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Archiv für Januar 12th, 2017

Der Riss durch Deutschland

Erstellt von Redaktion am 12. Januar 2017

Mit den Geflüchteten kamen die Ressentiments. Der aufkeimende Hass vergiftet auch das soziale Umfeld und zerstört Familien.

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Autor: Kristof Botka

Als das Schuljahr im Spätsommer 2015 in beginnt, fragt die Lehrerin, ob es ein aktuelles Thema gäbe, über das die SchülerInnen mit ihr sprechen wollten. Marc Fleischmann hat gerade erst in die elfte Klasse des beruflichen Gymnasiums 1 in Lüneburg gewechselt. Er meldet sich. „Über die Flüchtlingskrise sollten wir sprechen“, findet er. Da weiß Marc Fleischmann noch nicht, wie sehr sie ihn selbst treffen wird.

Ein gutes Jahr später steht die Herbstsonne über Lüneburg. Marc Fleischmann führt über den Schulhof, einmal um das Backsteingebäude mit dem Flachdach herum. Hinter der Schule steht die Turnhalle. „Hier waren die Flüchtlinge untergebracht“, erzählt Fleischmann und deutet auf einen modernen Bau, keine hundert Meter vom Eingang der Schule entfernt.

Marc Fleischmann hat seine kurzen Haare aufgestellt. Während er über den vergangenen Herbst spricht, blickt er ein wenig schüchtern durch seine schwarze Brille. „Da gab es schnell die ersten Gerüchte. Dass die Flüchtlinge beim Kiosk klauen oder Mädchen angrabschen“, erinnert er sich.

Auch in Fleischmanns Klasse gibt es Vorurteile. Mehr noch, einige seiner MitschülerInnen werden ausfällig, machen sich lustig. Für ihn ist das schwer auszuhalten. Die Ressentiments, die dummen Sprüche, die durch den Klassenraum schallen, sie gelten den Geflüchteten in der Turnhalle. Doch vor allem treffen sie ihn. Er widerspricht. Und wird gemobbt. Der Gang zur Schule wird für ihn zunehmend zur Qual.

Es geht ein Riss durch Deutschland

Dass Marc Fleischmann Rassismus nicht egal ist, merkt man sofort. Der Achtzehnjährige engagiert sich in der Grünen Jugend in Uelzen, wo er wohnt. Wenn er von Politik spricht, verschwindet das Jungenhafte an ihm. Als „progressiven Linken“ versteht er sich. Kretschmann, Palmer, das sind für ihn „Ultra-Realos“. „Ob die überhaupt noch grün sind – na ja.“ Sein Vokabular ist nicht das eines Schülers. Der vorsichtige Gang und die Winterschuhe mit Klettverschluss wirken wie Understatement.

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Fotoquelle: Foto : An-dEigenes Werk

  • CC BY-SA 3.0
  • File:Erstaufnahmelager Jenfelder Moorpark 4.jpg

 

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Rechte Zeiten: Merkel zum Letzten

Erstellt von Redaktion am 12. Januar 2017

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von Albrecht von Lucke

Lange, sehr lange hatte sich die Bundeskanzlerin Zeit gelassen, bis sie ihre neuerliche – und zweifellos letzte – Spitzenkandidatur für eine Bundestagswahl erklärte. Und der jüngste CDU-Parteitag machte klipp und klar deutlich, warum sie so lange gewartet hat: Größer ist der Riss zwischen der Partei und ihrer Vorsitzenden lange nicht gewesen. Beifall bekam Angela Merkel nicht für jene Passagen ihrer Bewerbungsrede, in denen sie die gewaltige Leistung der deutschen Zivilgesellschaft in der Fluchtfrage herausstellte – und damit implizit auch ihre eigene Position. Beifall bekam sie nur dann, wenn sie sich klar für jene Positionen aussprach, die sie lange als die der CSU zurückgewiesen hatte.

Bereits der zentrale Satz ihrer Rede – „Eine Situation wie die des Sommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen“ – war eine eindeutige Konzession an ihre Kritiker. Und auch der gegen ihren Willen nachträglich zugespitzte Leitantrag steht für eine klare Rechtsverschiebung der Union – von der Ausweitung der Abschiebehaft (von bisher wenigen Tagen auf bis zu einen Monat) über die Einrichtung von Transitzonen (mit Entscheidungszentren in Grenznähe) bis zum Verbot der Vollverschleierung (soweit dies rechtlich möglich ist, also im öffentlichen Dienst, bei Demonstrationen und im Straßenverkehr). Faktisch gehört die einstige Willkommenspolitik heute in der CDU der Vergangenheit an.

