DEMOKRATISCH – LINKS

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RENTENANGST

Archiv für September 2nd, 2014

Gelockerte Radmuttern am Pkw

Erstellt von Redaktion am 2. September 2014

Linke Schrauben wurden gelockert

Jetzt kracht es wieder einmal derbe zwischen den Linken und Rechten. Besonders starke Auswüchse werden seit einigen Tagen aus Thüringen gemeldet wo in zwei Wochen der Landtag neu gewählt wird.

So wurde die Tochter des Leipziger Jugendpfarrer König, die Landtagsabgeordnete Katharina König mit einer Eisenkette am Wahlstand bedroht und dem Landtagsabgeordneten Maik Nothnagel die vier Reifen seines PKW zerstochen. Des weiteren entdeckte der Landtagskandidat Steffen Harzer das Radmuttern am Vorderrad seines Wagens gelockert waren. Auch Bodo Ramelow wurde wohl bedrängt.

Radikale Auswüchse welche einfach zu verurteilen sind und es bleibt zu hoffen dass die Täter recht bald vor Gericht gestellt und entsprechend Ihrer Taten dann auch streng verurteilt werden. Auffällig ist aber das in dergleichen Auseinandersetzungen alle anderen Parteien weitaus weniger verwickelt sind und sich niemand ernsthaft auf die Suche nach den Gründen macht. Mag es an der Typengleichheit der Mitglieder liegen welche in den beiden Parteien durchaus miteinander verwandt sein könnten was sich auch im regen Austausch bei den Wählerstimmen immer wieder zeigt?

Radikalität als einzige Form der politischen Auseinandersetzung welche einzig darauf ausgerichtet ist sich gegenseitig auszuschalten? Parteien, in denen viele Mitglieder noch nicht einmal im Ansatz in der Lage oder Willens sind, sich innerhalb einer Diskussion politisch auseinanderzusetzen da sich die Streitenden schlicht zu ähnlich sind. Gerade wie in den Sekten deren Götter sich nur durch eine unterschiedliche Namensgebung unterscheiden.  Wieder einmal sei hier eine der Linken Gallionsfiguren, Rosa Luxemburg zuzuhören welche einst sagte:

„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der ‚Gerechtigkeit‘, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die ‚Freiheit‘ zum Privilegium wird.“

Warum suchen sich Parteien Leitbilder aus der Vergangenheit wenn die Nachfolger entweder nicht gewillt sind diesen zu folgen, oder aber zu dumm sind gesagtes zu verstehen? Was den Einen die Schottersteine ist dem Anderen eine Eisenkette? Haben wir zu früh daran geglaubt die Zeiten der Keulen und Streitäxte der Steinzeit durch mehr Bildung hinter uns gelassen zu haben?

Und richtig dieses Land leidet unter eine zu lange Meinungshoheit durch CDU und SPD welche sich bis in den letzten Beamtensessel eingebrannt hat. Ideal wäre ein kontinuierlicher Wechsel quer durch die ganze Meinungsvielfalt. Der Eine muss jederzeit in der Lage sein, den anderen abzulösen. Nur so wie die LINKE heute strukturiert ist wird sie keine Chance bekommen. Und das ist auch gut für die Bürger.

Im Zeitalter der neuen Medienvielfalt reicht es auf Dauer einfach nicht mehr aus, auf angebliche Fehler seiner politischen Mitbewerbern aufmerksam zu machen. Die Bevölkerung zieht es vor persönliche Stärken aufgezeigt zu bekommen. Selbstbewusstsein und Zuversicht, gerade wie in der Wirtschaft sind gefordert. Der Stolz das beste Produkt anbieten zu können und nicht das Aufzeigen von fremden Mängel, damit punktet die Wirtschaft und auch die Politik.

Die Parteien mit ihren überholten Ideologien werden immer mehr zu einer Nebensache. Es ist doch kindlich naiv zu glauben das sich Menschen aus den Religionen zurückziehen um sich stattdessen den alten Ideologien der Politik unterzuordnen. So einen Stuss glaubt doch keiner mehr, kann er doch heute, an jeder Stelle und jederzeit andere Meinungen lesen.  Freiheit, die absolute Freiheit wird die Forderung für die Zukunft sein, und keine Diktatur – weder von links noch von rechts.

