DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

12.09.14 – tacheles-Newsletter

Erstellt von Redaktion am Freitag 14. September 2012

Harald Thomé Tacheles Wuppertal

Datei:Wuppertal-090619-8590-Vohwinkel-Schwebebahn.jpg

1. Neue SGB II-Bescheide geplant
Nach acht Jahren rechtswidriger Bescheide will anscheinend die Bundesagentur für Arbeit (BA) diese Praxis aufgeben und diese durch rechtskonforme Bescheide ersetzen. Die vormaligen sind rechtswidrig, da die gegenwärtigen Bescheide nicht den gesetzlichen Vorgaben der Begründungspflicht entsprechen. Denn Sozialleistungsträger sind verpflichtet, alle wesentlichen und tatsächlichen Gründe, die sie zu einer Entscheidung bewogen haben, im Bescheid zu nennen(§ 35 Abs. 1 SGB X), bei bedarfsabhängigen Leistungen heißt das, die genauen Berechnungsschritte im Bescheid nachvollziehbar und transparent auszuweisen. Bislang waren die Bescheide alle A2LL – Bescheide (die von Nürnberg kommenden Bescheide und von nicht optierenden Jobcentern erstellten = 4/5 aller Jobcenter). An dieser Darstellung mangelte es bisher und aus dem Hause des Herrn Alt hieß es immer, das könne die Software nicht. Anscheinend kann sie es jetzt doch oder sie kann es zumindest dann, wenn der Wille da ist. Daher ein „Hoch auf die moderne Technik“, die es nun anscheinend doch ermöglicht, rechtskonforme Bescheide zu erlassen, (das hätte man aber auch schon seit 7 oder 9 Jahren so haben können, insofern der Wille dazu da gewesen wäre).
Hier nun ein Einblick auf die Planung der BA, nach gut informierten Kreisen sollen die neuen Bescheide ab Januar 2013 kommen: http://www.harald-thome.de/media/files/Neue-A2LL-Bescheide-2013.pdf

Jetzt wäre es nur noch zu begrüßen, wenn die optierenden Kommunen auch noch derart transparente Bescheide bekommen könnten und nicht so einen Mist wie akdn-Sozial (Softwarename von einer Software optierender Kommunen)

Das muss man sich einmal „reintun“: Geduldete Rechtswidrigkeit einer staatlichen Behörde; geduldet von Sozialgerichten sämtlicher Grade und sogar vom BVG.
Blut, Tränen und Tod hat dieses Unrecht gekostet.

Und wenn man dazu die nachfolgende Regelbedarfs-Fortschreibung betrachtet, kann man eigentlich nur noch die kalte Wut bekommen.
Man muss allen Ernstes annehmen, dass der Staat, vertreten durch den vom Volk immer noch hochgelobten Hosenanzug, die Menschen ins ‚Nirwana‘ zu treiben beabsichtigt. Es wird wirklich Zeit, dass die Menschen auf die Strasse gehen.

2. Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2013
Die Bundesregierung zementiert die Existenzsicherung auf unterstem Niveau mit einer Regelbedarfserhöhung von 8 EUR für den Eckregelsatz im nächsten Jahr. Die Regelsätze sollen in der
RB-Stufe 1 auf 382,- EUR
RB-Stufe 2 auf 345,- EUR
RB-Stufe 3 auf 306,- EUR
RB-Stufe 4 auf 289,- EUR
RB-Stufe 5 auf 255,- EUR
RB-Stufe 6 auf 224,- EUR

steigen.
Ich erinnere, dass das SG Berlin wegen zu geringer Regelbedarfe wiederum einen Vorlagebeschluss beim Bundesverfassungsgericht gemacht hat (SG Berlin vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12). Festhalten möchte ich dazu auch noch, dass die Regelleistung selbst in dieser Höhe einfach zu gering ist, die Regelbedarfserhöhung kompensiert noch nicht mal die Preissteigerung der Haushaltsenergie im Jahr 2012. Es ist einfach nicht genug zum Leben. Das Kalkül ist genauso klar wie offensichtlich: durch chronische Unterfinanzierung die Leistungsbezieher in den Niedrigstlohn zu hungern. Ein Zustand, der solange bleiben wird, wie die Betroffenen und die interessierte Öffentlichkeit nicht auf die Straße gehen.
Hier nun zur Verordnung: http://www.harald-thome.de/media/files/RS_K_4270_Fortschreibungsverordnung_2013_Anlage.pdf

