordern, dies zu ändern.

– Klare und konkrete Forderungen für soziale Verbesserungen und gegen die obszöne Reichtumskonzentration und die Macht der Banken und Konzerne.

– Kein Schwanken in der Solidarität mit den Geflüchteten und internationalistischen Positionen und offensives Verbinden von Antirassismus mit der sozialen Frage.

DIE LINKE in NRW hat unterm Strich einen engagierten Wahlkampf hingelegt, viele Menschen erreicht und auch neue Mitglieder gewonnen. Das kann dazu genutzt werden, bei den Bundestagswahlen am 24. September ein deutlich besseres Ergebnis zu erzielen, vor allem aber aus diesem Superwahljahr mit einer gestärkten Partei hervorzugehen – denn darum geht es: eine Kraft aufzubauen, die Lohnabhängige und Jugendliche organisiert und den Kampf für eine sozialistische Veränderung in Zukunft erfolgreich führen kann.

Sascha Staničić ist Bundessprecher der SAV und aktiv in der LINKEN Berlin-Neukölln. Claus Ludwig ist Sprecher des LINKE-Ortsverbands Köln-Kalk und Mitglied des SAV Bundesvorstands. Beide sind aktiv in der Antikapitalistischen Linken (AKL)

Zuerst erschienen hier: https://www.sozialismus.info/2017/05/nrw-wahl-schulz-zug-entgleist/

Quelle :  AKL
akl - Antikapitalistische Linke

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Grafikquelle  : Twitter

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DL-Tagesticker 17.05.17

Erstellt von Redaktion am 17. Mai 2017

Direkt eingeflogen mit unserem Hubschrappschrap

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Mafia verdient an AufnahmecampsDas Business mit den Flüchtlingen

1.) Schlüsselfigur ist der örtliche Pfarrer

Ein Priester, ein katholischer Manager und ein Mafia­clan sollen einträchtig über Jahre hinweg in Süditalien Millionen mit einem Flüchtlingslager verdient haben. Zu Wochenbeginn hat die Staatsanwaltschaft Crotone gleich 68 Haftbefehle ausgestellt, wegen Bildung einer mafiösen Vereinigung, Betrug, Unterschlagung.

TAZ

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2.) Für Schulz und die SPD geht es weiter steil bergab

Nach der Wahlniederlage in Schleswig-Holstein verliert die SPD auch bundesweit an Sympathie. Im aktuellen stern-RTL-Wahltrend, der noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen wurde, rutscht die Partei im Vergleich zur Vorwoche um drei Prozentpunkte ab und kommt nur noch auf 26 Prozent. Sie liegt nun zwölf Prozentpunkte hinter der CDU/CSU, die sich um zwei Punkte auf 38 Prozent verbessern kann.

Stern

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Bei der Regierung Merkel – fühle ich jeden Tag auf einer Geisterbahn zu sein

3.) Ein Toter und zwei Verletzte
bei Geisterfahrt in Hessen

Auf der A661 sind mitten auf dem Offenbacher Kreuz zwei Pkw ineinandergerast. Verursacht wurde der Crash offenbar durch einen Geisterfahrer, der laut Polizei schwer verletzt überlebte. Der Fahrer des anderen Wagens starb, seine Beifahrerin musste schwer verletzt in eine Klinik gebracht werden.

Der Spiegel

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Er brauchte nur zeigen, dass er den „Arsch“ noch in der Hose und nicht
unterhalb des Bauchnabel hat

4.) Gabriel sieht im Türkei-Streit
„Grenze des Erträglichen erreicht“

 Im Streit über das Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete auf dem Stützpunkt Incirlik setzt Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erst einmal weiter auf ein Entgegenkommen der Türkei. „Ich kann nur hoffen, dass die türkische Regierung ihre Meinung in den kommenden Tagen ändert. Sonst wird der Deutsche Bundestag sicher die Soldaten nicht in der Türkei lassen“, sagte Gabriel der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Der Tagesspiegel

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Weise Leute brauchte das Land – Waise hat es bekommen

5.) Bamf findet zahlreiche Fehler bei Asylverfahren

Bei einer erneuten Überprüfung der Asylverfahren von 2000 allein reisenden Männern hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zahlreiche Bearbeitungsfehler festgestellt. Das berichten die Zeitungen Bild und B.Z. ohne nähere Angaben von Quellen.

Sueddeutsche

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Erdogan bei Trump

6.) Erdogans Sicherheitsleute
greifen Demonstranten an

Am Rande des ersten Treffens von US-Präsident Donald Trump mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan hat es Zusammenstöße in Washington gegeben. Wie Zeugen am Dienstag (Ortszeit) berichteten, griffen Sicherheitsleute Erdogans vor der Residenz des türkischen Botschafters Demonstranten an, die Fahnen der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) trugen.

FR

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7.) Mann auf Liegerad eingeschlafen und erst in
Bulgarien wieder aufgewacht

Ein jähes Erwachen hatte heute Morgen ein Radfahrer aus dem thüringischen Altenburg. Der 43-jährige Mann war am Montagabend während einer Fahrt mit seinem Liegefahrrad eingeschlafen und wachte erst am nächsten Tag in Bulgarien wieder auf.

Der Postillon

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Hinweise und Anregungen nehmen wir gerne entgegen

Treu unserem Motto: Es gibt keine schlechte Presse, sondern nur unkritische Leser

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Grafikquelle: DL / privat – Wikimedia Commons – cc-by-sa-3.0

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