DIE LINKE eine sich selbst nennende Friedenspartei welche sich anmaßt die Demokratie erfunden zu haben sollte erst einmal die Energie daran verwenden das zu leben was sie von anderen fordert. Innerparteiliche Demokratie statt Stalinismus, Rechtschaffenheit statt Rufmord und Offenheit für Hinterzimmerpolitik. Wer keine Empathie zeigt, dem wird auch keine gegeben.

Gelockerte Radmuttern am Pkw

LANDTAGSWAHL Rechtsextreme bedrohen linke Abgeordnete in Thüringen. Viele NPD-Abgeordnete im Kommunalparlament sind mehrfach vorbestraft, ergab eine Anfrage

VON ANDREAS SPEIT

Im Landtagswahlkampf werden die Kandidaten der Linkspartei in Thüringen verstärkt bedroht. Am Samstag störten Rechtsextreme einen Infostand mit der linken Landtagsabgeordneten Katharina König nicht bloß mit Pöbeleien. Mit einer Eisenkette drohte ein vermummter Rechtsextremer ihr in Saalfeld-Gorndorf. „Das ist der falsche Kiez, verpisst euch!“, soll Steffen Richter, ehemaliger NPD-Direktkandidat zur Landtagswahl 2009, zuvor König gedroht haben. Am Stand hätte Richter auch gleich weiter gewarnt, das „Unterstützung“ käme, und „wir klären das wie in den 90ern“.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle:
Screenshot: von TAZ / durch DL – Foto Jens Jeske

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Hedy Epstein, immer im Dienst

Erstellt von Redaktion am 2. September 2014

US-amerikanische Bürgerrechtsaktivistin

Als Kind ist Hedy Epstein dem Holocaust entkommen. Seither kämpft sie – gegen „schlimme Dinge“ wie Rassismus und Krieg. Kritik an Israel nehmen ihr viele übel.

AUS ST. LOUIS DOROTHEA HAHN

„Das ist meine Dienstuniform“, sagt die alte Dame lachend und zupft an ihrem schwarzen T-Shirt. „Stay Human“ steht darauf in großen weißen Buchstaben. Sie hat es bei vielen Demonstrationen getragen. Auch am 18. August, bei dem Sit-in vor dem Eingang zum Amtssitz des Gouverneurs von Missouri, wo die Teilnehmer den sofortigen Abzug der Soldaten der Nationalgarde aus Ferguson verlangen und den heranrückenden Polizisten zurufen: „Wem dient ihr? Wen schützt Ihr?“ Wenig später wird sie von zwei Polizistinnen abgeführt, die sie beide um einen Kopf überragen. Ihr hölzerner Gehstock baumelt zwischen der Plastikfessel auf ihrem Rücken, die so fest zugezogen ist, dass sie am nächsten Tag blaue Flecken an den Handgelenken haben wird. Sie ist zu konzentriert, um mitzukriegen, dass ihr die Umstehenden applaudieren. Die Nachrichtenagenturen melden: „90-jährige Holocaust-Überlebende bei Protesten gegen Polizeigewalt in Ferguson in Handschellen abgeführt“.

Erste Beobachtungen

Hedy Epstein hat am 15. August bei sich in St. Louis ihren runden Geburtstag gefeiert. Als die letzten Gäste abgereist sind und Freunde fragen, ob sie zum Wainwright-Gebäude mitkommen will, wo der Gouverneur ein Büro hat, zögert sie keinen Moment. Die Stadt ist seit 53 Jahren ihr Zuhause. Das Thema ist ihr wichtig. Und sie hat Erfahrung mit gewaltfreiem Widerstand.