Vor allem mit seinem Bekenntnis zu einer „deutschen Leitkultur“ und „Schicksalsgemeinschaft“ betont der Leitantrag eindeutig das nationalkonservative Profil der Union. Doch als ob dies nicht bereits gereicht hätte, wurde der Kanzlerin bei der doppelten Staatsangehörigkeit eine schwere Niederlage beigebracht. Gegen den Antrag der Führung kündigte die Partei, wenn auch mit knapper Mehrheit, den Kompromiss mit der SPD auf. Merkels Anspruch, ihren Kurs von „Maß und Mitte“ zu halten“ wurde von ihrer Partei damit regelrecht konterkariert. Und gleichzeitig präsentierten sich bereits die ersten konservativen Post-Merkel-Protagonisten, an der Spitze Finanzstaatssekretär Jens Spahn, gefolgt vom Merkel-Stellvertreter und Schäuble-Schwiegersohn Thomas Strobl.

Hier zeigt sich: Angela Merkel ist ihrer Partei wieder fremd geworden. Die Vorsitzende führt die CDU nicht mehr, sondern sie wird – jedenfalls beim Doppelpass – von ihr vorgeführt. Dabei ist es kaum zwei Jahre her, dass Horst Seehofer mit Angela Merkel die absolute Mehrheit für die Union erobern wollte. Nun lautet der Vorwurf wieder, sie allein habe die Konservativen entwurzelt und die CDU im Kielwasser des Zeitgeists weit nach links geführt. Selbst ihr bisher stets auch von den Konservativen geschätztes „Ich will Deutschland dienen“ wirft nun die Frage auf, wie lange sich ihre Partei diesen Dienst noch gefallen lassen will.

Die Union steht damit heute erheblich weiter rechts als die Kanzlerin. Merkel gelang es nicht, „Orientierung in schwierigen Zeiten“ zu geben, so der Titel des Leitantrags, stattdessen wurden die Bruchlinien zwischen ihr und der Partei überdeutlich. Momentan ist es vor allem die eigene Alternativlosigkeit innerhalb der Union, die Merkel (noch) unangreifbar macht.

Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen

Fotoquelle: Autor – European People’s Party

  • CC BY 2.0
  • File:Angela Merkel (9307201890).jpg

 

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Raus aus der EU, rein in die Demokratie

Erstellt von Redaktion am 12. Januar 2017

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Der Europäische Rat 2011

So raten sie noch heute – und ziehen von Gipfel zu Gipfel


Wahlbetrug um EU-Parlamentspräsident aufgeflogen

Autor: U. Gellermann
Datum: 12. Januar 2017

Niemand wäre ein besserer künftiger EU-Parlamentspräsident gewesen als der belgische EU-Abgeordnete Guy Verhofstadt. Der Mann, der sich um die Nachfolge von Martin Schulz bewirbt, ist die Inkarnation des korrupten, antidemokratischen Dunkelmannes: Von der belgischen Investmentgesellschaft Sofina steckte er 130.500 Euro zur linken Hand ein, von der belgischen Gastanker-Reederei Exmar bekam er 60.000 Euro fürs Zuhören und Schweigen, von der niederländischen Versicherungsgesellschaft APG nahm er mit Vergnügen 42.840 Euro, um sein schlechtes Gehalt aufzubessern. Denn von 8.000 Euro monatlich fürs Absitzen – ausgepolstert nur durch eine unkontrollierte Kostenpauschale von 4299 Euro im Monat – kann so ein flotter Abgeordneter wie Verhofstadt natürlich nicht leben. In der Griechenlandkrise pöbelte er den griechischen Ministerpräsidenten Tsipras sieben Minuten lang unqualifiziert an, warf ihm Klientelismus vor, saß aber selbst gleichzeitig im Aufsichtsrat eines Unternehmens, das von den Privatisierungen in Griechenland profitierte. Nur so geht EU: Lobbyismus und Scheinparlamentarismus bestimmen den Gang des EU-Parlamentes. Das alles symbolisiert Guy Verhofstadt perfekt.