3. Massive Kürzungen im Bereich der Eingliederungsleistungen im SGB II/SGB III geplant
Trotz zunehmender Krisentendenzen am Arbeitsmarkt will die Bundesregierung weitere Kürzungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik fortführen. Die geplanten Kürzungen werden aus dem jetzt vorliegenden Entwurf des Bundeshaushaltes 2013 und der mittelfristigen Finanzplanung im Bereich „Arbeitsmarkt“ (Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik und Sozialleistungen im Bereich Hartz IV) ersichtlich. Hier geht’s zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013: http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/190.html
Insgesamt will die Regierung im Bereich „Arbeitsmarkt“ (Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik und Sozialleistungen im Bereich Hartz IV) die Ausgaben von 2012 bis 2013 um 8,6 Mrd. Euro auf 31,4 Mrd. Euro senken.

Diese neue Kürzungsrunde hat zur Folge, dass die Erwerbslosen oder nicht ausreichend Erwerbenden dauerhaft von Zugängen auf dem Arbeitsmarkt abgekoppelt werden, sie damit zur Dauererwerbslosigkeit oder Tätigkeiten im Niedriglohn verdammt werden. Anders gesagt, es ist die offene Ansage der Bundesregierung „euch geben wir auf, in euch wollen wir nicht mehr investieren“. Damit tritt eine neue Phase ein, von der Durchsetzung des Niedriglohnsektors zur Verfestigung und Zementierung des Niedriglohnsektors in Deutschland.

Dazu ein hervorragendes Dokument der Linken: „Arbeitsmarktpolitik weiter auf Talfahrt – Die Haushaltsplanungen der Bundesregierung für 2013 und danach“ aus dem Themenkomplex gut herausgearbeitet wird, das gibt es hier: http://www.harald-thome.de/media/files/120911-Infopapier-AMP-weiter-auf-Talfahrt.pdf
Dazu auch ein ganz guter Bericht in der Frankfurter Rundschau unter: http://tinyurl.com/9veawst

4. Armutsbericht NRW – Sozialbericht NRW 2012/ Armuts- und Reichtumsbericht
Trotz derzeitigem Wirtschaftswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit steigt die Armut in NRW rasant an. Fast drei Millionen Menschen in NRW sind arm, die soziale Schere geht weiter deutlich auseinander. Die Landesregierung hält das für alarmierend.
Minister Schneider führte diese „alarmierenden Zahlen“ vor allem auf die Ausweitung des Niedriglohnsektors zurück, in dem in NRW derzeit bereits jeder Fünfte arbeite. Armut treffe darüber hinaus vor allem Alleinerziehende, Migranten, Geringqualifizierte, Kinder und Jugendliche. Besonders prekär sei die Situation junger Erwachsener im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, bei denen ein überdurchschnittliches Armutsrisiko mit Problemen am Arbeitsmarkt wie etwa der Ausweitung des Niedriglohnbereichs oder befristeter Beschäftigung kumuliere.
Hier eine Kurzanalyse aus ministerieller Feder: http://www.mais.nrw.de/sozber/sozialberichterstattung_nrw/kurzanalysen/Kurzanalyse_2_12.pdf
Hier der gesamte Bericht: http://www.mags.nrw.de/sozialberichte/sozialberichterstattung_nrw/aktuelle_berichte/index.php
und eine Zusammenfassung mit Fakten auf den Nachdenkseiten unter: http://www.nachdenkseiten.de/?p=14352#more-14352

A n m e r k u n g: Die Schere geht auch durch Weisung des „Hauses Schneider“ auseinander, so wurden 100.000 Hartz IV/SGB XII – Leistungsbezieher durch rechtswidrige Weisungen des Ministeriums zu den Unterkunftskosten um einen vermutlich dreistelligen Millionen Bereich gebracht. Nachdem diese „KdU-Abzocke“ vom Bundessozialgericht gekippt wurde, versucht wiederum das Ministerium alles, um eine rückwirkende Korrektur zu verhindern.