„Gewundert hat es mich nicht“, sagt sie über den Ausbruch von Wut, der auf die tödlichen Schüsse eines weißen Polizisten auf einen unbewaffneten schwarzen Teenager in Ferguson gefolgt ist. „Wenn man Leute unterdrückt und ihnen nicht dieselben Chancen gibt, kommt es irgendwann zu einer Explosion.“

Von ihrer Hochparterrewohnung in einem Backsteinhaus in St. Louis aus ist die Vorstadt Ferguson eine knappe halbe Autostunde entfernt. Den toten Michael Brown hat sie nicht gekannt. Aber das Misstrauen und die Vorurteile gegen Afroamerikaner gehören zu den ersten Dingen, die sie beobachtet hat, als sie 1948 in das Land kam, das ihre neue Heimat werden sollte.

Sie ist eine staatenlose, einsame junge Frau. Die einzige Überlebende der Familie Wachenheimer aus Kippenheim am Schwarzwald. Ihre Eltern haben sie, als 14-Jährige, im Mai 1939 mit einem der letzten „Kindertransporte“ nach England geschickt. Im Jahr nach der Umarmung auf dem Bahnsteig werden die Mutter und der Vater deportiert, wie alle anderen in Deutschland zurückgebliebenen Mitglieder der Familie. Ihre Spuren verlieren sich in Auschwitz.

Als Hedy Epstein, 24-jährig, in New York eintrifft, führt eine Kollegin die junge Frau in ihre neue Stelle bei einer Flüchtlingshilfsorganisation ein. Die New Yorkerin ist freundlich, aber reserviert. Ein gemeinsames Mittagessen lehnt sie kategorisch ab. Nach mehreren Tagen liefert sie die Erklärung: „Sie wissen doch, dass Schwarze nicht dieselben Restaurants wie Sie besuchen können.“ Hedy Epstein bleibt mit einer Verstörung zurück, die bis heute nachwirkt.

„Der Rassismus sitzt tief“

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

[youtube JGP5nhvJIDc]

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Grafikquelle     :

Hedy Epstein bei der Eröffnung der Dauerausstellung Memorium Nürnberger Prozesse (2010)

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Bizarres aus Bayreuth

Erstellt von Redaktion am 2. September 2014

Wenn das der Wagner wüsste

Datei:Festspielhaus - Panorama.jpg

Autor: Reyes Carrillo

Rationalgalerie

Datum: 01. September 2014

„Horch Draudl, kummd die Mergl odda der Goddschalch des Johr a widder?“
(„Hör mal, Waltraud, kommen die Merkel oder der Gottschalk dieses Jahr auch wieder?“)

Unsere die Waltraud fragende Freundin ist selbstverständlich frei erfunden. Es gibt keine(n) BayreutherIn, die nicht über die jeweilige detaillierte Liste derer im Kopf verfügte, deren traditionelle Premierenauffahrt zum Heiligen Gral des Festspiel-Theaters viele Hunderte von süchtigen Mit-Atmern prominenten Odems an die Straßenränder des Festtspielparks löckte. Wenige darunter, Störer ist zuviel gesagt, kämpfen aber mit antizipiertem, zuverlässigem Würgereiz in Anbetracht der eigentlich immergleichen unappetitlichen Bagage aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Show usw., die da Frack- und Abendkleid lüpfend aus gewienerten Limousinen fällt und dreist umherlächelt. Gut, auch diese Gegen-An-Atmer sind selbstverständlich auf ihre Weise süchtig. Letztere findet man dann später schimpflallend beim dreizehnten „Zwick’l“-Bier (die Bierdeggelstrichla geben Auskunft) im „Herzogkeller“ wieder. Viele Mit-Atmer hingegen schleichen nach Vorstellungsende zum Künstlerlokal „Eule“, um dort vielleicht noch den beleidigten D-Prominenten zu treffen, der nicht auf den traditionellen „Staatsempfang der bayerischen Landesregierung“ im Neuen Schloss eingeladen ist. Und Costa, der in diesem Fall wirklich so heißt, wirklich vor langen Jahren aus Griechenland kam und wirklich Taxifahrer ist, sammelt dann in dieser langen Nacht zum Premieren-Kehraus ein paar Mit- und Gegen-An-Atmer, vereint und versöhnt nun im gemeinsamen Ausgeatmet-Haben, ein und freut sich jedes Jahr aufs Neue, ein kleines Rädchen dieser magischen Wochen Wagnerschen Hochamts sein zu dürfen. In dieser Zeit trägt er Anzug und Krawatte.