Aber der hochgelobte ‚Vollbluteuropäer‘ Verhofstadt machte bei seiner Bewerbung um den Job als Parlamentspräsident einen Fehler. Nicht, dass bei ihm noch mehr Geld aus dunklen Quellen aufgedeckt wurde, das hätte ja wie bisher eher seine Eignung bewiesen. Nein, er wollte, um seine Wahl nur ja abzusichern, einen Deal mit der italienischen 5-Sterne-Bewegung fingern. Aber die gelten nun mal als EU-kritisch. Das hat Manfred Weber aus Niederhatzkofen, den Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), nicht ruhen lassen: Um die Kandidatur des belgischen Liberalen zum Platzen zu bringen, zog er ein Geheimpapier aus der Tasche. Seit 2014 ist das Papier streng unter Verschluss  -– obwohl jeder in Brüssel wusste, was drin steht: Sozial- und Christdemokraten teilen sich den Präsidentenposten, mit Zustimmung der Liberalen: Zweieinhalb Jahre machte Martin Schulz den Job, dann sollte ein Konservativer übernehmen. So geht die spezielle EU-Demokratie. Nicht, dass die EU-Parlamentarier ernsthaft was zu sagen hätten: Entscheidungen fallen immer in der Europäischen Kommission, bei den Vertretern der nationalen Regierungen. Nicht, dass die Bevölkerung der EU jemals ernsthaft über die Verfassung der Union hätte entscheiden können. Aber das Dekorum, der demokratische Tarnanstrich, den hätte man doch gern gewahrt. 

Jetzt schreit Manfred Weber in höchster Not, damit er seinem konservativen Kandidaten die monatlich rund 18.000 Euro an steuerfreien Zuschlägen zum fetten Grundgehalt sichern kann, das offene Geheimnis auf dem Markt aus: Ätsch, auch in diesem EU-Fall wird nichts gewählt, blödes Wahlvolk, der Parlamentspräsident wird im Hinterzimmer ausgekungelt. – Manfred Weber ist eine Blüte der Eurokratie. Er ist der Vertreter einer „christlich-konservativen und liberalen Erneuerung“, und sagt deshalb: “Wir müssen zurück zu Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit finden“. Christlich heißt für ihn offenkundig, dass Bescheissen unter das Beichtgeheimnis mit eingebauter Absolution fällt. Aber Weber hat tolle Gründe für den Pakt gegen das EU-Parlament und teilt den Wählern mit, das Geheimpapier sei: „Eine Partnerschaft gegen den Extremismus in diesem Haus, gegen die Anti-Europäer.“ Es könnte doch sein, dass jemand falsch wählt, das müssen die verlässlichen Eurokraten aber schleunigst korrigieren. So geht glaubwürdig. Deshalb ist Weber auch ein Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Wie soll man sonst das dumme Wahlvolk kontrollieren? Und natürlich ist er auch für die Löschung „extremistischer Webseiten“. Wahrscheinlich gibt es längst ein Papier von den Spitzen der Sozial- und Christdemokraten, in dem festgelegt wird was „Extremismus“ ist. 

Dem „Kampf gegen Extremismus“ ist die EU auch außerhalb ihrer Grenzen verpflichtet. Unter dem Etikett der Terrorismus-Bekämpfung stockt die Bundeswehr gerade ihre Truppen in Mali zu ihrem größten Auslandseinsatz auf. Sicher werden die EU-Bürokraten auch entscheiden wer Terrorist ist. Zwar ist die Operation MINUSMA in Mali UN-basiert, wurde aber auf Betreiben Frankreichs initiiert, um die ökonomischen und militärischen Interessen der alten Kolonialmacht zu sichern. Dass es dort auch um Rohstoffe geht, an denen andere EU-Staaten ebenfalls interessiert sind, lässt die Bundeswehr zu echter Höchstform auflaufen: Ein weiteres Afghanistan zeichnet sich ab. Bald werden 1.000 Soldaten der deutschen Armee dort in den Dienst kapitaler Interessen ziehen. Der malische Bürgerkrieg ist sowohl eine Folge der Unterdrückung der Tuareg als auch der Liquidierung Gaddafis, der Teile der Tuareg an sich gebunden hatte. Aber das interessiert Leute wie Verhofstadt oder Weber nicht. Auch so geht die EU: Als bewaffnete Eingreiftruppe für postkoloniale, europäische Interessen. Diese Rolle der EU könnte sich mit einem US-Präsidenten Donald Trump, der die Westeuropäer zu mehr militärischer Verantwortung auffordert, deutlich steigern.

Die jährlichen Kosten des EU-Parlaments liegen bei zwei Milliarden Euro. Deutlich mehr als 6.000 Menschen sind für Wahlbetrüger wie Weber und Lobby-Gehilfen wie Verhofstadt tätig. Rund 1000 dieser parlamentarischen Mitarbeiter verdienen mehr als ein Abgeordneter zum Europaparlament. Das nennt man Schmutz-Zulage. Denn Tag für Tag den Schein von Demokratie aufrecht erhalten, ist ein schmutziges Geschäft. Raus aus der Europäischen Union wäre ein ordentlicher Schritt hin zu einer bürgerlichen Demokratie, die sich an ihre eigenen Regeln hält. 


Fotoquelle:

  • CC BY 2.0
  • File:Familiefoto europese raad 2011.jp
  • Author Minister-president van Nederland / Prime Minister of the Netherlands

 

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