5. Bundesweiter Aktionstag Anfang Okt. 2013: „Tag der Deutschen Einheit“ 2012 – Rote Linie gegen Armut / Zahltag in Wuppertal
Die Bündnisplattform 10 Euro Mindestlohn/500 Euro Eckregelsatz mobilisiert zu einem bundesweiten Aktionstag „Rote Linie gegen Armut“. Bisher sind für fast 30 Städte Aktionen geplant und vorbereitet. Der Verein Tacheles ist Teil des Bündnisses und wird sich mit einer eigenen Aktion „Zahltag am 1. Okt. – Eingangsbestätigung sofort!“ vor dem Jobcenter Hauptquartier in Wuppertal beteiligen.
Macht mit beim Aktionstag, macht mit bei der Zahltagaktion in Wuppertal (Näheres dazu bald im Netz)! Hintergrund zum Aktionstag hier: http://www.die-soziale-bewegung.de/ und http://www.mindestlohn-10-euro.de/

6. Bundesweite Sozialproteste am 29. September 2012 / Um-fair-teilen
Für den 29. Sep. ist ein bundesweiter Aktionstag mit vier großen Demos in Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg und diversen Aktionen in anderen Städten geplant. Dazu ruft ein breites Bündnis von Attac über die Wohlfahrts- und Sozialverbände, Gewerkschaften und diversen großen und kleinen Gruppen (unter anderem auch Tacheles e.V.) aus allen möglichen Spektren auf. Zur Teilnahme möchte ich aufrufen, mehr dazu hier: http://umfairteilen.de/

7. Aktualisierung der Zusammenstellung: BSG Rechtsprechungsübersicht zum SGB II / 2011
Der Kollege Bernd Eckhardt vom Nürnberger Arbeitslosenzentrum hat die Rechtsprechungsübersicht zur BSG Rechtsprechung im Bereich des SGB II aktualisiert und überarbeitet. Entscheidungen lagen bei der ersten Version noch nicht im Volltext vor. Daher mussten die ein oder anderen Infos aktualisiert werden. Die aktuelle und endgültige Rechtsprechungsübersicht gibt es hier: http://www.harald-thome.de/media/files/BSG_2011_Endfassung.pdf

8. NRW Städtetag positioniert sich zur Fortsetzung der „KdU-Abzocke“ in NRW
In einem jetzt bekannt gewordenen Papier positioniert sich der NRW Städtetag zur Fortsetzung der KdU –Abzocke zu Lasten von vermutlich 100.000 SGB II/SGB XII-Haushalten in NRW. So wurde bedingt durch Weisung des Ministeriums für Arbeit und Soziales NRW (MAIS) Hunderttausenden von transferleistungsbeziehenden Haushalten seit 2010 unrechtmäßig zu wenig Unterkunftskosten gewährt. In einer sehr spitzen Verwaltungsanweisung vom xxx weist nun das Mais an, dass keine Überprüfung von Amtswegen zu erfolgen habe, sondern nur dann, wenn die Betroffenen Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X stellten. Dieses Vorgehen stützt der NRW Städtetag „insbesondere“ und formuliert selbst: “Das Gesetz und der Erlass enthalten keine Verpflichtung zur sofortigen Überprüfung aller Akten“ (letzter Absatz). Damit stellen das MAIS und de Städtetag klar, dass sie die KdU Abzocke auf jeden Fall fortsetzen wollen und machen für die NRW-Beratungslandschaft klar, dass wir jetzt eine Kampagne gegen die KdU-Abzocke und zum Stellen von Überprüfungsanträgen beginnen müssen. Auf dass die Sozialbehörden in Überprüfungsanträgen ersticken werden!
Erlass des MAIS dazu: http://www.harald-thome.de/media/files/MAIS-NRW-15.8.-2012-ERlass-zu-KdU-RS-0477-12-Anlage-A1.pdf
Das Schreiben des Städtetages vom 28.08.2012 gibt es hier: http://www.harald-thome.de/media/files/St-dtetag-28.08.2012-zu-WNG.pdf

[ … ]

So, das war es mal wieder für heute.
Mit besten und kollegialen Grüßen

Harald Thomé
Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125
42285 Wuppertal

www.harald-thome.de
info@harald-thome.de

——————————————————————————————————————————

Grafikquelle  :

Quelle Eigenes Werk
Urheber Mbdortmund

Lizenz

GNU head Es ist erlaubt, die Datei unter den Bedingungen der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2, veröffentlicht von der Free Software Foundation, zu kopieren, zu verbreiten und/oder zu modifizieren; es gibt keine unveränderlichen Abschnitte, keinen vorderen und keinen hinteren Umschlagtext.Der vollständige Text der Lizenz ist im Kapitel GNU-Lizenz für freie Dokumentation verfügbar. nur 1.2

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>