Aber wo sind die Nazis, wo der braune Sumpf, wo diejenigen, die den langjährigen intimen Freund Bayreuths, den Führer, vermissen? Wo diese typische „Bayreuther Brühe“ aus den einen Parsifal in die Gehörgänge implantiert habenden und über Schwabs „Deutsche Heldensagen“ masturbierenden Großdeutschland-Träumern? Zur mehr oder weniger großen Enttäuschung eines jeden aufrechten Antifaschisten wird es dummerweise tatsächlich schwer, unter solcherart Begriffsbildern in Bayreuth fündig zu werden. Was freilich mitnichten meint, all dies gäbe es nicht – auch. Die Realität des fast imperialen Wagner-Anteils Bayreuths ist aber längst eine andere, eine entspannte, glaubhaft entspannte. Von den traditionellen, aufgemotzten, mal interessanten, meist langweiligen Fehden innerhalb des Wagner-Clans natürlich einmal abgesehen. Wäre dies anders (auch schon länger), dann hätten sich kaum Regisseure und Dirigenten wie Patrice Chéreau, Pierre Boulet, Christoph Schlingensief, Frank Castorf, Werner Herzog, Heiner Müller, Jürgen Flimm, Daniel Barenboim usw. nach Bayreuth verpflichten lassen. Deren oft heftige Leiden unter dem bizarren und verkrusteten Paten-Onkel Wolfgang Wagner waren vor allem dem Kampf um ihre eigene künstlerische Freiheit geschuldet. Bemerkenswert ist unter anderem auch die gemeinsame Zeitachse völlig divergierender „Aggregatzustände“ in Bayreuth Mitte der 1970er Jahre: Da ist auf der einen Seite die in die Annalen der Bayreuther Festspiele eingegangene „linke“ Ring-„Skandal-Inszenierung“ von Patrice Chéreau, 1976. Und auf der anderen Seite das ebenso große Aufmerksamkeit erregende filmische 5-Stunden-Mammut-Interview von Hans-Jürgen Syberberg von 1975 mit Winifried Wagner (der Busen-Freundin Hitlers), in der diese noch einmal eindringlich die Unbelehrbare gibt (Hans-Jürgen Syberberg: „Winifried Wagner und die Geschichte des Hauses Wahnfried“). O-Ton Winifried: „Wenn der Hitler heute hier zur Tür reinkäme, ich wäre genauso fröhlich und so glücklich, ihn hier zu sehen und zu haben, als wie immer.“
Chéreaus Inszenierung unter der musikalischen Leitung des Dirigenten und Komponisten Pierre Boulez wird von Linken überdies als sozusagen erste (und letzte) „materialistische“ Inszenierung auf dem Grünen Hügel gefeiert. Nach der Wut des Publikums und der Kritik bis hin zu wüsten Schlägereien 1976 setzte Wolfgang Wagner den Provokations-Ring in einem mutigen Jetzt-erst-Recht vier Jahre hintereinander auf den Bayreuther Speiseplan. 1980 schließlich verabschiedete sich diese Inszenierung mit legendären neunzig Minuten Applaus und 101 Vorhängen. Wolfgang Wagner stand in einer seltenen wiewohl segensreichen Gespaltenheit nicht nur für einen drögen inszenatorischen Traditionalismus, sondern auch für seine innovatorische Aufgeschlossenheit, polarisierende Gastarbeiter wie Chéreau, Boulez, Götz Friedrich oder Harry Kupfer nach Bayreuth zu locken.

