Equal Pay Day
Erstellt von Redaktion am 28. April 2017
Was Frauen nicht verdienen
Pictures from Equal Pay Day actions in Leuven.
von Barbara Streidl
In diesem Jahr fiel er auf den 18. März – der „Equal Pay Day“, der symbolisch die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern markiert. Und diese beträgt in der Bundesrepublik derzeit rund 21 Prozent. Das heißt, Frauen verdienen im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Im EU-Vergleich belegt Deutschland damit den viertletzten Platz: In Slowenien liegt der Gender Pay Gap, wie die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern auch bezeichnet wird bei lediglich 2,9, in Schweden bei 14,6 und im EU-Durchschnitt bei 16,1 Prozent.
Der inzwischen weltweit begangene Aktionstag gegen Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen wurde 1988 in den USA erdacht: Das Frauenbündnis „Business and Professional Women“ (BPW) beklagte das Lohnungleichgewicht mit roten Geldbeuteln, in denen symbolisch rote Zahlen für den entgangenen Lohn Platz fanden. Diese „Red Purse Campaign“ griff die deutsche Dependance der BPW auf und legte zwanzig Jahre später mit der Initiative „Rote Tasche“ den Grundstein für den bundesweiten Equal Pay Day. Dafür erhielt die Hauptinitiatorin Bettina Schleiche zwar umgehend das Bundesverdienstkreuz – getan hat sich ansonsten aber bislang wenig: Dabei wollte die Bundesregierung den Verdienstunterschied bis 2010 auf 15 Prozent senken – doch selbst dieses wenig ambitionierte Ziel hat sie nicht erreicht. Ebenso wenig ist es gelungen, wenigstens den westdeutschen Gender Pay Gap auf das ostdeutsche Niveau abzusenken: Zwar hat sich der westdeutsche Lohnunterschied ein wenig verringert, dafür aber ist die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern in Ostdeutschland größer geworden. Die Zahlen für die Bundesrepublik werden alljährlich vom Statistischen Bundesamt errechnet und sind weitgehend stabil – von 23 Prozent im Jahr 2006 sind sie bislang lediglich um zwei Prozentpunkte gesunken. Die Lohndifferenz wird errechnet, indem der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen und Männern ins Verhältnis gesetzt wird zum durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Männern. Sonderzahlungen werden dabei ebenso wenig berücksichtigt wie Beschäftigte in der Landwirtschaft, solche in Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern sowie in der öffentlichen Verwaltung. Gerade auf Letzteres weisen Kritiker der Gender-Pay-Gap-Debatte gerne hin, weil Lohnunterschiede im öffentlichen Dienst geringer ausfallen als in der Privatwirtschaft.
Der »unerklärte Rest«
Die so berechnete, auch „unbereinigt“ genannte Lohnlücke lässt außer Acht, welchem Job mit welcher Qualifikation die Erwerbstätigen nachgehen, in welcher Lebenslage sie sich befinden und ob es nachvollziehbare Gründe für ihre bessere oder schlechtere Bezahlung gibt. Alle werden in denselben Sack gesteckt, dann wird geschüttelt und gerechnet.
Anders sieht es beim „bereinigten“ Gender Pay Gap aus: Hier rechnet man Faktoren heraus, die zu verschieden hohen Verdiensten führen – etwa den Umstand, dass Frauen und Männer in unterschiedlich gut bezahlten Branchen und Berufen tätig sind, dass es unterschiedliche Führungs- und Qualifikationsansprüche gibt oder ob es sich um eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung handelt. Der bereinigte Gender Pay Gap lag laut dem Statistischen Bundesamt für das Jahr 2014 bei 6 Prozent.[3] Man nennt diese auch den „unerklärten Rest“, weil die Gründe dafür im Dunkeln liegen.
Über unbereinigte und bereinigte Lohnlücken wird heftig diskutiert. So kommt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) aufgrund anderer Berechnungen auf nur zwei Prozent Lohnunterschied, die sich nicht mit anderen Faktoren erklären ließen. Weil am Ende niemand so recht weiß, welche der Zahlen wirklich stimmen und ob nicht doch vielleicht etwas übersehen wurde, kann man sich prima streiten.
Das ist schade – ist doch der eigentliche Aufreger die nicht wegzudiskutierende Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Und zwar unabhängig davon, wie hoch sie ist: Denn die Ungleichheit ist strukturell bedingt und keinesfalls nur mit unterschiedlichen, frei gewählten Präferenzen von Frauen und Männern zu erklären. Wer das behauptet – wie das IW, übersieht den Einfluss, den gesellschaftliche Rahmenbedingungen auf individuelle Entscheidungen ausüben: Dass noch immer vor allem Frauen lange Auszeiten für die Kinderbetreuung nehmen, liegt auch daran, dass Männer längst nicht überall auf offene Ohren stoßen, wenn sie Elternzeit nehmen oder Teilzeit arbeiten wollen – und zudem noch häufig einen größeren Teil zum Familieneinkommen beitragen. Da liegt es auf der Hand, dass viele Familien darauf nicht verzichten möchten oder können und deshalb die Entscheidung, wer wie lange mit Kind zu Hause bleibt, faktisch doch nicht frei getroffen wird. Frauen geraten mit dem ersten Kind oftmals in eine Sackgasse: An längere Auszeiten schließt sich meist Teilzeitarbeit an, die wiederum Aufstiegsmöglichkeiten behindert und im Alter zu erheblich geringeren Rentenansprüchen führt.
Rollenklischees und Berufswahl
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
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