Mit Winifried an der Spitze und in gewisser Hinsicht auch mit Wolfgang verließen dann aber schließlich vor allem der letzte braune Stuhl und ein insgesamt zäher Konservatismus endgültig die Mauern des Festspielhauses und der von Haus Wahnfried.
Die heutigen Bayreuther Wagner-Spiele also unter den Generalverdacht zu stellen, ihre braune Vergangenheit müsse quasi mit der Lindwurm-Kraft eines Siegfrieds dauerhaft an ihr kleben bleiben, verkennt die Realitäten oder will sie bewusst verkennen. Eine klare und deutliche Vergangenheitsbewältigung des gesamten Clans, die auch strengeren Maßstäben genügen würde, gab es indes in der Tat nicht. Der sich freilich anbietende Umkehrschluss führt jedoch auf eine längst von braunen Duftmarken befreite und damit sinnlose Fährte.

Etwas anderes ist es, den Komponisten selbst, sein Wesen, sein Denken, seine Musik nicht zu mögen. Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen, obschon sich – außer der Geschmacksfrage – um alle diese Fragen einige Mythen ranken, die dem Mann nicht gerecht werden. Richard Wagner, der wohl der in allen Einzelteilen sezierteste Komponist und Mensch der Musikgeschichte ist, war, was von niemandem ernsthaft bezweifelt wird, ein musikalisches Genie und hat vor allem mit seiner speziellen Harmonik die kompositorische Weiterentwicklung zu jener Zeit stark beeinflusst. Gesichert zudem ist, dass er – zwischenmenschlich – ein egoistisches Arschloch und eitler Sack gewesen sein muss, das und der alles und jeden nach seinem Nutzen für sich selbst beurteilte. Richard Wagner war darüber hinaus aber ein sehr politischer Genosse seiner sowieso sehr politischen Zeit. Doch wenn einer wie Springer-Chef Mathias Döpfner noch im Juli vergangenen Jahres im Stern-Interview Wagner als „einen rassistischen Reaktionär“ bezeichnet, dann klingt das zwar überraschend wohlfeil, sollte aber angesichts der Personalie, die dieses behauptet, ein gesundes Misstrauen generieren. Bis in linke (Fach-)Kreise hinein ist Richard Wagner längst vom eindimensionalen Vorwurf des Rassisten und Judenhassers befreit. Wagner wird hier – biografisch nachvollziehbar – als „Romantischer Linker“ gesehen, als Frühsozialist, der die vernichtenden Kräfte des aufkommenden Kapitalismus erkannte und fürchtete. In seinem Selbstbild begriff er sich sowieso als Revolutionär – musikalisch und politisch. Zu Wagners Pariser Zeit um 1830 war es unter den Frühsozialisten übrigens üblich, Kapitalisten und Juden als Synonym zu verwenden. Obwohl dies der damaligen Wirklichkeit freilich nicht standhielt, sondern sich aus den zu jener Zeit entstehenden Großbanken in jüdischem Besitz herleitete. So stellt Wagners gefürchtetes Elaborat „Das Judentum“ (in der Musik) die Juden gleichsam als Synonym für die Kommerzialisierung von jeglicher Kunst und Kultur dar. Wagners Hingezogensein zu den großen, schwülen Heldensagen des deutschen Mittelalters ist Teil seines Konzepts: Einer (natürlich von ihm) zu erschaffenden „deutschen Kunst“, eines komplexen „Gesamtkunstwerks“, das einst frei von jeglicher kommerziellen Ausbeutung die von ihm so erkannte revolutionäre Botschaft dieser Sagen verbreiten möge. Wagner visionierte eine Art von „Kunst-Religion“, die die Fähigkeit habe, gesellschaftliche Einheit (heute würde man wohl sagen: gesellschaftliche Solidarität) zu erzeugen und damit der Wucherung kapitalistischer Einzelinteressen vorzubeugen. Im Übrigen distanzierte er sich durchgängig von der nationalistischen und rassistischen Rechten seiner Zeit.
Auch der Vorwurf, Wagner habe erst den Nationalsozialismus möglich gemacht, ist freilich genauso absurd wie seine umgekehrte Variante, Marx als Vorhut des Stalinismus zu betrachten. Verbriefte antijüdische Äußerungen Wagners sind zudem im Kontext seiner Zeit zu verstehen, in der dieses Juden-Bashing zum gängigen Repertoire des Bildungsbürgertums hüben und drüben des Rheins gehörte. Das mag nicht jede/r gerne hören (die Autorin früher inbegriffen!), aber die Fairness verlangt (leider?) solcherart entlastende Kontextuierung wahrzunehmen. Und last not least hatte sich Hitler in seinem Judenhass nie auf Richard Wagner bezogen. Auch dies ein hartnäckiger Mythos.

Nein, das was Bayreuth mit seinen jeden Juli wie Heuschrecken einfallenden Wagnerianern gestern, heute und morgen so bizarr und skurril macht, ist die meist freakige Klientel selbst und die satirische Metamorphose eines temporär zu internationaler Bedeutung aufwachenden, biederen Provinzstädtchens mit Gartenzwergidylle. Es ist diese Mischung aus deutschtümelndem, internationalem (!) Bildungs- und Großbürgertum, intellektuellen Musik-Profilneurotikern, natürlich auch der Spezies mit eingebautem Wichtigkeits-Gen, dem armen, besessenen Schlucker aus Amazonien, der sein Leben für die Teilnahme an einer Generalprobe hingibt und natürlich das bunte Grüppchen, das sich Wagners Pathos einfach mal als Zwischendurch-Dröhnung geben muss.

Ach ja: Frau Merkel war zur Premiere nicht da (aber später), auch nicht Herr Gottschalk, dafür aber Johannes B. Kerner.

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Grafikquelle     :

Quelle Eigenes Werk
Urheber Guido Radig

Panorama (mit Hughin Software aus 4 Bildern zusammengesetzt)

Lizenz

Ich, der Urheber dieses Werkes, veröffentliche es unter der folgenden Lizenz:
w:de:Creative Commons
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Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“ lizenziert.

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DL – Tagesticker 02.09.14

Erstellt von Redaktion am 2. September 2014

Direkt eingeflogen mit unserem Hubschrappschrapp

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1.) Gewonnen haben nur die Nichtwähler

Verstehe einer die Sachsen! Forsa-Chef Manfred Güllner über das Abschneiden der AfD, die Bindekraft der CDU und die extrem niedrige Wahlbeteiligung.

Der Stern

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2.) Berlin betrügt Flüchtlinge

ASYL Im Vertrauen auf eine Vereinbarung mit dem Senat hatten Flüchtlinge ihr Protestcamp in Kreuzberg aufgelöst. Nun stellt sich heraus: Sie wurden reingelegt

TAZ

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3.) Bayerische Staatskanzlei-Chefin

Christine Haderthauertritt zurück

Bayerns Staatskanzleichefin Christine Haderthauer hat wegen der sogenannten Modellbau-Affäre ihren Rücktritt erklärt. Das gab die CSU-Politikerin am Montagabend bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin in München bekannt.

gmx

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4.) Linke-Politiker Maresch gibt Parteibuch ab

Potsdam (has) Der Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch hat seinen Rückzug aus der Partei Die Linke bekannt gegeben. „Mit Wirkung vom 1. September beende ich meine Mitgliedschaft“, heißt es in einem Schreiben vom Sonnabend.

Märkische Online Zeitung

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5.) Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Xavier Naidoo

Der christliche Soul-Popper Xavier Naidoo hat mit dem Rapper Kool Savas einen Song veröffentlicht, in dem er Homosexualität und Kindesmissbrauch in einen Zusammenhang stellt. Die Jugendorganisation der Linkspartei hat Anzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft Mannheim leitet ein Verfahren ein.

Der Spiegel

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6.) Der schmutzige Rest

Die CDU hat nach der Landtagswahl in Sachsen ein Riesenproblem. Zwar hat sie mit 39,4 Prozent erneut den Wahlsieg errungen – die 9,7 Prozent AfD-Stimmen sind jedoch ein Menetekel.

TAZ

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Der, Die, Das – Letzte vom Tag

7.) Sexgewürz ohne Wirkung

Aphrodisierend oder nicht? Gegen ein „Sexgewürz“ von Alfons Schuhbeck klagt ein Verband wegen Irreführung. Die Münchner Richter dachten über einen Selbstversuch nach.

Sueddeutsche

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